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E-Book

Ich verlasse dich, weil ich leben will

Frei werden von Schuldgefühlen

AutorSissel Gran
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783451815836
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Das Zerbrechen einer Partnerschaft hat oftmals eine lange Vorgeschichte. Dieses Buch handelt von dem langen Abschied, während dessen die Aufbrechenden jahrelang innere Qualen litten und wo die Entscheidung zu gehen über einen langen Zeitraum immer stärkere Konturen annahm. In diesem Buch erzählen die Aufbrechenden mit ihren eigenen Worten, warum sie gegangen sind. Paare gehen nicht wegen Streitigkeiten oder unterschiedlichen Persönlichkeiten auseinander; sie gehen, weil sie sich einsam, abgewiesen und in der Paarbeziehung verlassen fühlen. Sie gehen, um ihr sterbendes Ich zu retten.

Die Autorin ist Norwegens bekannteste Paartherapeutin. Sie ist Psychologin und lebt in Oslo.

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Leseprobe

1. Die Stimme der Ausbrechenden


2008 bekam ich eine E-Mail von einer Leserin. Sie war geschieden und sie hatte selbst die Initiative zur Trennung ergriffen. Obwohl die Entscheidung, die Ehe zu beenden, ihre eigene gewesen war, hatte sie weiterhin große Probleme. Sie schrieb:

Ich würde mir wünschen, Sie könnten ein Buch schreiben für alle diejenigen, die aus einer Beziehung ausbrechen und denen es schwerfällt, diesen Ausbruch schließlich als richtig anzusehen. In einer solchen Situation fühlt man sich wahnsinnig einsam und unsicher und empfindet enorme Schuldgefühle und Scham. Freunde verschwinden, die Familie distanziert sich und ergreift Partei für den Partner, der »aussortiert« wurde, und man selbst sieht überall nur Familien und Paare, die es geschafft haben. Eine Beziehung zu beenden, hat so viele brutale Seiten, es ist so eine große Verantwortung, die man auf sich nimmt, wenn Kinder betroffen sind. Und wann ist es richtig? Wie fühlt sich das an? Was soll man machen?

Die Fragen, die sie stellte, berühren ein Gebiet, mit dem ich mich schon seit langem beschäftige: Das Zerbrechen von Beziehungen, erzählt mit den Stimmen derer, die gehen. Diesem Thema wird in der Fachliteratur und in der alltagspsychologischen Literatur bisher erstaunlich wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Wir haben sehr viel Fachwissen über Krisenreaktionen nach dem Zusammenbrechen von Beziehungen zusammengetragen, und die Populärkultur schäumt über von Erzählungen über zerbrochene und blutende Herzen von Verlassenen. Was allerdings die Menschen bewegt, die ich im Folgenden als Ausbrechende bezeichnen möchte, darüber haben wir deutlich weniger Erkenntnisse. Wir wissen zu wenig darüber, was zu seiner oder ihrer Entscheidung, die Partnerschaft zu verlassen, geführt hat. So haben wir umfangreiche Beschreibungen darüber, wie es ist, verlassen zu werden, aber sehr wenige Schilderungen davon, wie es ist, den Partner zu verlassen. Allen, sowohl denen, die verlassen werden, als auch denen, die gehen, und ebenso Familien, Freunden und Therapeuten sollte daran gelegen sein, das Bild von der zerbrochenen Partnerschaft zu schärfen. Nicht zuletzt brauchen kleine und große Scheidungskinder eine umfassendere und verständlichere Geschichte darüber, warum Mama oder Papa aufgaben. Sie müssen wissen, dass die Trennung nicht ihr Fehler war und dass der Elternteil, dem die Verantwortung für die Auflösung der Familie zugeschrieben wurde, kein Dämon war, sondern dass die Ursache der gescheiterten Beziehung der Eltern letztendlich darin bestand, dass die Erwachsenen einander unglücklich machten.

