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Individualistische Agenten und kollektivistische Stewards

Eine quantitative Analyse des Zusammenhanges von Individualismus und Kollektivismus mit der extrinsischen und intrinsischen Motivation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

AutorSarah Frauenschuh
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783959935791
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Noch immer findet ein großer Teil der Forschung, die sich mit der Gestaltung und den Auswirkungen von organisationalen Anreizsystemen beschäftigt, streng disziplingebunden und abgeschottet von Forschungsergebnissen aus anderen Feldern statt. Engstirnigkeit und mangelnde interdisziplinäre Kommunikation bremsen den Fortschritt. Die vorliegende Arbeit soll eine Brücke zwischen der ökonomischen Principal-Agent-Theorie und der verhaltenswissenschaftlichen Stewardship-Theorie schlagen, die - trotz der unterschiedlichen Annahmen über das Wesen des Menschen - dasselbe Ziel verfolgen: Motivation zu erzeugen bzw. zu fördern. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der Auftraggeber von eigennützigen Agenten ausgehen und entsprechende Kontrollkosten auf sich nehmen muss oder ob er es mit Stewards zu tun hat, die sich durch Kontrollmaßnahmen eingeschränkt fühlen. Es wird die These aufgestellt, dass Unterschiede in der Ausprägung des Individualismus und des Kollektivismus eine entscheidende Rolle dabei spielen, welche Arbeitnehmer eine Principal-Agent-Beziehung eingehen werden und welche eine Stewardship-Beziehung bevorzugen. Tatsächlich zeigt die Auswertung der Daten von 98 österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erstmals bedeutsame Zusammenhänge zwischen Individualismus, Kollektivismus und extrinsischer sowie intrinsischer Motivation auf. Detaillierte Auswertungen und praktische Implikationen geben Anstöße zur Umsetzung bei der Gestaltung organisationaler Anreizsysteme.

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Leseprobe
Textprobe: 2.2 Die Stewardship-Theorie: 2.2.1 Hinführung: 1991 kritisieren Donaldson und Davis das in der Principal-Agent-Theorie gezeichnete Bild des primär eigennützig handelnden Agenten als zynisch und die Darstellung der Interessenkonflikte als übertrieben. Sie sehen vielmehr Grund zur Annahme, dass sich Untergebene freiwillig für das Wohl der Organisation und der Shareholder engagieren, solange die Koalition zwischen den Akteuren intakt und die eigene Zukunft im Unternehmen gesichert ist (Donaldson & Davis, 1991, S. 60f). Die Stewardship-Theorie soll als alternativer Ansatz die engen Grenzen der Principal-Agent-Theorie überwinden und einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis des Lebens in Organisationen leisten, dessen Komplexität nicht durch die Principal-Agent-Theorie alleine erklärt werden kann (Davis et al., 1997, S. 20). Erkenntnisse aus der Psychologie und der Soziologie liefern Antworten auf Fragen, die in der Principal-Agent-Theorie nicht gestellt oder nur oberflächlich behandelt werden, beispielsweise wieso sich Menschen unbezahlt in Non-Profit-Organisationen engagieren oder die Interessen des Principal über ihre eigenen stellen (Davis et al., 1997, S. 24; Kluvers & Tippett, 2011, S. 275). 2.2.2 Principal und Steward: Das Menschenbild basiert auf dem eines Steward, für den pro-organisationales, kollektivistisches Verhalten einen höheren Stellenwert einnimmt als individualistisches, eigennütziges Verhalten. Der Principal kann davon ausgehen, dass der Steward selbst dann kooperativ handelt, wenn ein Konflikt zwischen den eigenen Interessen und jenen des Principal besteht. Die Bereitschaft zur Kooperation ist durchaus rational: Dem Steward ist daran gelegen, die kollektiven Ziele der Organisation zu erreichen, weil er den Nutzen, den er aus pro-organisationalem Verhalten zieht, als höher empfindet als jenen, den er durch eigennütziges Handeln erfahren würde. Da kein Interessenkonflikt besteht, kann der Principal dem Steward vertrauen und auf teure Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen verzichten. Tatsächlich empfindet der Steward übermäßige Kontrolle als einschränkend, worunter seine natürlich vorhandene Motivation leidet (Davis et al., 1997, S. 24f). Es liegt daher auch im Interesse des Principal, fördernde und befähigende Organisationsstrukturen bereitzustellen, die den Steward bei der Erreichung der gemeinsamen Ziele unterstützen (Donaldson & Davis, 1991, S. 52). Wie in Darstellung 2 abgebildet, beschreiben Davis et al. (1997, S. 27-29) eine Reihe von Dimen¬sionen, auf denen sich der Steward wesentlich vom Agent unterscheidet. Der wohl bedeutendste Unterschied besteht in der Motivation: Extrinsische Anreize, die in der Principal-Agent-Theorie als zentrale Kontrollmechanismen fungieren, spielen für den Steward eine untergeordnete Rolle. Vielmehr stehen intrinsische Anreize wie Selbstverwirklichung und persönliches Wachs¬tum im Mittelpunkt, die der Stärkung der ohnehin vorhandenen Arbeitsmotivation dienen, den Wunsch wecken, Bestleistungen zu erbringen, und die Arbeitszufriedenheit erhöhen. Außerdem nehmen Davis et al. an, dass sich Stewards stärker als Agents mit der Organisation identifizieren und sowohl organisationale Erfolge als auch Misserfolge auf sich selbst beziehen (Davis et al., 1997, S. 27-29). Das hohe Maß an Identifikation lässt die Grenzen zwischen Ego und Organisation verschwimmen und den Selbstwert mit dem Prestige der Organisation ver¬schmelzen (Donaldson & Davis, 1991, S. 51). Auch die für die Principal-Agent-Theorie typische Rollendifferenzierung findet in einer Stewardship-Beziehung nicht statt: Mit dem Wegfall strenger Hierarchien und Kontrollmechanismen werden Principal und Steward gleichgestellt, was im Interesse beider Akteure liegt. Die Organisationskultur ist folglich durch eine geringe Machtdistanz geprägt (Davis et al., 1997, S. 36). Um die Beziehung langfristig aufrechtzuerhalten, setzt die Stewardship-Theorie stark auf die Bereitschaft beider Akteure, kollektive Interessen zu verfolgen und der anderen Seite Vertrauen entgegenzubringen. Damit unterscheidet sich die Rolle des Principal in der Stewardship-Theorie stark von seiner Rolle in der Principal-Agent-Theorie: Es geht nicht darum, den Intentionen des Agent zu misstrauen, sondern auf eine reziproke Beziehung mit dem Steward zu bauen (Van Slyke, 2006, S. 164f).
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