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Internet statt UKW: Bringt die Digitalisierung die Radio-Revolution?

AutorFabian Pickel
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl114 Seiten
ISBN9783956845710
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Dem Medium Radio wurden in der Vergangenheit mehrfach die Zukunftsperspektiven abgesprochen. Doch der Hörfunk widerstand der Konkurrenz durch Fernsehen und jegliche Form von Tonträgern bis dato weitestgehend. Nun kommt mit der Digitalisierung und dem Ausbau der Datenautobahnen eine ganze Reihe neuer Konkurrenzangebote auf den Markt: MP3-Player, Internetradios, personalisierte Online-Musikabspielstationen oder mobile WLAN-Radios für Auto, Arbeitsplatz und Haushalt, die Tausende von Internetsendern überall verfügbar machen. Wird das Radio in Deutschland in seiner momentanen Grundstruktur Bestand haben? Oder steht dem kommerziell geprägten Massenradio-Markt eine Revolution bevor, in der Millionen von Hörern die konventionellen Sender vernachlässigen und sich neuen, digitalen Radioangeboten zuwenden? Wie werden die Hörer auf die neue Ubiquität des Internetradios und dessen enorme Programmvielfalt reagieren? Die vorliegende Studie versucht, diese Kernfragen zu beantworten und mögliche Ursachen zu ergründen.

Fabian Pickel, Jahrgang 1980, ist Soziologe (M.A.) und Freier Journalist für Radio, Fernsehen, Print- und Onlinemedien. Sein beruflicher Werdegang begann 2001 mit einem Volontariat bei einem privaten deutschen Fernsehsender, dessen Redaktion er einige Zei

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Technische Innovationen und eine veränderte Mediennutzung: Der Chefredakteur der Nürnberger Zeitung, Wolfgang Riepl stellte bereits im Jahre 1913 bei seiner Betrachtung des Nachrichtenwesens seit der Römerzeit fest, dass ein einmal etabliertes Medium nie ganz in der Bedeutungslosigkeit versinke, sondern nur jeweils modifizierte, spezialisierte Zwecke erfülle: Sein Gesetz besagt, dass 'die einfachsten Mittel und Formen und Methoden, wenn sie nur einmal eingebürgert und brauchbar befunden worden sind, auch von den vollkommensten und höchst entwickelten niemals wieder gänzlich und dauernd verdrängt und außer Kraft gesetzt werden können, sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen.' So ist in der Retrospektive auch nicht zu übersehen, dass technische Neuerungen und strukturelle Veränderungen der Rahmenbedingungen tatsächlich zu einer veränderten Mediennutzung führten. In deren Entwicklung schlägt sich nieder, wie sich die Rezipienten mit ihrem begrenzten, wenn auch im Laufe der Zeit enorm ausgeweiteten Medienzeitbudget in der neuen Konkurrenzsituation entschieden haben. Riepls These indes wird dadurch bestätigt, dass auch Schallplatte, Musikkassette und CD in bestimmten Anwendungsnischen noch immer millionenfach Verwendung finden, mögen sie auch noch so sehr technisch überholt scheinen. Da der Fokus dieser Arbeit auf dem Hörfunk liegt, werden im Folgenden dessen wesentliche mediale Weggefährten und Mitstreiter im Werben um die Aufmerksamkeit des Mediennutzers aufgezeigt - zunächst im Hinblick auf vergangene Entwicklungen, anschließend im Hinblick auf die aktuellen technischen Innovationen, deren Auswirkungen auf die Hörfunknutzung im Zentrum dieser Arbeit stehen und deren grundlegende Kenntnis daher unverzichtbar ist. 3.1, Technische Innovationen der Vergangenheit und ihre Konsequenzen für das Radio: Als wichtigster Einflussfaktor auf die Hörfunknutzung gilt die Einführung des Fernsehens in den 50er-Jahren. Am ersten Oktober 1954 startete die ARD ihr gemeinsames Programm, die Zahl der Fernsehapparate stieg in den folgenden Jahren rasant an: 'Während 1955 nur 100.000 Fernsehteilnehmer registriert waren, wurde im Oktober 1957 bereits die Einmillionengrenze, Ende 1958 die Zweimillionengrenze erreicht, [...] Oktober 1963 acht Millionen.' Dabei übte das neue Medium vor allem auf diejenigen Rezipienten eine große Anziehungskraft aus, die auch das Radio intensiv nutzten, hauptsächliche Gründe waren die Unterhaltung