Oft höre ich Menschen sagen, dass es so leicht sei für diejenigen, die gehen, und manchmal ist dies sicher wahr. Es gibt Menschen, die frei von Skrupeln aufbrechen und nicht zurückblicken. Dieses Buch handelt nicht von diesen, sondern von gewöhnlichen Menschen, die verlassen, und die ebenfalls ein zerbrochenes Herz haben, deren Schmerz jedoch nicht so akut ist wie bei denen, die verlassen werden. Viele, die gehen, haben diese Entscheidung nach einem langen Prozess der Trauer und des Aufgebens getroffen. Seit langem haben sie den Schmerz gespürt, in gewisser Weise sind sie ausgeblutet, und deshalb sind sie auf den Abschied emotional vorbereitet. Sie haben die Aussicht auf ein anderes Leben vor Augen, manche von ihnen haben bereits einen anderen Partner getroffen, und deshalb können sie in der Stunde des Aufbruchs so entschlossen und hart auftreten. Daraus entspringt die Vorstellung, dass es für sie leicht ist, dass sie gefasst und unberührt sind. Und das steht in deutlichem Kontrast zu dem Partner, der verlassen wird. Wer unfreiwillig und unvorbereitet die Beziehung und den Partner aufgeben muss, leidet sehr unter dem Verlust des anderen, der trotz Schwierigkeiten und Widerständen ein fester Halt im Leben war. Aus diesem Grund brauchen viele Verlassene über einen langen Zeitraum Unterstützung und Hilfe, um in ihrer neuen Situation überleben zu können, und es ist nur natürlich und notwendig, dass ihnen die Sympathie des Umfeldes zuteilwird. Eine Folge ist, dass derjenige, der verlässt, riskiert, im Schatten der Trennung zu landen. Die Trauer und Verlustgefühle des Ausbrechenden können unterschätzt werden und der Betroffene muss damit rechnen, als kalt und unsensibel betrachtet zu werden – von dem, den er verlassen hat, gegebenenfalls auch von den Kindern und von der Umgebung. Es gibt Ausnahmen. Viele kennen jemanden, der aus einer von Alkohol, Drogen, Gewalt oder psychischer Misshandlung geprägten Beziehung ausgebrochen ist. Wir ermuntern Menschen, die sich aus destruktiven Lebenssituationen herauszwängen und sich aus offenbar gefährlichen Beziehungen retten. Hier allerdings geht es um das Ausbrechen aus ganz normalen Beziehungen – wenn es denn überhaupt möglich ist, etwas so Kompliziertes wie eine Paarbeziehung als »normal« zu bezeichnen.

Wie aber kommt es, dass Menschen eine Beziehung verlassen, die vielleicht »normal gut« war? Fremdgehen ist ein Grund, den die meisten nachvollziehen können, diese Art von Untreue gilt seit ewigen Zeiten als eine berechtigte Ursache zum Ausbruch. Was aber ist mit all den Beziehungen, in denen sich der, der verlassen wird, immer so gut es geht bemüht hat? Ist derjenige, der die »unschuldige« Seite verlässt, ein Egoist, einer, dem sein eigenes Glück wichtiger als das aller anderen ist? Ist diese Person ein Psychopath, ohne Mitgefühl für den Schmerz anderer oder gegebenenfalls gemeinsamer Kinder? Oder ist diese Person blind, dumm, verführt oder verleitet von einer Schlange außerhalb des Paradieses? Wer ein Ausbrechender ist, hat das Problem, dass das Umfeld und der oder die Verlassene oftmals sehr harte Worte wählen, um eine scheinbar unverständliche Entscheidung zu verstehen. Der Versuch des Ausbrechenden, die Dinge genauer zu betrachten, wird oftmals als eine ungültige Rechtfertigung einer schlimmen Handlung betrachtet, und deshalb verschließen der oder die Verlassene und seine oder ihre engen Freunde und die Familie die Ohren vor den Erklärungsversuchen des Ausbrechenden. Schuldgefühle und schlechtes Gewissen tragen auch dazu bei, dass sich der Ausbrechende zurückzieht und sich selbst, dem oder der Verlassenen und eventuellen Kindern gegenüber undeutlich wird. Viele haben das Gefühl, dass sie kein Recht haben darum zu bitten, verstanden zu werden – und viele Verlassene werden, um sich selbst vor Schmerzen zu schützen oder im schlimmsten Fall Rache zu nehmen, den Ausbrechenden aktiv daran hindern, sich mitzuteilen. Den, der ausgebrochen ist, abzuwürgen und ihm einen Maulkorb zu verpassen, kann sich für Verlassene zu einer Lebensaufgabe entwickeln. Wenn eine Geschichte auf diese Weise einseitig erzählt wird, ist die Gefahr groß, dass der Aufbruch von allen Seiten falsch verstanden wird – auch vom Ausbrechenden selbst.

