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Ich singe mein Lied für Donner, Wind und Wolken

Das Leben von Fools Crow

AutorThomas E. Mails
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783105618455
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Fools Crow (1890-1989), einer der letzten großen Häuptlinge der Sioux, erhielt in einer Vision den Auftrag, sein Wissen um die heiligen Traditionen seines Volkes aufzeichnen zu lassen. Sein von Thomas E. Mails niedergeschriebener Bericht ist ein faszinierendes Zeugnis der Weisheit einer »ökologischen Spiritualität«, deren Bedeutung für unser Überleben auf diesem Planeten heute von Indianern wie Nicht-Indianern wiederentdeckt wird. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Thomas E. Mails war ein amerikanischer Ethnologe, Künstler und Schriftsteller, der eine Reihe renommierter Bücher über Kultur und Spiritualität der nordamerikanischen Indianer geschrieben hat, darunter das bekannte ?The Mystic Warriors of the Plains?.

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Leseprobe

2. Die Geschichte der Sioux von 1700 bis 1890


Fools Crow gehörte den Oglala-Sioux an, dem größten und früher mächtigsten und berühmtesten der sieben Stammesgruppen der Teton-Sioux, und bevor wir hören, was er über das Leben in der Reservation erzählt, ist es sicher sinnvoll, kurz die Geschichte seines Volkes zu betrachten, damit man einen Bezugsrahmen für seine Erzählungen hat.

Der Teton-Dialekt, den sein Volk spricht, ist Lakota, bei dem das »l« an Stelle des »d« benutzt wird, auch wenn es keine starre Regel ist. Deshalb bezeichnet er sich auch selbst als Lakota, da ihn seine Sprache von den anderen Stammesgruppen der Sioux abgrenzt, die Dakota oder Nakota als Dialekte sprechen.

Der Ursprung des Volkes der Sioux ist in geheimnisvolles Dunkel gehüllt. Es gab keine schriftliche Überlieferung, und es scheint, als habe der dramatische Wechsel in ihrer Lebensweise, als sie den Osten verließen und sich auf den Great Plains ansiedelten, alle Erinnerungen an das frühere Leben mit einem Schlag ausgelöscht. Höchstwahrscheinlich enthält die Kultur der Plains-Indianer, wie die Welt sie kennt, Reste der frühen Gebräuche, aber heute kann keiner sagen, welche Elemente sehr alt und welche erst später hinzugekommen sind. Auf jeden Fall sind die Sioux erstmals Ende des 16. Jahrhunderts aufgetreten, als sie als Volk in den Mittleren Westen zogen, ins Büffelland.

Bereits um 1900 spekulierten ein paar Anthropologen und Historiker aufgrund linguistischer Merkmale, daß die Sioux früher einmal im Südosten Nordamerikas gelebt haben. In einem Artikel für die Zeitschrift Hampton’s Broadway konstatierte Emerson Hough im Januar 1909 in anschaulicher Sprache:

Die Sioux lebten nicht immer in Dakota, sondern waren früher in South Carolina heimisch, wo die letzten Sioux von den kriegerischen Irokesen erst zu einem Zeitpunkt vollständig vertrieben wurden, als es bereits englische Siedlungen an der Atlantikküste gab. Lange vor der Ankunft des Weißen Mannes überquerte ein großer Teil des Volkes der Sioux die Alleghenies, zog das Tal des New River herunter, wo heute die Chesapeake-Ohio-Bahnlinie verläuft, dann den Big Sandy und den Ohio entlang, und wanderte weiter nach Norden bis in das Waldland von Minnesota, indem sie von der Mündung des Ohio dem Mississippi folgten.

Weit davon entfernt, ein fleischessender Stamm zu sein, der alle Neuankömmlinge in jeder Hinsicht mit Eisenhandschuhen anfaßte, ist die Wahrheit über die Sioux, daß sie keine Jäger waren, sondern ursprünglich Ackerbau betrieben; und daß sie, als sie in das Waldgebiet von Minnesota kamen, von den nicht sehr kampfestüchtigen Chippewas gründlich geschlagen wurden, was sie zwang, westlich nach Dakota auszuweichen.

