Andreas Paeslack / „Dresdens Junge Dinger“ / 2008
AP: Welche Motive haben Dich 1997 nach Dresden verschlagen?
EB: Geld und Ruhm.
Als ich 1987, sechs Jahre nach dem Studium mit 35 Jahren aus dem Nichts heraus zur documenta 8 in Kassel eingeladen wurde, hatte ich über die Zusammenarbeit mit der John Gibson Gallery, New York eine sehr gute wirtschaftliche Basis. Meine Arbeiten wurden z. B. von Sammlern wie Martin Z. Margulies, Hoffmann, Chicago und Charles Saatchi, London und europäischen und amerikanischen Museen erworben. Einzel-ausstellungen, z. B. mit der Neuen Nationalgalerie Berlin, dem Kunst-verein Heidelberg, der Kunsthalle Rotterdam und dem Sprengel Museum Hannover, schlossen sich an.
Über die John Gibson Gallery entstanden Kooperationen mit Galerien in den USA und im europäischen Ausland. In der Folge hatte es sich aber nicht gefügt, mit einer Galerie in Deutschland zusammenarbeiten zu können, die genügend Einfluss und Sammler hatte, um meinen Typ von Arbeiten nachhaltig erfolgreich zu kommunizieren und zu verkaufen. Anfang der 1990er Jahre kam der Wirtschafts-/Kunstmarktcrash da-zwischen. Zum midcareer artist geworden, wurden die finanziellen Perspektiven unsicher. Aus dieser Situation heraus entwickelte sich mein Interesse an einer Professur. Nachdem es in Münster, Kassel und Braun-schweig trotz Erfolg versprechender Dreierlistung nicht geklappt hatte, waren die komplexen Koordinaten, die letztendlich zu einer Berufung führen, in Dresden die richtigen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mit dem Schicksal, nach Dresden verschlagen worden zu sein, sehr glücklich bin. Die Nähe zu Berlin, wo ich von 1975 bis 1981 studierte, viele Freunde habe, ein Teil meiner Verwandtschaft lebt und die Kunstszene so international geworden ist, machte Dresden attraktiv.
AP: Gleich zu Beginn Deiner Lehrtätigkeit hast Du durch Brechung von Konventionen mein Interesse gewonnen. Unter anderem dadurch, dass Du Dich als einziger auf meine Stellenauslobung zur Meisterschülerbetreuung beworben hast. Die Perspektivlosigkeit des institutionellen Apparates war mein Motiv für die Auslobung. Der damalige Lehrkörper zerfleischte sich in Ost-West-Konflikten. Die Aufgabe lautete, von einem Ideologiekonzept in einem anderen anzukommen. Die positiven Momente waren die Auseinandersetzung um Traditionen und die gegenseitige Infragestellung der Lehrkompetenz, die Du mit der Fokussierung auf die Studenten be-antwortet hast. Was sind Deine Erfahrungen elf Jahre später?
EB: In den letzten zehn Jahren hat sich viel verändert und entwickelt an der Hochschule und in der Stadt. Ich habe zu Beginn meiner Hochschulzeit als Lehrender meinen Blick nicht so sehr darauf gerichtet was ist oder war, sondern vielmehr darauf was ich machen kann, was sein oder sich entwickeln sollte. Ich musste mich selbst erst als Lehrender kennen lernen und aus meinen Talenten Angebote an die Studierenden entwickeln. Der von Dir angesprochene Konflikt zwischen Lehrenden aus West und Ost war nie ein politisch/geografischer, sondern vielmehr das Aufeinander-stoßen von gepflegten abstrakt/expressiven Traditionen auf praktizierte zeitgenössische Kunstinhalte und Kunstformen. Ich habe von Anfang an das Ausstellen von Kunst als Teil der Kunstproduktion begriffen und jegliche Art des Zeigens, des Veröffentlichens und das Anwenden differen-zierter Ausstellungsformen und Kooperationen gefördert. Unter Mitwir-kung von etwas später hinzu berufenen Künstlerkollegen, wie z. B. Martin Honert, hat sich eine rege, von der Hochschule unabhängige Kunstszene mit vielerlei Ausstellungs- und Veranstaltungsformaten entwickelt. Was weiterhin in Dresden fehlt, ist eine herausragende städtische Institution und Landesinstitution für zeitgenössische Bildende Kunst – vergleichbar den heutigen Gegebenheiten in Leipzig.
AP: Anfang der 1980er Jahre gründeten sich in Berlin zwei bemerkens-werte Produktionsgemeinschaften, die heute Kunstgeschichtsstatus ge-nießen. „Büro Berlin – Ein Produktionsbegriff“ (Rahmann, Pitz, Kummer, 1980) und „Material und Wirkung – Operieren im urbanen Raum“ (Bosslet, Gutmann, Sattel, Klotz, 1981). Beide Künstlergemeinschaften verweisen mit ihrer Gästeliste (Karl-Heinz Eckert, Folke Hanfeld, Thomas Schultz u.a.) und der Realisierung von Alternativen zum vordefinierten institutionalisierten Kunstsystem aufeinander. Was waren eure Ziel-setzungen und wie bestimmen diese Deine Produktionen?
