(S. 99-100)
Ich will einen Mann treffen, von dem ich bereits in Sydney erfahren habe. Durch die Zeitung. Ich war sofort begeistert von ihm, er schien mir so außergewöhnlich anders. Jeffrey Lee ist Aborigine und besitzt ein Stück Land, auf dem Uran gefunden wurde. Grob geschätzter Wert des Vorkommens: Fünf Milliarden Australian Dollar, weit über 3 Milliarden Euro. Um den Zusammenhang seiner Geschichte besser zu verstehen, hier ein paar Vorinformationen: In den 60er Jahren fingen die Ureinwohner an, sich gegen die Besitznahme ihrer Heimat juristisch zu wehren. Es kam – auch mit Hilfe weißer Anwälte und der Unterstützung eines Teils der weißen Bevölkerung – zu spektakulären Auseinandersetzungen.
Der berühmte Mabo Case führte 1992 zu einem Urteil des höchsten Gerichts, das den Schwarzen das Recht zustand, ihr Land als ihr Eigentum zu beanspruchen – wenn sie nachweisen können, dass es sich um die Erde ihrer Vorfahren handelt. Spätere Regierungen, vor allem die Konservativen, versuchten das Gesetz auszuhebeln, zumindest auszuhöhlen. Stets getrieben von dem Hintergedanken, die dort verborgenen Bodenschätze zu plündern. Jetzt will man Jeffreys Besitz – er ist der letzte Überlebende »of his people«, des Djok-Clans – ausbeuten. Die 14 000 Tonnen Uran hätten sie gern.
Aber der Mann will nicht. Auf die Milliarden kann er verzichten, er will seiner Arbeit nachgehen und hinterher fischen und jagen, er will »happy« sein. So jemanden muss man einmal in seinem Leben treffen, einen, der sich nicht kaufen lässt. Auch nicht zu einem exorbitanten Preis. Ich versuche, einen Leihwagen zu mieten, will den Besuch an einem Tag erledigen. Doch das geht nicht, alles ausgebucht. Dann eben den Greyhound-Bus. Das bedeutet mehr Aufwand, mehr Zeit, Ungewissheit. Aber wie so oft erweitern Umwege die Ortskenntnis. Der Fahrer ist eine Wiedergutmachung, gibt freundlich Auskunft, leiert keine Vorschriften, hält lässig mittendrin, um die Raucher zu einer kleinen Sünde einzuladen. Die Fahrt geht nach Westen, nach Jabiru, dem Zentrum des Kakadu-Nationalparks.
Hier auf den 19 000 Quadratkilometern lebt der Unkäufliche. Genauere Angaben habe ich nicht. Irgendwo stand noch geschrieben, dass sich jeder Besucher des Parks wappnen solle, denn er laufe Gefahr, beim Anblick des Naturwunders in Ohnmacht zu fallen. Gute Nachrichten, für Schönheit sinke ich gern auf die Knie. Nach drei Stunden kommen wir an, der Ort ist klein, Supermarkt, Post, Verwaltungsgebäude, ein Reisebüro. Ab jetzt bin ich zu Fuß unterwegs, einen Kilometer weiter gibt es in der Kakadu-Lodge noch ein Bett in einem Vier-Mann-Dormitory.
Ich hasse öffentliche Schlafsäle, aber kein Einzelzimmer weit und breit. Den Rucksack dalassen und die nächsten drei Kilometer über verbrannte Erde zum Bawoll Visitor Center eilen. Und dabei versuchen, so wurde nahegelegt, giftigen Schlangen auszuweichen. Ich wandere auf einem schmalen Pfad über ein Land, das gestern ein Brandstifter angezündet haben muss. Allein auf der Welt fühlt man sich, Schweiß strömt und nur das pochende Herz ist zu hören. Und die Lust auf Massenmord, die fühlt man auch. Australische Fliegen sind eine Spezies, die zum Tierhass verpflichtet.