Dieser Kontinent hat keine allmähliche Umwandlung erlebt, sondern tiefgreifende Veränderungen, und die große Wanderbewegung der Sioux ist nur eine von vielen – eine, die den radikalen Wandel in den Gebräuchen und dem Wesen eines Stammes kennzeichnet.

Leider hat uns Mr. Hough nicht die Quellen enthüllt, die ihn zu seinen Schlußfolgerungen veranlaßt haben, aber heute neigen viele Experten dazu, ihm in den meisten Punkten zu folgen. So sehen sie die Sioux im Jahre 1500 als Bewohner North Carolinas, stimmen überein, daß sie hauptsächlich vom Ackerbau lebten, vermuten, daß sie irgendwann nach 1500 wegzogen, um den kriegerischen Irokesen zu entgehen, sich dann um 1600 am Oberlauf des Mississippi ansiedelten und die beiden Stammesteile Teton und Yankton sich etwa 1680 in South Dakota und Minnesota niederließen.

Die ersten Forscher hatten herausgefunden, daß die Sioux – ähnlich den Cherokee, deren Führer ihrer sieben Clans sich an einem heiligen Feuer trafen – sich selbst als »Die sieben Ratsfeuer« bezeichneten, ein Name, der sich auf die sieben Untergruppen des Volkes bezog – Mdewakanton, Sisseton, Teton, Wahpekute, Wahpeton, Yankton und Yanktonais. Jede dieser Bezeichnungen hatte ihren Ursprung in einer bestimmten Charakteristik, die man ihnen zusprach, oder in der Gegend, in der sie lebten.

Die Mdewakanton, Wahpekute, Wahpeton und Sisseton lebten relativ nah beieinander an einem See, der als Spirit oder Knife bekannt war, weshalb man sie alle »Knife« nannte. Die Franzosen machten daraus »Santee«. Sie sprechen den Dakota-Dialekt, der kein »l« benutzt, und nennen sich selbst Dakota.

Die Yankton und Yanktonais siedelten zwischen den Santee und den Teton und wurden deshalb »das Mittelvolk« genannt. Sie sprechen Nakota-Dialekt, in dem ein »d« anstelle von »l« gesprochen wird.

Der Stamm der Teton, deren Name, Tinta, »Steppenbewohner« bedeutet, war so zahlreich, daß er sich selbst wiederum in sieben Unterstämme gliederte. Diese sind:

  • die Oglala, was bedeutet »Die sich zerstreuen«. Sie waren und sind die größte Untergruppe;

  • die Brule, soll heißen »verbrannte Hüften«, die auch heute noch die nächstgrößte Gruppe sind;

  • die Hunkpapa, übersetzt »die am Eingang des Kreises lagern«;

  • die Minneconjou: »Pflanzen nahe am Wasser«;

  • die Oohenumpa oder Two Kettle: »zwei Kessel auf dem Feuer«;

  • die Sihasapa oder Blackfeet: »schwarze Mokassins oder Füße«,

  • und die Itazipo oder Sans Arc: »ohne Bogen«.

Während sich die Santee in dem Gebiet niederließen, das später als östliches Minnesota bezeichnet wurde, siedelten die Yankton und die Yanktonais im westlichen Grenzland des heutigen Minnesota und dem östlichen South Dakota. Die kampftüchtigeren Tetons begannen ab 1775, sich über South Dakota zu verbreiten, westlich bis zu den Black Hills und im Norden nach North Dakota hinein und nach Süden ins nördliche Nebraska, und als sie über Pferde und Feuerwaffen verfügten, wurden sie zum stärksten und kriegerischsten Volk der Plains-Indianer.

Ihr Eindringen führte unvermeidlich zu Reibereien und kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Stämmen, die in diesem weiten Gebiet bereits lebten. Die Teton kämpften erfolgreich gegen die Crow, Kiowa, Ponca, Omaha, Arikara und Cheyenne, und um 1800 hatten sie alle vertrieben.