Mit diesem Buch möchte ich die große Gruppe derer, die gehen, rehabilitieren. Ich habe viele solcher Menschen getroffen. Sie liebten ihren Partner, sie litten für die Liebe. Sie kämpften für ihre Paarbeziehung. Warum haben sie aufgegeben? Viele, die gegangen sind, können diese Frage auch noch Jahre später nur vage und unklar beantworten. Einige stecken in oberflächlichen Erklärungen für ihren Ausstieg fest: »Wir waren so verschieden.« »Wir haben uns auseinandergelebt.« »Er/Sie war die oder der Falsche.« Mir genügt das nicht. Viele Paare streiten, sind verschieden, haben unterschiedliche Interessen und Leidenschaften, aber sie halten zusammen und haben es gut miteinander. Ich bin überzeugt, dass die Auflösung einer Paarbeziehung nicht auf oberflächliche Symptome wie schlechte Kommunikation, eine unausgeglichene Arbeitsteilung zuhause, unterschiedliche Persönlichkeiten oder zu wenig gemeinsame Zeit zurückzuführen ist. Der Grund für Trennungen ist die Sehnsucht nach Bindung, die nicht erfüllt wird, und der Mangel an Bestätigung und Anerkennung der Person, für die man sich tief in seinem Inneren hält. Wenn wir nicht gehalten werden von dem, den wir lieben, fallen wir. Werden wir nicht gesehen, werden wir ausradiert. Viele trennen sich lieber, als dass sie bei ihrem Partner bleiben und aus Einsamkeit und Sehnsucht zugrunde gehen. Darüber sprechen die Ausbrechenden, wenn ich frage, was der eigentliche Grund für die Entscheidung war, den anderen zu verlassen. Im Vorgriff auf die folgenden Ausführungen lautet meine kompakte Begründung für ihren Aufbruch: Sie taten es, um ihr sterbendes Ich zu retten.

Dieses Buch ist weder eine Strafpredigt an die Verlassenen noch an diejenigen, die gehen, doch es kann als Lektion dafür gelesen werden, wie man die Liebe nicht behandeln sollte. Sehr selten steckt ein bewusster Plan hinter den sich wiederholenden, negativen Verhaltensmustern, die Beziehungen prägen, mit denen es abwärts geht. Menschen verschließen sich nicht vor ihrem Partner, weil sie jemanden bestrafen wollen. Sie tun es, um sich selbst zu schützen, weil sie verwirrt, überwältigt und hilflos sind, und weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, um der Beziehung wieder eine gute Richtung zu geben. Sie warten ab und schauen. Hoffen auf ein Wunder. Wiederholen sich in ihrem Handeln und Tun immer wieder, denn so sind wir nun einmal. Obwohl es über Jahre nicht gewirkt hat, machen wir immer weiter. Der Ausweichende weicht in dem Glauben, dass dies die besten Aussichten auf die Erhaltung der Beziehung bietet, weiterhin aus. Der Protestierende bettelt, schimpft und droht in der Hoffnung, zum anderen vorzudringen. Es ist zum Verzweifeln, dass solche hilflosen Strategien ab und zu...

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