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E-Book

Hunde halten mit Bauchgefühl

Zurück zu einem intuitiven Umgang mit dem Hund

AutorKathrin Schar, Thomas Riepe
VerlagCadmos Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783840461798
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Alles, was man für ein entspanntes Zusammenleben mit dem Hund wissen muss, in leicht verständlicher, kompakter Form - fachlich fundiert, unkompliziert und neutral zeigt dieses Buch, wie man ganz ohne eine bestimmte Philosophie oder ein besonderes Hilfsmittel mit seinem Hund glücklich werden kann. Diese Buch soll mit verständlichen Worten die wichtigsten Grundlagen für ein entspanntes Zusammenleben mit dem Hund vermitteln. Die Herkunft des Hundes, seine Bedürfnisse und die Gründe für sein Verhalten sollen dem Hundehalter näher gebracht werden, ohne eine weitere 'einmalige Trainingsmethode' zu propagieren. Das Hauptziel des Buchs ist es, den Hundehalter Entspannung zu vermitteln. Es soll ihm den Druck nehmen, dieser oder jener Philosophie folgen zu müssen, nur weil sie in seinem Umfeld gerade als 'die einzig wahre' gilt. Es soll die Verwirrung auflösen, die all die Tipps, Weisheiten und Ratschläge stiften, die geradezu auf Hundehalter einprasseln. Kurz: Es soll ihm ermöglichen, seinen Hund so kennenzulernen, wie er wirklich ist. Leser werden an einigen Stellen sicher überrascht sein, wie unkompliziert das Zusammenleben mit einem Hund sein kann - wenn man sich nur darauf einlässt, zurück zum Hund zu finden.

Kathrin Schar lebt und arbeitet als Hundetrainerin mit ihrem 'Assistenten', einem Mopsmischling, in Wien. Ihre Spezialgebiete sind die Mensch-Hund-Beziehung und die Verhaltenstherapie. Regelmäßige Vorträge für Hundehalter und das Verfassen von Fachartikeln für diverse Magazine (Green Balance, Fressnapf-Journal Österreich) erweitern ihren Aufgabenbereich. Eine gemeinsame Forschungsreise mit Thomas Riepe in den Yellowstone Nationalpark (USA) war schlussendlich der Auslöser für das Buchprojekt. Thomas Riepe ist mit Tieren groß geworden und lebt mit seinen beiden Hunden in Nordrhein-Westfalen. Schon seit Anfang der 1990er-Jahre bereist er die Welt, um das Verhalten der Tiere zu studieren, seit 1997 liegt der Schwerpunkt bei den Hundeartigen. Seit 2004 arbeitet er als Tierpsychologe, hält Vorträge und schreibt regelmäßig Artikel für die kynologische Fachpresse. Er veröffentlichte bisher sieben Bücher, unter anderem 'Herz, Hirn, Hund' und 'Da muss er durch'. Seit 2011 ist er Chefredakteur des Fachmagazins CANISUND, das sich neben Haushunden auch mit den Wildhunden dieser Erde beschäftigt. SeineTalkshow 'Riepes Hundetalk' läuft seit 2012 sehr erfolgreich beim TV-Lernsender NRWISION.

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Leseprobe

Über Wölfe und Hunde

(Foto: shutterstock.com/Girod-B. Lorelei)

Es mag an dieser Stelle etwas ungewöhnlich erscheinen, aber wir möchten zunächst kurz auf eine andere Tierart eingehen: die Kaninchen. Wildkaninchen, aus denen alle Hauskaninchen hervorgegangen sind, leben ein überschaubares Leben. Die sozialen Tiere bewohnen mit ihrer Gruppe eine Bauanlage, von der sie sich zur Futtersuche in der Regel höchstens 200 Meter weit entfernen. Bei Gefahr laufen Kaninchen auf direktem Weg zu ihrem Bau, wobei sie mögliche Hindernisse praktisch nie überspringen, sondern immer versuchen, um diese herum oder darunter hindurchzulaufen. Springende Kaninchen wären für einen Greifvogel schließlich leichte Beute.

Kaninchen springen also von Natur aus ungern, und das gilt nicht nur für die wilden, sondern auch für unsere domestizierten Hauskaninchen. Dennoch gibt es seit einiger Zeit immer mal wieder Berichte über Kaninchenhalter, die mit ihren Tieren die Sportart „Kaninhop“ betreiben, bei der Kaninchen am Geschirr über einen Hindernisparcours geführt werden, den sie springend bewältigen müssen. Bestimmt entstand diese Form der Beschäftigung aus dem gut gemeinten Wunsch engagierter Kaninchenbesitzer, ihrem Tier Abwechslung zu bieten. Letztendlich ist sie jedoch ein Beispiel dafür, wie mangelndes Wissen über die Bedürfnisse einer Tierart dazu führen kann, dass den Tieren völlig artfremdes Verhalten abverlangt wird.