Von 1800 bis 1830 hatten die Teton die Oberherrschaft und führten ein angenehmes Leben. Sie ruhten sich aus, jagten, waren gesellig und festigten ihre Macht über das herrliche Land, das sie jetzt auf Dauer als ihr Eigentum betrachteten. Um 1830 dehnten sie ihre Jagdgründe nach Süden bis Wyoming aus, und dort sollte ihr berühmter Häuptling Red Cloud sie zu ihrem größten Triumph über die Armee der Vereinigten Staaten führen.

Die Teton hatten sich zu der Zeit bereits bereitwillig in totale Abhängigkeit von den Büffeln begeben, deren damalige Zahl in den Plains heute auf etwa 30 bis 60 Millionen geschätzt wird. Sie sahen im Büffel ein heiliges Tier, ein einzigartiges Geschenk von Wakan Tanka, denn er war für sie eine wandelnde Verpflegungsstation, von ihm bekamen sie ihre Grundnahrungsmittel und auch die meisten Gegenstände, die sie zum täglichen Leben brauchten.

Die Büffel grasten ein Gebiet nach dem anderen ab, die Herden waren immer in Bewegung. Und die Teton zogen mit ihnen mit. Dieses Muster wurde jeden Sommer im Juli oder August unterbrochen, wenn sich jede Stammesgruppe an einem ausgewählten Ort zu einem großen Lager traf, das mindestens zwei Wochen dauerte. Während dieses Treffens wurde der Sonnentanz abgehalten, die Kriegerbünde reorganisierten sich, die Menschen besuchten einander und unterhielten sich, und die Anführer oder Lagerhäuptlinge setzten sich zusammen, um allgemeine Probleme zu diskutieren und Pläne für die Zukunft zu schmieden.

Zu dieser Planung gehörte die Zuweisung bestimmter Gebiete an die einzelnen Dörfer der Stammesgruppe, in die sie im nächsten Jahr auf der Jagd nach dem Büffel ziehen würden, wenn die Umstände es erlaubten. Oft entschieden die Häuptlinge auch, wo jedes der Dörfer sein Winterlager aufschlagen sollte, damit die einzelnen Gebiete nur so stark bevölkert waren, daß der Holzvorrat auch für alle reichte.

Das große Lager pflegte mit einer gemeinsamen Büffeljagd zu Ende zu gehen. Danach teilte sich die Menschenansammlung wieder in die einzelnen Dorfgemeinschaften auf, die ihrer Wege gingen. Sie würden sich auf ihren Wanderungen hier und da wieder begegnen, aber ansonsten nur durch Boten Verbindung halten. Das Leben jedes Dorfes spielte sich vom Beginn des Frühjahrs bis zum späten Herbst so ab: Man schlug für ein paar Tage ein Lager auf, während die Männer auf die Jagd gingen. Das Fleisch wurde haltbar gemacht, die Häute gegerbt, und dann zog die Dorfgemeinschaft zu einem neuen Lagerplatz. Auf diese Weise war jedes Dorf eine eigenständige soziale und militärische Einheit.

Die Frauen verrichteten alle anstrengenden Arbeiten, die es im Lager gab, und wurden als die »Herren« des Haushaltes angesehen. Wie zu erwarten, trafen sie die letzte Entscheidung über das Heim und die Familienangelegenheiten. Die Männer waren die Jäger und Krieger, sie töteten den Büffel und anderes Wild und taten alles, was sie für notwendig erachteten, um das Dorf und das Land der Sioux zu schützen. Die kleineren Kinder konnten sich im Camp frei bewegen, und die älteren wurden sorgfältig dazu erzogen, verantwortungsbewußte Erwachsene zu werden. Die Menschen waren tief religiös, die Religion stand im Zentrum des Lebens. Nur wenige Dinge wurden getan, ohne Wakan Tanka zu konsultieren, den höchsten und heiligsten Einen, und die Geistmächte, die er zum Wohle der...

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