sowie die Teilnahme am Zeitgeschehen beziehungsweise der Reiz des neuen Mediums.94 Zumindest mit den ersten beiden Gründen äußern die Rezipienten damals die gleichen Erwartungen wie an das Radio. Inhaltlich orientierten sich die Programmverantwortlichen des Fernsehens in Anbetracht dieser ähnlichen Erwartungen denn auch anfangs am Programm des Hörfunks. Für die Fernsehzuschauer galt fortan - im wahrsten Sinne des Wortes - ein neue Zeitrechnung: 'Lag vom Radiopublikum werktags fast jeder vierte um 21 Uhr schon im Bett, so war es von der Fernsehteilnehmern eine Minderheit von vier Prozent; um 22 Uhr hatten sich bereits Zweidrittel der Radiohörer zur Ruhe begeben, von den Fernsehteilnehmern waren es 29 Prozent.' Des Weiteren entwickelte sich das Radio vom Einschalt- zum Nebenbeimedium. 'Hatten 1952, also vor der Einführung des Fernsehens, noch 36 Prozent der Hörer ihr Radio eingeschaltet, weil sie sich in einer ausgedruckten Programmvorschau informiert hatten, so waren es 1960 nur noch 18 Prozent. Das Radio war, evtl. unumkehrbar, von einem Primär- zu einem Sekundärmedium geworden.' Die Hörfunksender unternahmen nun ihrerseits einen Versuch, diese Entwicklung weg vom Radio wieder umzukehren: 'So ging man nun daran, den Hörfunk fernsehgerecht zu gestalten: zum Beispiel durch 'Entwortung', Musikberieselung und rasche Schnittfolgen; es entstand der 'Dudelfunk mit hirnlosem Moderatoren- gequassel'. Anders ausgedrückt, gelang es, den Hörfunk mit neuen Programmformen so zu positionieren, dass man die Gunst des Hörers - zumindest am Morgen und tagsüber - zurückgewinnen konnte. Eine wesentliche Rolle bei diesem 'Rettungsmanöver' spielte die Entwicklung der neuartigen und schnell erfolgreichen Servicewellen (siehe Absatz 2.2. dieser Arbeit), mit denen sich das Radio an die neuen Nutzungsgewohnheiten anpasste. In engem Zusammenhang mit dieser Anpassung steht auch die Legalisierung beziehungsweise Realisierung des Dualen Rundfunksystems. Den Anfang bei den landesweiten Privatsendern machten 1986 'Radio Schleswig-Holstein' (RSH), RPR1 und 'Radio Hamburg'. Die Zulassung privatwirtschaftlich organisierter Funkhäuser zog eine kommerzielle Programmausrichtung der Privatsender nach sich, deren Zielgruppenausrichtung in der Ausprägung des Formatradios mündete. Auch die öffentlich-rechtlichen Stationen fügten sich unter dem Einfluss eines öffentlichen Diskurses über die möglichst zweckdienliche Verwendung der Rundfunkgebühren verstärkt dem entstandenen Quotendruck (siehe Absatz 2.3.). Schließlich hatten die kommerziellen Radios den öffentlich-rechtlichen bis 1990/1991 bereits fast ein Viertel ihrer Hörer abgeworben, aus der wirtschaftlich interessanten Gruppe der 14-29-Jährigen sogar 40 Prozent. Technische Grundlage der Einführung des Dualen Rundfunksystems war die Freigabe weiterer UKW-Frequenzen zwischen 100 und 108 Megahertz, deren Effekt auf die Hörfunknutzung in Folge einer Ausweitung der Programmpalette nicht unabhängig von der Realisierung des Dualen Systems bewertet werden kann. Gleiches gilt für die Verkabelung und die Entwicklung der Satellitentechnik, deren Aufkommen z.B. in der Langzeitstudie Massenkommunikation keine signifikanten Effekte auf die Hörfunknutzung nach sich zog. Als Ursachen hierfür lässt sich nur vermuten, dass sich beide Verbreitungswege auf einen stationären Empfang beschränken und dass sich beide Techniken erst nach und nach etablierten, somit also ein plötzlicher Effekt nicht zu erwarten ist. Unter dem Strich ging das Radio aus den geschilderten Konkurrenzkämpfen dank seiner durchlebten Wandlung gestärkt hervor und verzeichnete langfristig insgesamt einen Anstieg der Nutzungsdauer, wie ihn die Studien ausweisen. Die Etablierung des Musikfernsehens, zu deren Konsequenzen der Titel der Arbeit eine Anspielung darstellt, hatte zwar zwischenzeitlich einen Einfluss auf die Verteilung der Werbeetats in Deutschland, konnte jedoch die Hörfunknutzung nicht signifikant beeinflussen. Zwar lassen sich vereinzelt Auswirkungen auf die Programmgestaltung und die Höreransprache im Radio erkennen, die