Was für die Kaninchen gilt, lässt sich auf unsere Haushunde übertragen. Ihre Vorfahren sind die Wölfe, und trotz zahlreicher Unterschiede darf man diese Herkunft nicht außer Acht lassen, wenn man Verhalten und Bedürfnisse unserer Hunde wirklich verstehen will. Die Frage, wie viel Wolf noch in unseren heutigen Hunderassen steckt, wird unter Experten nach wie vor kontrovers diskutiert, und die verschiedenen Argumente und Theorien können für den interessierten Hundehalter durchaus verwirrend sein. Glücklicherweise ist es jedoch gar nicht nötig, allzu tief in diese Materie einzusteigen, wenn man ein unkompliziertes Zusammenleben mit seinem Hund anstrebt. Ein wenig Basiswissen über die Gemeinsamkeiten und die durch die Anpassung an das Leben mit dem Menschen bedingten Unterschiede von Wolf und Hund reicht völlig aus, und genau das möchten wir in diesem Kapitel vermitteln.

Domestikation

Den Anpassungsprozess, bei dem aus einem Wildtier mittels gezielter Auslese durch den Menschen im Lauf der Zeit ein Haus- oder Nutztier wird, nennt man Domestikation. Dabei wird die natürliche, evolutionäre Entwicklung durch die künstliche, vom Menschen getroffene Auswahl ersetzt.

Was Wolf und Hund eint

Aus dem Wildtier Wolf hat sich durch viele Jahre der Domestikation das Haustier Hund entwickelt, das sich ganz offensichtlich von seinem Vorfahren unterscheidet. Doch spätestens, wenn man sich einmal genauer mit dem Verhalten von Wölfen beschäftigt und es mit dem unserer Haushunde vergleicht, wird man feststellen, dass es hier reichlich beachtenswerte Gemeinsamkeiten gibt, auch wenn die einzelnen Verhaltensmerkmale bei Wolf und Hund unterschiedlich ausgeprägt sind. Wir möchten einige der wichtigsten gemeinsamen Verhaltensweisen vorstellen, wobei sich selbstverständlich noch viel mehr Beispiele für Parallelen finden lassen. Ausführlich wird an dieser Stelle in erster Linie auf das Wolfsverhalten eingegangen, während die vergleichbaren Verhaltensweisen der Haushunde zu einem späteren Zeitpunkt genauer beschrieben werden.

Hund und Wolf haben nach wie vor viel gemeinsam, auch wenn das nicht bei allen Hunderassen so direkt ins Auge fällt wie bei diesem Siberian Husky. (Foto: shutterstock.com/Sergey Lavrentev)

Sozialleben

Ohne Zweifel sind Wölfe soziale Tiere. Das heißt, unter normalen Umständen verbringen sie ihr Leben nicht allein, sondern in Gesellschaft von Artgenossen. Das ist noch nichts Besonderes, denn viele Tierarten leben in Gruppen und können deshalb als sozial bezeichnet werden. Allerdings sind nicht alle Gruppen nach dem gleichen Muster aufgebaut. Es gibt solche, die hauptsächlich aus miteinander verwandten Individuen bestehen, und solche, die sich mehrheitlich aus nicht miteinander verwandten Tieren zusammensetzen. Wölfe gehören zu den Erstgenannten; sie leben in den meisten Fällen im Familienverband. Das weitverbreitete Wort Rudel, dessen Herkunft unbekannt ist und das vermutlich aus der Jägersprache in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist, lässt in Bezug auf Wölfe oft einen falschen Eindruck entstehen. Die meisten Menschen stellen sich unter einem Rudel eine Ansammlung von Tieren der gleichen Art vor, die nicht miteinander verwandt sein müssen. Das trifft auf zusammenlebende Wölfe jedoch nicht zu, weshalb wir lieber von Wolfsfamilien sprechen. Diese Familien sind in der Regel wie folgt aufgebaut: Ein Rüde und eine Wölfin, die aus anderen Familien abgewandert und nicht direkt miteinander verwandt sind, bilden ein Paar und bekommen, wenn alles gut und normal läuft, im darauffolgenden Frühjahr Welpen. Die jungen Wölfe wachsen heran und bleiben auch dann noch bei ihren Eltern, wenn diese erneut Welpen bekommen haben. Die mittlerweile einjährigen Jungwölfe helfen nun bei der Aufzucht ihrer jüngeren Geschwister. Erst im nächsten Winter, mit knapp zwei Jahren, verlassen die nun geschlechtsreifen Wölfe den Familienverband, um eine eigene Familie zu gründen. Natürlich ist dieses Grundmodell vielen Einflüssen ausgesetzt und kann je nach Situation etwas von dieser Beschreibung abweichen, doch eines ist klar: Eine Wolfsgruppe bildet immer eine Familie, und innerhalb ihrer Familie verhalten sich Wölfe nicht nur sozial, sondern höchst sozial.

