III. Wäre es so einfach, dann würden es wohl alle machen ...
Die wirklich guten Projekte sind jene, die aus den unterschiedlichsten Gründen niemand so recht anpacken möchte: „Zu kompliziert, zu schwierig. Das schafft doch niemand! Zu teuer! Zu festgefahren! Funktioniert ohnehin nicht! Falscher Ort! Schlechter Zeitpunkt!" Das sind einige der vielen tausend Gründe, um etwas nicht zu tun.
Dabei sind diese Projekte so interessant, weil sie niemand anpacken will. Der Traum eines hochmotivierten Investors besteht darin, den sogenannten „First Mover“ zu finden, den Unternehmer, Erfinder, Entwickler oder Kreativen, der tatsächlich etwas bewegt, der die Zukunft einer Technologie, einer Methode, einer ganzen Branche oder übergreifend der gesamten Wirtschaft verändern wird.
Aus exakt solchen Ideen, Entdeckungen und Erfindungen, beflügelt durch unternehmerische Persönlichkeiten, die sich wenig darum scherten, was andere denkend, sprechend und schreibend analysieren, entstanden Unternehmen wie Microsoft, Google, Hewlett-Packard, Apple oder Ford, General Motors und McDonalds.
Doch eines ist klar: Keiner der Gründer der genannten Unternehmen -und man könnte hunderte weitere Unternehmen dieser Art nennen - hatte es zu Beginn einfach. Und aus diesem Grund haben wir Microsoft, Google und McDonalds auf dieser Welt. Alle anderen, die sich den Ideen der First Mover angeschlossen haben, diese kopierten oder mit erheblichem Aufwand versuchten, Kopien zu verbessern, stehen hinten an. Sie sind lediglich die Pflücker, die ernten wollen, aber selbst nichts gesät haben.
Die Geschichte fast aller Marktführer - und unter ihnen der Global Player - zeigt, dass gerade noch die Nummer zwei oder die Nummer drei wahrgenommen werden. Danach wird die Luft an den Märkten sehr dünn.
Es entstehen Plagiate und „Me-Too-Unternehmen“ und -Produkte. Und beachtet man den Mut, die Kreativität und insbesondere das Durchhaltevermögen der First Mover, als sie am Anfang standen und ihre Ideen, Konzepte, Entdeckungen oder Erfindungen gegen alle möglichen Zweifler und deren Widerstände durchsetzen, ist der kritische Blick später auf die Nachzügler gerecht.
Der First Mover hat in der Regel einen bestimmten Vorsprung, der nicht mehr oder schwer einzuholen ist: seine Positionierung am Markt. Er ist und bleibt die Nummer eins, was zumindest die Kommunikation der Innovation betrifft, denn er war ja „der Erste“. Er bleibt es in jedem Fall historisch.
Natürlich gibt es Fälle, in denen First Mover irgendwann, z. B. durch noch innovativere Ideen oder Marken, eingeholt werden. Erfolg verpflichtet im Interesse schon allein des eigenen Überlebens wegen zur ständigen Risikobereitschaft. Der Aufwand, besonders der kommunikative Aufwand, ist enorm.
Eine Technologie lässt sich immer irgendwie kopieren oder verbessern. Nicht einmal Coca-Cola kann sich darauf berufen, dass die scheinbar geheimnisvolle Rezeptur anscheinend nicht nachzuahmen sei, seit es Pepsi-Cola gibt. Eine einmal erzielte, in den Köpfen der Menschen besetzte Marktposition hingegen ist sonst nicht kopierbar. Sie muss durch Besseres ersetzt werden können. Das ist ein schwieriges, oftmals unmögliches Unterfangen.
Damit wird klar, dass Investoren, die darauf aus sind, ein Investment zu tätigen, welches sich zumindest mittelfristig am Markt behauptet und profitabel ist, gern auf First Mover setzen. Die Vorteile für den Investor liegen auf der Hand.
Der First-Mover ist in der Regel „billig zu haben“. Einem echten First Mover glaubt man zunächst nicht. Er kann nichts vorweisen, was sich bereits bewährt hat.
Es gibt keine Fünfjahresbilanzen, beeindruckende Gewinn- und Verlustrechnungen oder eine „sexy Liste“ mit wohlklingenden Referenzen. Dies gilt für das Start-up-Unternehmen im Silicon Valley ebenso wie für den Mittelständler in Hamburg, der eine bahnbrechende Innovation finanzieren will, was er aus eigener Kraft nicht schafft.
Objektive Beweise - und dazu zählen aus kaufmännischer Sicht historische Ergebniszahlen und Benchmarks - sind für First Mover schwer zu führen. Gäbe es sie, wären sie keine First Mover. Hier liegt die Crux für den Investor, die berühmte Frage nach dem Sein oder Nichtsein. Doch Weisheit bringt auch geschäftliches Glück.
Handelt es sich bei dem jeweiligen Investment neben weiteren Investitionskriterien tatsächlich um einen First Mover? Gibt es einen Markt für ihn? Oder entsteht ein ganz neuer Markt durch seine Idee(n)? Wie lässt sich das Ganze umsetzen? Und ganz wichtig: Wie viel Zeit und Geduld benötigt die Umsetzung?