EB: 1975 begann ich mein Kunststudium an der HdK, heute UdK, Berlin. Damit ich mich aus der Szene Mitte der 1970er Jahre heraus künstlerisch entwickeln konnte, hatte ich keine andere Wahl, als aus einer Nische heraus das Andere zu entwickeln. Für das Spektrum (Sozialistischer Realismus/Neuer Realismus/Berliner Realismus/Kritischer Realismus, an-schließend der Hunger nach Bildern, die Neuen Wilden/Moritz Boys/ Mülheimer Freiheit), das damals das öffentliche Kunstgeschehen in West-Berlin bestimmte, interessierte ich mich nicht. Expressionismus, Szene und Lifestyle waren nicht die Basis meines künstlerischen Interesses. Man könnte sagen: Alles, nur das nicht. Andere Stellen und Orte zu nutzen, mit Formen und Inhalten aktiv zu werden die mit dem weißen Ausstellungs-raum nichts zu tun hatten war von Interesse.
Urbanes, Soziales, Wissenschaftliches, Situatives und unerlaubte Inter-ventionen in den öffentlichen Raum beschäftigten uns. Selbstverständlich wollte man jedoch von den Protagonisten der Kunstvermittlung wahr-genommen werden und betrieb entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Nur so konnten letztendlich Projektförderungen bewirkt und Stipendien er-möglicht werden. Schließlich verstand man sich als Teil des Kunst-geschehens und wollte den Mainstream relativierend das Eigene in den Diskurs einbringen. Die Galerie- und Museumserfolge der Arte Povera zeigten die Perspektive.
AP: Heute bist Du selbst Repräsentant der Institution und vermittelst Dein Wissen im Rahmen einer historistischen Form, das der akademischen Fachklasse. Wie bewältigst Du den Spagat zwischen Mitgliedschaft und dissidierendem Denken? Wie gestaltest Du Deine Kompetenzvermittlung? Gibt es Zukunftsvisionen?
EB: Ich bin nicht nur Repräsentant der Kunsthochschule, ich bin auch Nutzer und Entwickler. Als Genutzter bekomme ich von der Gesellschaft Geld, Animateur, Motivator und Betreuer derjenigen zu sein, die sich persönlich, kulturell und künstlerisch entwickeln wollen. Dabei auch Wissen zu vermitteln, ist ein vielleicht gar nicht so großer Bestandteil. Das Kunststudium ist etwas anderes als das Studium der Naturwissenschaften, wo es vorrangig um das Lernen von bereits Bekanntem geht.
Es kann für den, der sich entscheidet, den Rahmen einer Kunsthochschule als Entwicklungshilfe aufzusuchen, darum gehen, seine Qualitäten heraus-zufinden und diese zu entwickeln. Die von Dir mit negativem Unterton benannte historistische Form, die der akademischen Fachklasse kann das sein, was man daraus macht. Der Rahmen ist groß und flexibel. Für Außenstehende sollte erläutert werden, dass eine Klasse in einer Kunst-hochschule nichts mit dem festen Klassenjahrgangsverband einer Grund-schule zu tun hat. Studenten unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Studienverlaufs (5.-10. Semester) und unterschiedlichen Kenntnisstandes arbeiten, wenn sie wollen, gemeinsam, einzeln oder in kleinsten selbst gewählten Kooperationen zusammen, jeder für sich selbst verantwortlich an eigenen Fragestellungen und Vorhaben, in selbst gewählter Technik, nach selbst bestimmten Tempo, zu selbst bestimmter Tageszeit. Sie lernen voneinander und werden beraten von wem und wann sie wollen. Feste Termine und Leistungsnachweise nach starren Erfüllungsvorgaben sind vergleichsweise gering. Im Detail kann ein Kunststudium immer verbessert werden. In der Struktur entspricht es seit Jahrzehnten dem Ideal des auch für andere Schulformen geforderten vernetzten Lernens. Ich verstehe mich vergleichbar der Situation im Sport als Trainer/Coach.
Meister bieten Gelegenheiten und Anlässe des Vergleichs und der Profi-lierung. Für die, die sehr gut sein wollen, geht es meist darum, den Meister erst einmal zu erreichen, ihn zu überwinden und hinter sich zu lassen. Diese Lernprozesse sind universell und archaisch.
Als Künstler bin ich auch Nutzer der Einrichtungen der Hochschule. Als Künstler bin ich gegen die Hemmnisse des Apparates und gegen Bedenkenträger und verliere nie aus den Augen, dass die Kunsthochschule da ist, Kunst zu ermöglichen und Kunstentwicklungen zu fördern. Die Hochschule und ihre Lehrenden sind Dienstleister gegenüber dem Kunden. Unser Kunde ist der Student. Ohne Spagat kein Dissident! Siehe meine Arbeiten – es braucht immer den Konterpart, eine Relation, Gegebenes und Hinzugefügtes; Absolutes und Autonomes existiert nicht – es ist höchstens denkbar.
AP: Professor an einer Kunstakademie zu sein impliziert die Behauptung, dass Du folgende Fragen beantworten kannst: „Was ist Kunst?“ „Was ist lehrbar an künstlerischer Produktion?“
EB: Genau:
1. Kunst ist ein Gattungsbegriff – der Gattungsbegriff wird stetig neu befragt und in Werken manifestiert/definiert, um ihn erneut in Frage zu stellen und zu definieren etc.
2. Lehrbar an künstlerischer Produktion ist die Handwerklichkeit (Re-cherche/Forschung, Verfahrenstechnik, Materialbeschaffung, Herstellung, Vertrieb, Verkauf, Lagerung, Transport, Marketing, Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit). Alles Andere siehe oben.
3. Was Du nicht gefragt hast: Von dem komplexen Umfeld eines...