Hundgestützte Arbeit
Eine kleine Begriffsklärung
Die positive Wirkung von Tieren und ganz speziell Hunden auf den Menschen wird seit den 1970er Jahren intensiv erforscht und mittlerweile zweifelt kaum jemand mehr daran, dass hundgestützte Maßnahmen sinnvoll sind. Auch andere Tierarten haben sich in der tiergestützten Arbeit etabliert, wie zum Beispiel in der Delfintherapie, im therapeutischen Reiten oder in der Lamatherapie. Es gibt bisher allerdings weder offizielle Berufe im hundgestützten Bereich noch eine geregelte Ausbildung der Hunde.
Inzwischen führen die Bemühungen verschiedener Organisationen und einzelner Personen dazu, dass sich einheitliche Bezeichnungen der einzelnen Einsatzbereiche durchsetzen. Wurde vor rund 20 Jahren noch fast jeder irgendwie therapeutisch oder pädagogisch eingesetzte Hund als »Therapiehund« bezeichnet, gibt es nun ein wesentlich differenzierteres Bild. Es wird danach unterschieden, welche Ausbildung der Hundeführer hat, welche Anforderungen an den Hund gestellt werden und welche Ziele die Maßnahmen haben.
Tiergestützte Therapie
Ein Hund, der in der Theraeingesetzt wird, wird meist als »Therapiehund«, »therapeutischer Begleithund« oder »Therapiebegleithund« bezeichnet, und die hundgestützte Therapie wird von einem ausgebildeten Therapeuten ausgeführt. Das kann beispielsweise ein Psychotherapeut, Ergotherapeut oder Physiotherapeut sein. Der Einsatzbereich des Hunist die zielgerichtete therapeusche Arbeit mit Menschen mit schiedenen Beeinträchtigungen. werden relativ viele besondere Anforderungen an ihn gestellt, weshalb er eine fundierte spezifische Ausbildung haben sollte. Ebenso wichtig ist allerdings die tierbezogene Kompetenz und Ausbildung des Therapeuten.
Tiergestützte Pädagogik
In der hundgestützten Pädagogik wird der speziell ausgebildete Hund von einer pädagogischen Fachkraft geführt. Das kann etwa ein Sozialpädagoge, Lehrer, Erzieher oder Diplompädagoge sein. Der Pädagoge setzt den Hund als »Co-Pädagogen« zur Erreichung konkreter pädagogischer Ziele in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein. Ebenso wie der Therapeut benötigt der Pädagoge tierbezogene Kompetenz und sollte kynologisch geschult sein.
Je nach Einsatzbereich wird der Hund »pädagogischer Begleithund«, »Schulbegleithund«, »Schulhund«, »Klassenhund« oder – noch spezifischer – »Lesehund« genannt.
Tiergestützte Humanpflege
In der pflegenden und heilenden Arbeit von Krankenpflegern, Altenpflegern oder Heilerziehungspflegern können Hunde ebenfalls sehr erfolgreich eingesetzt werden. Auch hier ist eine spezielle Ausbildung von Hund und Mensch erforderlich, damit das Team für die anspruchsvolle Arbeit mit Menschen mit Pflegebedarf gut vorbereitet und eingeübt ist.
Meines Wissens gibt es noch keinen besonderen Begriff für diese Hunde. So werden sie oft ebenfalls »therapeutischer Begleithund« genannt.
Tiergestützte Förderung
Für hundgestützte Fördermaßnahmen muss der Hund ebenfalls eine spezifische Ausbildung haben, während der Hundeführer kein Pädagoge, Therapeut oder Pfleger sein muss, aber eine Schulung im Bereich tiergestützter Arbeit gemacht haben sollte. Er arbeitet zusammen mit dem Pädagogen / Therapeuten auf ein Förderziel hin.
Hier können die Hunde »pädagogische / therapeutische Begleithunde« genannt werden; es gibt aber ebenfalls keine besondere Bezeichnung, die sie von den oben genannten abgrenzt.
Tiergestützte Aktivitäten
Für hundgestützte Aktivitäten brauchen weder Hund noch Hundeführer eine spezielle Ausbildung. Das Tier sollte natürlich bestimmten Wesensanforderungen für diesen besonderen Einsatz entsprechen. Diese Aktivitäten sind nicht direkt zielgerichtet, sondern sollen Freude vermitteln und das allgemeine Wohlbefinden steigern.
Oft werden die Hunde hier »Besuchshunde« genannt.
Es gibt immer mehr und auch sehr individuelle Angebote in diesem Bereich wie Hundewanderungen im Schulnachmittagsprogramm, Welpenbesuch im Kindergarten, Theater-Gruppen mit Hund im Seniorenheim und ähnliche Aktivitäten.
Assistenzhunde / Blindenführhunde / Signalhunde
Während bei den obigen Einsatzbereichen die Hunde von ihren Besitzern für die Arbeit mit verschiedenen Menschen oder Gruppen ausgebildet werden, werden für Assistenzhunde, Blindenführhunde oder Signalhunde Hunde von professionellen Ausbildern für einen einzigen Menschen mit spezifischen Beeinträchtigungen trainiert. In manchen Fällen wird der Besitzer von Beginn an mit einbezogen, manchmal erfolgt das Training, bevor der Hund zu seinem Menschen kommt und wird dann gemeinsam mit ihm fortgeführt.