Niemand hat einem Christoph Columbus geglaubt. Viele erklärten ihn für verrückt oder hielten ihn für einen Scharlatan. Indien entdecken wollen? Es dauerte einige Jahre, bis er unter Zuhilfenahme eines kommunikativen Tricks das spanische Königshaus davon überzeugen konnte, ihm eine Flotte für seine gigantische, die damalige Welt bewegende Expedition zu finanzieren. Und Amerika bewegt die Welt noch heute.
Den „Big Mac“ gibt es schon. Aber wenn Sie nicht ein zweites Amerika entdecken oder die inzwischen 150. Variante des „Big Macs“ kreieren wollen, sondern eine Idee, ein Konzept, ein Verfahren, eine Strategie oder eine Technologie entwickelt haben, die einmalig ist und idealerweise „vom Ersten bewegt“ wird („First Mover“) und Sie diese finanzieren müssen, wird Ihnen diese Lektüre behilflich sein.
Vergessen Sie besonders in schwierigen Momenten nicht: Wäre alles einfach zu bewegen, gäbe es kaum noch Chancen für das Besondere.
MACHEN SIE SICH AUF WAS GEFASST
Ein Unternehmen aufzubauen, dass zunächst lediglich auf einer Idee oder einem Konzept beruht, ist eine Herausforderung, sowohl geschäftlich, als auch privat. Es geht um Konzeption, Strategie, Taktik, Gründung, Steuerung, Management und Wachstum. Und gerade das Wachstum birgt Risiken in sich, denn es muss kontrolliert und organisiert werden, wozu gerade junge Unternehmen oft einfach zu wenig Zeit haben. Wir werden in diesem Buch viele technische und kaufmännische Aspekte besprechen, die man lernen und relativ einfach umsetzen kann – die „Hard-Facts“. Doch nicht selten sind ganz andere Faktoren erfolgsentscheidend, die weniger wissenschaftlicher oder kaufmännischer Natur sind, sondern die alleine von Ihnen abhängen. Darum möchte ich gleich zu Beginn auf diese „Soft-Facts“ eingehen, die Sie noch lange nach der Gründungsphase zu persönlichen Entscheidungen herausfordern werden. Natürlich sind die folgenden Anmerkungen subjektiv und resultieren aus rein persönlichen Erfahrungen. Werte, Prinzipien, Charakter und Arbeitsweisen sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Darum sollten Sie die folgenden „Soft-Facts“ weniger als Anleitung als mehr als Anregung zum Nachdenken verstehen.
WEN NEHMEN SIE MIT ?
Menschen machen Unternehmen. Um Ideen umzusetzen, benötigt man in fast allen Fällen ein Team, also Menschen, die Sie begleiten und unterstützen. Das Team sollte perfekt sein. Dabei zählen nicht nur fachliche Komponenten der Mitglieder, sondern auch persönliche. Es ist nicht einfach, gute Mitstreiter zu finden, die tatsächlich hinter Ihnen stehen. Insbesondere nach der ersten Kapitalrunde, wenn plötzlich Geld zur Verfügung steht, um endlich alle Träume umzusetzen, beginnt eine kritische und sehr belastende Phase. Sie können jetzt hoch qualifizierte Leute bezahlen, Manager einstellen, Strukturen aufbauen und Marketingkampagnen umsetzen. Die Menschen, die Sie in dieser Phase mit an Bord nehmen, können der Schlüssel sein für Ihren gesamten zukünftigen Erfolg oder Misserfolg. Sie haben nur wenig Zeit, und die Erwartungshaltung der Investoren ist hoch. Darum empfehle ich, so früh wie möglich nach klaren und überprüfbaren Kriterien zu selektieren. Nehmen Sie sich die Zeit und definieren Sie sehr detailliert Ihre Erwartungen an ein Management-Teammitglied und schreiben Sie diese nieder. Besteht das Team bereits, so sollte jeder für sich seinen Input beschreiben. Sie benötigen klare Commitments, keine Versprechungen und Blabla. Prüfen Sie die Resultate alle 60 Tage. Wenn die Ziele nicht erreicht wurden, sollten Sie sich trennen. Sie haben auch keine Zeit, Menschen zu verändern. Wenn Sie Team-Player brauchen, dann müssen diese im Team funktionieren. Wenn sie ein tageslichtscheuendes Genie haben, dass in seiner einsamen Kammer mit seinen Erfindungen die Welt verändert, dann sorgen Sie dafür, dass es immer genügend Kaffee hat. Aber besprechen Sie zuvor ganz klar Ihre Erwartungen.
Ich hatte in meinem IT-Unternehmen, welches ich später an die Börse führte, das große Glück, gleich zu Beginn einige Mitstreiter zu finden, die mich verstanden und über alle Phasen des Unternehmens zu mir standen. Allen voran Klaus Peter Stoll, der mich auch in schwierigsten Zeiten mit seiner Erfahrung unterstützte. Klaus-Peter hatte ein unglaubliches Talent, Menschen einzuschätzen. Im Gegensatz zu mir kannte er die Mechanismen von Großunternehmen, wo es mehr um Karriere, Gehaltserhöhungen und Macht geht, als um den „Spirit“ des Unternehmens. Wo „Manager“ eine Position annehmen und gleich am ersten...