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E-Book

Ins Herz geschrieben

Die Weisheit der Bibel als spiritueller Weg

AutorRichard Rohr
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl334 Seiten
ISBN9783451801266
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Richard Rohr ist eine prophetische Stimme für spirituell suchende Menschen auf der ganzen Welt. Sein Buch über die Bibel ist in gewisser Weise eine Summe seines Lebens. Richard Rohrs herausfordernde Botschaft ist: Die Auslegung der Bibel hätte sich niemals abkoppeln dürfen von der lebendigen spirituellen Suche der Menschen. Rohrs Verbindung von Bibeltext und gegenwärtiger Erfahrung ist nichts weniger als ein Schlüssel, die ganze biblische Botschaft zu verstehen und sie als spirituellen Weg für die Gegenwart zu entdecken.

Richard Rohr, geboren 1943, Franziskanerpater, Gründer des 'Zentrums für Aktion und Kontemplation' in New Mexico/USA, gehört zu den international bekannten und gefragten Vertretern einer zeitgenössischen christlichen Spiritualität. Seine Bücher sind weltweite Erfolge und wurden oft zu Inspirationen für gegenwärtige spirituelle Suchbewegungen. ('Enneagramm', 'Männerspiritualität').

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Leseprobe

Einführung


Die Bibel und unser spiritueller Weg

Wir lehren nicht so, wie man Philosophie lehrt, sondern

auf die Art, wie der Geist lehrt. Wir möchten auf

spirituelle Weise Spirituelles lehren.

1 Korinther 2,13

In deiner Güte lässt du die Blinden über dein Licht

sprechen.

Nikolaus von Kues

Im Jahr 1973 hielt ich eine Vortragsreihe mit dem Titel Die großen Themen der Bibel. Die Tonaufnahmen der Vorträge wurden dann veröffentlicht, ebenso wie ihre Mitschrift als Buch. Die deutsche Übersetzung erschien in mehreren Auflagen, zuletzt 2003 unter dem Titel Das entfesselte Buch. Eine Einführung in die Bibel (Verlag Herder, Freiburg im Breisgau). Fünfundzwanzig Jahre später hat man mich gefragt, was ich denn heute für «die großen Themen der Bibel» halte. Ich habe darauf in einer Reihe von Vorträgen zu antworten versucht. Das vorliegende Buch enthält diese Antwort.

Ich wage es, sie den Leserinnen und Lesern vorzulegen, nicht weil ich ein überaus großes Zutrauen in meine Fähigkeiten zu schreiben hätte. Viel stärker als eine solche Selbsteinschätzung ist mein Vertrauen auf die objektive Präsenz eines «Beistands», «der euch alles lehren wird» (Johannes 14,26) und dessen Wort bereits «in euer Herz geschrieben ist» (vgl. Jeremia 31,33). Ein spiritueller Lehrer hat nur die eine Aufgabe, die Regungen und Bewegungen zu unterstützen, die der Heilige Geist selber herbeiführt.

Die erste dieser Regungen hat Gott bereits bei unserer Erschaffung in uns gelegt (Jeremia 1,5; Jesaja 49,1). Das ist wahrscheinlich der Grund, wenn spirituelle Weisheit nach innen überzeugend und nach außen glaubwürdig ist. Ich habe schon immer am liebsten das Kompliment gehört: «Richard, du hast mir überhaupt nichts wirklich Neues gesagt. Das wusste ich alles schon irgendwie selber. Aber erst seit du es gesagt hast, bin ich mir dessen bewusster geworden und weiß jetzt: Das stimmt.»

Das ist die göttliche Symbiosis, die wechselseitige Wirkung zwischen Gliedern des Leibes Christi; es ist der «Hebammendienst» des Sokrates, der davon überzeugt war, dass er als Lehrer nicht die Erkenntnis in jemandem «erzeuge», sondern bloß wie eine Hebamme dem Kind zur Geburt verhelfe, das bereits in jeder und jedem steckt. In gewisser Hinsicht erfahren wir spirituelles Erkennen immer als ein «Wieder-Erkennen». Sogar im Zweiten Petrusbrief im Neuen Testament steht geschrieben, der Verfasser wolle vor allem seine Leserinnen und Leser «durch Erinnerung aufrütteln», damit sie jederzeit in der Lage seien, sich «an diese Dinge zu erinnern» (siehe 2 Petrus 1,12–15). Aus irgendeinem Grund haben wir das vergessen. Darum nehmen wir Prediger und Lehrer uns oft viel zu wichtig und die Gläubigen vertrauen viel zu sehr auf äußere Autoritäten.