Wölfe leben in der Regel in Familienverbänden zusammen. Familiengründer sind eine Wölfin und ein Rüde. (Foto: shutterstock.com/Wild At Art)

Im Hinblick auf unsere Hunde zeigt uns das, dass die grundsätzliche Bereitschaft, mit mehreren Individuen auf einem begrenzten Gebiet zusammenzuleben, tief in ihrer Genetik verwurzelt ist. Genau genommen sind Hunde sogar noch sozialer als Wölfe, denn sie kommen auch mit artfremden Individuen gut aus. Zwar sind auch Wölfe unter bestimmten Umständen bereit, artfremde Lebewesen in ihr soziales Umfeld zu integrieren, bei Hunden ist diese Bereitschaft aber viel stärker ausgeprägt. Welche Strukturen sich in solchen sozialen Verbänden entwickeln, ist stark von den Umweltfaktoren und den beteiligten Individuen abhängig. Auf keinen Fall ist ein solches Miteinander aber von Rangordnungsgedanken geprägt, zumindest nicht vonseiten der Hunde.

Hunde haben im Gegensatz zu Wölfen die Fähigkeit, auch mit artfremden Lebewesen gut auszukommen.

Territorialverhalten

Die Wolfsfamilien leben in einem festen Revier, wo Nahrung für eine bestimmte Kopfzahl zu finden ist. Das familieneigene Territorium ist also von immenser Bedeutung für den Fortbestand der Familie, ist es doch praktisch die Vorratskammer, die das Überleben aller Mitglieder sichert. Dieses Revier ist so wichtig, dass es notfalls auch mit Gewalt gegen Eindringlinge der eigenen Art verteidigt wird. Jeder weitere Wolf von außen würde nämlich Nahrung wegfressen und so das Leben der Familienmitglieder gefährden – also muss er draußen bleiben.

Markiert wird das Revier durch Duftmarken, die mit Urin, Kot oder Sekreten aus diversen Duftdrüsen gesetzt werden. Die Tiere einer Familie kennen die Gerüche der anderen Mitglieder genau und wissen deshalb immer, ob sie sich noch „daheim“ befinden. Übrigens markieren nicht nur die Elterntiere, sondern jedes Familienmitglied.

Gerät ein fremder Wolf, der allein auf Wanderschaft ist, ins Revier, wird er versuchen, dieses unbeschadet wieder zu verlassen. Trifft er auf die Bewohner, die in der Überzahl sind, wird er ihnen deutlich zu verstehen geben, dass er keinerlei Anspruch erhebt, denn bei einem Kampf mit der Übermacht würde er höchstwahrscheinlich verletzt werden. Ein verletzter Wolf kann jedoch nicht jagen und somit nicht überleben. Der Fremde beschwichtigt die Revierinhaber also durch diverse Gesten (siehe Kapitel „Ausdrucksverhalten und Kommunikation“) oder indem er den Rückzug antritt. Unter normalen Umständen wird er dann nicht verfolgt. Für die Wolfsfamilie ist alles geklärt. Der Fremde ist gegangen, fertig! Es wäre auch für die Revierinhaber nicht sinnvoll, ihm hinterherzulaufen und einen Kampf anzuzetteln, der zu Verletzungen führen könnte. Das wissen die Wölfe instinktiv. Die Evolution hat nur die Tiere überleben lassen, die entsprechend vorsichtig waren. Draufgänger wurden nicht alt und konnten sich nicht in großem Maß vermehren.

Wölfe nehmen es mit der Überwachung und Kontrolle ihres Reviers sehr genau.

Eine stark ausgeprägte Territorialität ist also eine der Grundeigenschaften des Wolfes, und diese machten sich auch die Menschen zunutze, die die ersten Wölfe als Haustiere zähmten. Als „Alarmanlagen“ bemerkten die frühen „Hunde“ jeglichen Eindringling in ihr Revier, das sie mit den Menschen teilten, und sie verteidigten es oder schlugen zumindest Alarm. Im...

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