provokante These der Buggles, 'Video killed the radio star', erwies sich jedoch als nicht verifizierbar, zumal weder das Medium Radio zugunsten des Musikfernsehens signifikant an Bedeutung verlor noch der Aufstieg von 'Radio Stars' im Sinne von bekannten Moderatoren-Persönlichkeiten unterblieb. Analoge Tonträger wie das Tonband, die Schallplatte, die Audiokassette oder die digitale Compact Disc (CD) boten neben den soeben beschriebenen massenmedialen Veränderungen die Möglichkeit einer individualisierten Musiknutzung. Auf dem Gebiet der mobilen individuellen Musikunterhaltung leistete der japanische Sony-Konzern 1979 Pionierarbeit mit der Einführung des 'Walkman', einem tragbaren Kassettenspieler, dem wenig später ähnliche Produkte weiterer Hersteller folgten. Er wurde Statussymbol und Sinnbild für eine städtische und individuelle Lebensform. Sein Erfolgsrezept basiert darauf, dass er 'das Bedürfnis nach individuellem 'Vergnügen' in eine neue Dimension' führte, indem er den Genuss selbst zusammengestellter oder gekaufter Musik zu jeder Zeit an jedem Ort ermöglichte. 'Bereits die Aneignung des Walkmans war in verschiedenen kulturellen Kontexten vor allem dadurch gekennzeichnet, dass das Gerät eine private und mobile Nutzung von Musik in öffentlichen Räumen gestattete und so die Grenze von Öffentlichkeit und Privatheit im mobilen Musikkonsum in Frage stellte.' Auch portable CD-Spieler gewannen nach ihrer Einführung rasch Marktanteile. Ihre Nutzer profitierten neben den genannten Vorteilen des Walkmans auch von einer deutlich höheren Klangqualität und vom größeren Bedienkomfort: Nun war es möglich, Titel zu überspringen oder schnell zu durchsuchen sowie Titelreihenfolgen oder Zufallswiedergaben zu programmieren. Wenngleich die unterschiedlichen Tonträger sicher nicht zu unterschätzende soziale Konsequenzen, vor allem in Hinblick auf den Genuss von Musik, nach sich ziehen, ist eine unmittelbare Auswirkung auf die Hörfunknutzung an Statistiken wie z.B. der Langzeitstudie Massenkommunikation nicht ablesbar, mag sie auch noch so plausibel erscheinen. Die Ursache hierfür liegt in einem generell wachsenden Medienzeitbudget begründet, in welchem vor allem zwischen 1995 und 2000 sowohl die zunehmende Nutzung von Tonträgern (CD, LP, MC) als auch eine ansteigende Nutzungsdauer des Hörfunks aufgehen, sodass ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen zumindest anhand der Daten der Langzeitstudie Massenkommunikation nicht nachweisbar ist. Die Wirkung der Summe dieser Innovationen zeigt sich in ihrer deutlichsten Form in der Programmgestaltung des gegenwärtigen Massenradios, sei es öffentlichrechtlich oder privatwirtschaftlich organisiert: Es spricht eine möglichst große Zielgruppe an, um die Produktionskosten durch erzielte Werbeeinnahmen zu refinanzieren und Gewinne zu erwirtschaften beziehungsweise um möglichst viele Gebührenzahler zufriedenzustellen. Es ist in seiner Programmstruktur vornehmlich auf eine Nebenbeinutzung ausgelegt, da die konzentrierte und ungeteilte Aufmerksamkeit des Rezipienten heute eher anderen Medien (siehe die erwähnten konkurrierenden Innovationen) zu Teil wird. So sollen möglichst lange Nutzungsdauern erzielt werden, die sich wiederum in höheren Werbeeinnahmen beziehungsweise einer Bestätigung der Daseinsberechtigung im öffentlichen Diskurs über öffentlich-rechtliche Programme niederschlagen. Minderheiteninteressen werden in öffentlich-rechtlichen Nischenprogrammen bedient oder - falls die Minderheit aufgrund geringer Streuverluste für einen bestimmten Zweig der Werbung treibenden Wirtschaft interessant genug ist - von kommerziellen Spartenkanälen versorgt. Musikalische Vorlieben können aufgrund der Mehrheitsausrichtung nur grob erfüllt werden. Die individuelle Musikauswahl obliegt nach wie vor nicht dem Hörer, sondern einer professionellen Musikredaktion, die mit ihrer Auswahl streng standardisierten Vorgaben zur Musikzusammensetzung folgt, mit der das Programmkonzept und die Zielgruppenausrichtung erfüllt werden soll.
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