In seinem Bestseller Blink! Die Macht des Moments (2005) hat Malcolm Gladwell für mich recht überzeugend vorgestellt, wie wir nach Sinnmustern und Weisheit suchen sollten. Er nennt das «Die Theorie der dünnen Scheibchen». Es geht darum, eine Situation zu überblicken, alles Unwichtige auszusortieren und sich absolut auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf das «dünne Scheibchen», das zählt. Durch diese Fähigkeit entstehen wesentliche Einsichten oder geniale Einfälle. «Unser Unbewusstes schneidet eine Situation in dünne Scheibchen, und darin hat es eine wahre Meisterschaft entwickelt, sodass diese Methode oft zu besseren Ergebnissen führt als langes Nachdenken und ausführliche Analysen.»

Ich hoffe, das kann auch ich hier tun: «dünne Scheibchen» schneiden, damit Sie sich ganz und gar «auf das Wesentliche» konzentrieren können. Offen gesagt bin ich von einem Großteil dessen, was man alles über die Bibel predigt und lehrt, ziemlich enttäuscht, weil es fast nie bis zu dieser Ebene vorstößt, auf der wir in Berührung kommen mit dem, was uns wirklich trägt. Es bleibt allzu oft in kleinen Geschichten oder in historisch-kritischen Analysen stecken. Das kann durchaus inspirierend sein und sogar gute Theologie. Aber ich habe selten den Eindruck, dass man die Punkte, die man dabei findet, miteinander verbindet und so die großen Linien, um die es geht, zum Vorschein bringt. Darauf aber kommt es für unseren spirituellen Weg an: dass wir diese Punkte verbinden und die großen Linien entdecken. Sonst ergeben sich keine Markierungen und wir erkennen nicht, wie die einzelnen biblischen Texte auf die wesentlichen Linien verweisen, die wir für unseren spirituellen Weg suchen. Wir müssen sehen können, wohin uns die Punkte führen.

Das geschieht viel zu wenig: dass wir die Texte der Bibel in «dünne Scheibchen» schneiden, also in einer Konzentration auf das Wesentliche ihre Ausssage erfassen, sie auf den «Punkt» bringen und dann die Punkte zu den großen Linien verbinden, die den Zusammenhang erkennen lassen. Dieser Mangel, ob aus fehlender Bereitschaft oder aus Unfähigkeit, hat zu einem weit verbreiteten christlichen, jüdischen und islamischen «Fundamentalismus» geführt, der ironischerweise gewöhnlich ausgerechnet für das blind ist, was wirklich fundamental ist. Wer nicht die Richtung und die Antriebskraft kennt, merkt auch nicht, wenn er rückwärts fährt! Am Ende erklärt man dann Nebensächlichkeiten für «fundamental» und stolpert an dem vorbei, was zählt. Ein einzelner Punkt liefert keine spirituelle Weisheit. Mit einem einzelnen Bibelzitat kann man so gut wie alles beweisen.

Durch dieses ganze Buch zieht sich eine Grundannahme: Ich unterstelle, dass der Bibeltext verblüffend gut widerspiegelt, wie unser menschliches Bewusstsein beschaffen ist. Er enthält Abschnitte, in denen die wesentlichen Ideen entfaltet werden und ebenso Abschnitte, die den Zugang zu diesen Ideen regelrecht blockieren. Kühn gesagt: Der Bibeltext selbst enthält Glauben und auch Unglauben.

Unsere spirituelle Suche richtet sich auf das Geheimnis Gottes. Der Weg ins Geheimnis Gottes hinein ist ein Weg in unbekanntes Land, er muss es sein. Ein Großteil der Bibel besteht bloß aus Wiederholungen vertrauter Landschaften; diese muten der Geschichte nichts Neues zu und bescheren der Seele nichts Neues. Doch zugleich bietet die Bibel regelmäßig Durchbrüche, die wir zu Recht «Offenbarungen» des göttlichen Geistes nennen (weil wir mit unserem beschränkten Sinn von uns aus nie darauf gekommen wären).

