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Ich bin mit den Wolken geflogen

Zwei Schwestern und die Geschichte einer psychischen Krankheit

AutorJessie Close, Pete Earley
VerlagLangenMüller
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783784482187
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Leben mit einer bipolaren Störung Die jüngere Schwester von Glenn Close, Jessie Close, erzählt in ihrer Autobiografie die Geschichte ihrer Krankheit und gleichzeitig die ihrer Familie. Die Kindheit verbringt sie mit Glenn und ihren Eltern im damaligen Belgisch Kongo, wo der Vater Leibarzt von General Mobuto, dem späteren Präsidenten, ist. Es folgen für die Schwestern Jahre in Internaten, eine Zeit, in der sie allein auf sich gestellt sind. Bereits da zeigen sich bei Jessie erste Symptome einer bipolaren Störung, manische und depressive Schübe, die in immer kürzeren Abständen auftreten. Einziger Halt in diesen schwierigen Jahren ist ihre Schwester Glenn. Auch sie kommt in diesem Buch zu Wort, indem sie aus ihrer Sicht Jessies Zustand beschreibt. Glenn überredet sie schließlich, sich zu diesem vermeintlichen Stigma zu bekennen. Nur dadurch bekommt sie eine Chance, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Die berührende Schilderung einer ungewöhnlichen Schwesternliebe, einer oft verschwiegenen Krankheit und ihrer Bewältigung.

Jessie Close ist eine international anerkannte Referentin, Autorin und Befürworterin der US-Gesundheitsreform. Sie hat sich mit dem Buch The Warping of AL und ihren Artikeln für 'Bring Change 2 Mind' (eine Organisation gegen die Stigmatisierung von Menschen mit mentaler Erkrankung) einen Namen gemacht. Für ihr Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Montana. Pete Earley ist langjähriger Journalist und Bestsellerautor, 2007 gehörte er mit zu den Pulitzer-Preis-Finalisten für sein Buch 'Crazy', in dem er die seelische Krankheit seines Sohnes Mike beschreibt.

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Leseprobe

Erster Teil: Keine gewöhnliche Kindheit

»Ich musste bereits in frühester Kindheit erfahren, dass geliebt werden ein Synonym für verlassen werden ist: dass es schmerzt, geliebt zu werden und zu lieben.«Aus meinem Tagebuch

1. KAPITEL

Meine Geschichte beginnt mit einem Irish Setter namens Paddy.

Ich fange mit einer Hundegeschichte an, weil Hunde seit jeher eine wichtige Rolle in meinem Leben und im Leben des gesamten Close-Clans spielen. Ich habe vier Hunde. Meine Mutter, Bettine Moore Close, hat drei, meine älteste Schwester Tina hat ebenfalls drei, und mein Bruder Alexander, den alle Sandy nennen, hat zwei Hunde. Glenn spielte in den beiden Filmen 101 und 102 Dalmatiner die niederträchtige Gesellschaftslöwin Cruella De Vil, die Jagd auf Dalmatinerwelpen machen lässt, um in den Besitz ihres gefleckten Fells für einen Pelzmantel zu gelangen, aber ihre zwei Terrier-Mischlinge liebt. Mein Vater William Taliaferro Close, auch Bill, »Doc« oder »T-Pop« genannt, war sein Leben lang ein Hundenarr. Als er im Januar 2009 starb, hinterließ er zwei Hunde, was die Anzahl der Vierbeiner im Haushalt meiner Mutter auf fünf erhöhte. Wenn ich richtig gerechnet habe, gibt es also sechzehn Hunde in unserer gesamten Familie, die Hunde unserer sechs Kinder nicht mitgezählt.

Ich weiß, warum ich Hunde liebe. Sie erwidern meine Liebe. Sie geben mir ein Gefühl der Sicherheit. Ich mag die verrückten Dinge, die ihnen einfallen, und finde es wunderbar, dass sie mir bedingungslos zugetan sind, ungeachtet der Stimmung, in der ich mich befinde. Liebe und Geborgenheit habe ich als Kind und Heranwachsende oft schmerzlich vermisst.