Anforderungen an den Hund
Eigenschaften und Wesen
Die Anforderungen, die an den Hund gestellt werden, sind abhängig von Einsatzbereich und Konzept. Gleichwohl gibt es gewisse Grund-Standards.
Zunächst einmal muss er einen ausgezeichneten Gesundheitszustand haben und frei von Schmerzen sein. Je nach Einsatzort werden dafür unterschiedliche Nachweise gefordert wie Gesundheitszeugnis und Impfnachweis. Natürlich sollte der Hund auch sauber und gepflegt sein.
Was die individuellen Eigenschaften und den Charakter des Hundes angeht, gibt es ebenfalls wünschenswerte allgemeine Grundvoraussetzungen, die aber durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein dürfen.
Dazu zählen:
•freundliches Wesen,
•Gutmütigkeit,
•Führigkeit,
•Umweltsicherheit,
•Belastbarkeit,
•Stressresistenz und
•hohe Toleranzschwelle.
Sobald es um konkrete Einsatzbereiche geht, können ganz unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Fähigkeiten und Wesensmerkmale gefordert sein. Manche Hunde sollen ruhig und passiv sein, andere aktiv und verspielt. Manche Hunde sollen möglichst auf ihrem Platz bleiben, andere sollen selbständig auf Klienten oder Patienten eingehen. Schwierig wird es, wenn an denselben Hund je nach Situation ganz verschiedene Anforderungen gestellt werden. Einerseits soll er in der Lage sein, »cool« abzuwarten und sich durch nichts ablenken zu lassen, andererseits soll er gern mit Menschen interagieren und jederzeit zur Mitarbeit bereit sein. Das erfordert ein wirklich intensives und an den Fähigkeiten und Bedürfnissen des Hundes orientiertes Training.
Manche Arbeitsstellen, Ausbildungs-Organisationen und Hundebesitzer hätten gerne einen Eignungstest, bevor der Hund die Ausbildung beginnt. Solche Tests spiegeln aber nur das wider, was der Hund gelernt hat, nicht seine Eigenschaften, sein Wesen oder seine Eignung. Wichtiger ist es meines Erachtens, dass der Hundebesitzer für seinen Hund den passenden Einsatzbereich hat, findet oder schaffen kann, für den er wirklich geeignet ist und ihn dafür mit Hilfe eines guten Hundetrainers ausbildet. Und hier sollte das Team dann auch eine Prüfung ablegen, in der es sowohl in der Theorie als auch in der Praxis beweisen muss, dass es seiner anspruchsvollen Arbeit gewachsen ist.
Es können aber beispielsweise auch Hunde geeignet sein, die in bestimmten Situationen etwas unsicher sind, in ihrer Arbeit aber nie mit den Unsicherheit auslösenden Dingen in Berührung kommen werden. Und manchmal sind es gerade diese Hunde, die in der Praxis mit den Klienten / Patienten / Kindern überraschende und unglaubliche Dinge auslösen und bewirken.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Hundebesitzer, der ja auch meistens der Pädagoge / Therapeut ist, immer für das physische und psychische Wohlergehen des Hundes und seine tierschutzkonforme Unterbringung und Betreuung verantwortlich ist.
Dazu gehört auch, dass Häufigkeit, Dauer und Intensität des Einsatzes das Tier nicht überfordern dürfen und bei Anzeichen von Stress entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Jeder, der überlegt, seinen Hund in der pädagogischen oder therapeutischen Arbeit einzusetzen, sollte sich deshalb gründlich überlegen, ob dieser den entsprechenden Anforderungen wirklich gewachsen ist.
Ausbildung
Auch die erforderliche Ausbildung des Hundes ist abhängig vom Einsatzbereich und sollte an dessen speziellen Anforderungen orientiert sein. Wünschenswert ist immer eine gewisse Grundausbildung, die folgende Bereiche umfassen sollte:
Gute Grunderziehung ungefähr auf Niveau des BHV-Hundeführerscheins.
Hierzu gehören:
•Übungen wie »Sitz«, »Platz«, »Bleib«, Rückruf und Leinenführigkeit
•Optimale Prägung und Sozialisierung von Jugend an in Richtung Kontakt mit Menschen jeden Alters
•Umwelt- und Sozialsicherheit (ungewöhnliche Geräusche, optische Reize, Bewegungsmuster, Tierbegegnungen …)
•Besonders enge Bindung des Hundes an seine / n Menschen
Nach dieser Grundausbildung geht es dann weiter mit der »arbeitsplatzspezifischen« Ausbildung. Und auch hier werden immer wieder neue Aufgaben entstehen, neue Ideen in der Arbeit wollen umgesetzt werden. Deshalb wird die Ausbildung des Hundes niemals wirklich beendet sein.
Eines aber muss allererster Grundsatz der Ausbildung sein: Sie soll an den Bedürfnissen des Hundes und den neuesten Erkenntnissen der Verhaltensforschung orientiert sein. Veraltete Trainingsmethoden, die mit Druck, Zwang oder Bedrohung arbeiten, bringen keinen freudig arbeitenden, belastbaren Hund hervor. Es gibt bessere und »nachhaltigere« Wege. Insbesondere, wenn wir mit Kindern arbeiten, müssen wir uns vor Augen führen, dass unsere Art des Umgangs mit dem Hund eine Vorbildfunktion hat. Im Umgang mit dem Tier erwerben die Kinder soziale Kompetenzen, die sie auf ihr ganzes Umfeld...