Wer einmal auf dieser Flugbahn des Geistes Erfahrungen mit dem «unbekannten Land» gesammelt hat, bleibt von da an immer auf Überraschungen gefasst. Diese Haltung ist das, was ich «Glauben» nennen möchte. Mein Buch ist der Versuch, Sie auf diesen Weg mitzunehmen. Das mag am Anfang verunsichernd wirken, neu oder sogar aufregend. Aber wenn Sie konsequent am Text der Bibel bleiben, werden Sie den Mut gewinnen, Ihre eigenen tiefsten Hoffnungen und Intuitionen in ihm zu erkennen. Damit beginnt der spirituelle Tanz: eine Bewegung zwischen der äußeren und der inneren Autorität, zwischen der heiligen Überlieferung und der eigenen inneren Erfahrung. Die Balance dieser Bewegung ist das Thema dieses Buches.

Die meisten Einführungen in die Bibel gehen in der Regel die einzelnen biblischen Bücher der Reihe nach durch und stellen sie vor. Ich will anders ansetzen. Ich möchte zu zeigen versuchen, wie die wesentlichen Einsichten der Heiligen Schrift bereits alle, noch in eingekapselter Form, in den ersten Texten der Hebräischen Bibel stecken. Ausgehend von dieser frühen Ermittlung des Themas spüren wir dann der Entwicklungsgeschichte nach, wie sich die zentralen Einsichten im ganzen Mittelteil der Bibel entfalten. Das führt uns schließlich gegen Ende der Bibel, und zwar besonders im auferstandenen Christus (und in der Theologie des Paulus von ihm) in eine Art Crescendo hinein: Da wird voll und ganz Einer offenbar, dem wir glauben und vertrauen dürfen, ein gewaltloser und durch und durch gnädiger Gott – Gott, der uns einlädt, mit ihm in Liebe eins zu werden.

Das Buch ist also die Einladung zu einer Reise, auf der wir die Bibel als spirituellen Weg entdecken. Wir brauchen den Weg durch die gesamte Bibel, um alle die Charakterzüge von Rache, Strafe und Kleinkariertheit loszuwerden, die wir auf Gott projizieren, weil sie uns in den Knochen stecken. Aber zunächst einmal müssen wir die Aufgabe erledigen, anhand unserer punktuellen Einsichten einen spirituellen Weg zu erkennen. Denken Sie daran: Die Art, wie Sie die Punkte Ihrer Reise miteinander verbinden, wird darüber bestimmen, wo Sie am Ende ankommen. Der Prozess als solcher ist also wichtig; er bestimmt, was dabei herauskommt. Es gibt Bibeltexte, die uns auf unserem spirituellen Weg zwei Schritte zurückzuwerfen scheinen; aber immerhin verstärken sie unser dringendes Bedürfnis, vorwärtszukommen, und sie werden unser Verständnis vertiefen, wenn wir dann tatsächlich weitergekommen sind.

In diesem Buch geht es mir vor allem anderen darum, eine Verbindung herzustellen oder möglichst klar herauszustellen: die Verbindung zwischen den zentralen Einsichten, die die Bibel für mich enthält, und dem Anliegen einer praktischen, lebbaren, menschenfreundlichen Spiritualität für Menschen von heute. Es geht mir um die Weisheit der Bibel als spiritueller Weg für die Gegenwart.

Die großen Linien, die ich ziehe, um die Einsichts-Punkte der Bibel zu einem spirituellen Weg zu verbinden, führen für mich eindeutig in Jesus zusammen, den wir Christen den Christus nennen; aber ich wage zu hoffen, dass auch ein Liebhaber der Hebräischen Bibel einige wertvolle Anregungen finden kann. Ich liebe die Zusammenhänge zwischen der Hebräischen Bibel und dem Neuen Testament, die sich durch die ganze Bibel hindurchziehen, und Jesus sehe ich klar zuallererst als Juden. Er hat auf geniale...

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