Paddy, der Irish Setter, hatte meine Eltern zusammengebracht. Ihre Familien waren Nachbarn, doch die Kinder lernten sich erst im Teenageralter kennen. Die Eltern meiner Mutter, Charles Arthur und Elizabeth Hyde Moore, besaßen eine Farm in Greenwich, Connecticut. Die Eltern meines Vaters, Edward Bennett und Elizabeth Taliaferro Close, wohnten etwa zwei Meilen entfernt. Meine Eltern begegneten sich zum ersten Mal, als sie sechzehn waren, weil die Familie Close nach dem Ersten Weltkrieg nach Frankreich übersiedelte, wo Edward das American Hospital in Paris leitete, das 1906 eröffnet wurde, als Paris ein Magnet für amerikanische Intellektuelle, Schriftsteller, Dichter und Künstler jeder Couleur war.Meine Großmutter Close kehrte 1938 mit meinem Vater und seinem Zwillingsbruder in die USA zurück, da mein Großvater und sie fürchteten, Hitler könne Frankreich besetzen und besiegen. Die vierzehnjährigen Zwillinge besuchten nach der Rückkehr das Internat der St. Paul’s School in Concord, Massachusetts. Johnny, der Bruder meiner Mutter, war ebenfalls in St. Paul’s, aber in einer höheren Klasse als die Close-Zwillinge. Ihre Wege kreuzten sich, als meine Mutter Johnny besuchte; mein Vater entdeckte sie in der Kapelle. Er blickte zur Besucherempore hinauf, sah Mom und wusste tief in seinem Innern, dass sie das schönste Mädchen war, das er je zu Gesicht bekommen hatte! Aber er wagte nicht, sie anzusprechen, und sie erfuhr erst viel später von seiner Reaktion.

Um 1940 verließ auch Großvater Eddie Close Paris, und meine Großmutter Moore beschloss, anlässlich der offiziellen Rückkehr der gesamten Familie Close nach Greenwich eine Willkommensparty auszurichten. Sie zitierte meine Mutter Bettine und Johnny in den Salon und übertrug ihnen die Aufgabe, die Close-Zwillinge einzuladen.

»Es wäre nett, wenn ihr sie in euren Freundeskreis aufnehmen würdet, da sie hier in Greenwich niemanden kennen«, erklärte sie.

Der Gedanke, eine Party für zwei Jungen im Teenageralter zu geben, die niemand kannte, war für meine Mutter oder meinen Onkel alles andere als berauschend, aber Großmutter Moore ließ ihnen keine andere Wahl. Unter ihren wachsamen Augen wurde ein Abendessen arrangiert, damit sich William Taliaferro (Bill) und sein Zwillingsbruder Edward Bennett Jr. (Teddy) willkommen fühlten. Mein Vater und sein Zwillingsbruder erblickten am 7. Juni 1924 im Abstand von sechs Minuten das Licht der Welt; Teddy wurde als Erster geboren und deshalb traditionsgemäß nach seinem Vater benannt.

Nach den Familienfotos zu urteilen, war mein Vater außerordentlich attraktiv. Seine markanten Gesichtszüge spiegelten seine englischen/schottischen Vorfahren wider. Meine Mutter war eine bildschöne Frau. Sie war groß und schlank, hatte kastanienbraune Haare und volle Lippen. Das Fest hatte gerade begonnen, als Paddy, der Irish Setter, mit einem zu Tode erschrockenen Hasen in der Schnauze über den Rasen trottete. Er war ein ausgebildeter Jagdhund, dessen weiche Schnauze ihm ermöglichte, Beutetiere zu apportieren, ohne ihr Fell mit den Zähnen zu durchbohren oder ihnen die Knochen zu brechen.

Kaum hatten meine Mutter und mein Vater Paddy entdeckt, rannten sie auch schon die Treppenstufen hinunter, um den Hasen zu retten. Mein Vater schlug vor, das zitternde Geschöpf zu einer Steinmauer zu tragen, die den Rasen begrenzte, und auf der anderen Seite, zu der Paddy keinen Zugang hatte, in die Freiheit zu entlassen.

Während der Rettungsaktion sprachen meine Eltern zum ersten Mal miteinander und stellten fest, dass sie sich mochten. Sobald mein Vater das Kaninchen in Sicherheit gebracht hatte, eilte er zu Teddy.

»Miss Bettine Moore ist tabu für dich«, erklärte er.

Die Zwillinge hatten einen Pakt geschlossen. Wenn sich einer der beiden für ein Mädchen interessierte und es als Erster verkündete, sollte sich der andere von ihr fernhalten.

Mein Vater war so hingerissen von meiner Mom, dass er sie bat, nach Beendigung der Party mit ihm ins Kino zu gehen. Sie war einverstanden, und schon im Verlauf der Vorstellung eröffnete er ihr, dass er Arzt werden wollte.

Zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt ihres gemeinsamen Lebens erklärte mein Vater in seiner Biografie A Doctor’s Life: Unique Stories, dass er bereits als Siebenjähriger bei einem Rundgang durch das American Hospital beschlossen hatte, Medizin zu studieren.

Mom war beeindruckt. Sie wollte Krankenschwester werden, aber sie war, wie sie hinzufügte, nicht an einem trivialen Leben interessiert. Sie las mindestens zwei Bücher pro Woche, strebte einen Arbeitsplatz im Ausland an irgendeinem exotischen Ort an und sehnte sich nach Abenteuern wie die Heldinnen der Geschichten, die sie immer wieder las.

Bettine und Billy trafen sich schon am nächsten Nachmittag um fünf wieder, um gemeinsam auszureiten. Es war Liebe auf den ersten Blick. Meine Mutter beklagt noch heute den Verlust des kleinen Holzrings, den Dad ihr schenkte, als sie sechzehn und heimlich verlobt waren.

Als die Japaner am 7. Dezember 1941 Pearl Harbor angriffen, änderten sich die College-Pläne meiner Eltern. Dad eröffnete seinem Vater: »Ich unterbreche mein Studium in Harvard, heirate Bettine und trete in das Army Air Corps ein.« Meine Mutter verließ Rosemary Hall, eine lokale Privatschule, um Dads Frau zu werden, bevor er seinen Dienst in Übersee antrat.

Bill und Bettine, beide achtzehn Jahre alt, wurden am 6. Februar 1943 getraut. Die Zeremonie fand auf Mooreland, dem Anwesen meiner Großeltern, statt; Mom trug ein »langes weißes Kleid aus Seidenrips mit einer netzartigen Marquisette-Passe und einem langen Tüllschleier, der an einer Juliet-Kappe aus Seide befestigt war«, berichtete die Gesellschaftskolumne der Tageszeitung. »Ihr Brautbukett bestand aus Freesien und Gardenien.«

Zu der Zeit, als meine Eltern den Bund fürs Leben schlossen, hatte eine Frau keine andere Wahl, als den Namen ihres Mannes anzunehmen. Genau wie bei meinen Großeltern. Meine Großmutter Moore war eine geborene Hyde, bevor sie Charles Arthur Moore heiratete. Die Wurzeln der Familien Close und Moore reichen weit zurück, doch ich bin überzeugt, dass die Keimzelle der mentalen Erkrankungen, die sich bei mir und meinem Sohn entwickelten, bei den Hydes und Moores, den Vorfahren mütterlicherseits, zu finden ist.

2. KAPITEL

Das Ende des 19. Jahrhunderts galt in Amerika als das Goldene Zeitalter, geprägt von Überfluss, in dem der Grundstein für immense Familienvermögen gelegt wurde und hochherrschaftliche Anwesen entstanden, die sich durchaus mit europäischen Schlössern messen konnten. Mrs. William B. (Caroline) Astor war damals tonangebend in der New Yorker High Society; sie stellte mithilfe eines Vertrauten die sogenannte Four-Hundred-Liste zusammen – ein geheimes Verzeichnis mit den Namen der Familien und Einzelpersonen, die im gesellschaftlichen Leben der Metropole zählten. Wie Mrs. Astor auf diese Zahl kam? Es war die höchstmögliche Anzahl von Gästen, die der Ballsaal der Familie fasste, und nur wer zu ihrem berühmten Sommerball eingeladen wurde, gehörte wirklich dazu.

Mein Großvater Edward Bennett Close, kurz Eddie genannt, stand auf der Liste. Ursprünglich aus der englischen Grafschaft Yorkshire stammend, gehörte die Familie Close zu den Gründern der Stadt Greenwich, die 1640 im US-Bundesstaat Connecticut entstand. Sowohl mein Großvater als auch mein Vater trugen Siegelringe mit dem Familienwappen und dem Wahlspruch Fortis et Fidelis Stark und Treu.

Ende der 1800er-Jahre war Greenwich zu einem Refugium für die gut betuchten Bewohner New Yorks geworden. Die Gebrüder Rockefeller hatten dort imposante Landsitze errichtet, genau wie viele andere, die über das nötige Kleingeld verfügten und den glühend heißen Sommermonaten in der Großstadt zu entkommen suchten. Mein Großvater Eddie lernte seine erste Frau Marjorie bei einer Tanzveranstaltung in Greenwich kennen; er war damals einundzwanzig und sie erst...

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