3. Erkenntnisfortschritt durch Untersuchung von Paraphänomenen
3.1 Was nennt die Physik «unmöglich»?
3.1.1 Was heißt: «Das geht nicht»?
Standardthema jeder Diskussion sind Einwände der Art: Vor hundert Jahren hat ja auch niemand gedacht, daß man in 5 Stunden von Berlin nach Teneriffa fliegen könnte – heute geht das. Also sollten Sie nicht mit der Behauptung kommen, extrem verdünnte Medikamente könnten keine Wirkung haben, nur weil das der jetzigen Lehre widerspricht. Auf diesen sehr berechtigten Einwand möchte ich antworten mit der Unterscheidung zwischen verschiedenen Stufen heutiger Aussagen über das, was «nicht geht». Ich denke an eine eigene Erfahrung: Den James-Bond-Film «Goldfinger» von 1964. Er zeigt das Durchschneiden einer massiven Goldplatte mit einem Laser und einen Wagen mit einem Navigationssystem im Cockpit. Das erschien mir damals zwar physikalisch nicht prinzipiell unmöglich, aber doch im Reich der technischen Utopie angesiedelt. Heute ist beides längst Wirklichkeit.
Es geht also darum, Kriterien aufzustellen für das, was heute nur an technischen Voraussetzungen oder am Geld scheitert gegenüber dem, was nach dem heutigen Kenntnisstand prinzipiell unmöglich ist. Beides ist abzugrenzen von den Phänomenen, über die die Physik überhaupt keine Aussage macht.
Ich erläutere diese Unterscheidung an einem Lehrsatz der heutigen Physik: Keine Nachricht kann schneller als mit Lichtgeschwindigkeit übertragen werden (Kernaussage der Relativitätstheorie). Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, daß die genannten vier Kräfte sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten und eine «schnellere» Kraft bisher nicht bekannt ist. Anders ausgedrückt: Es gibt keine Maschine, die eine Nachricht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit übertragen kann.
Betrachten wir hierzu einige Entfernungen in unserem Sonnensystem. Von der Erde zum Mond braucht das Licht etwas mehr als eine Sekunde, zur Sonne acht Minuten. Die Laufzeit bis zum Mars hängt von der Stellung von Erde und Mars auf ihren Bahnen ab – zwischen rund 5 und 20 Minuten. Denken wir an einen Tag, an dem die Lichtlaufzeit zum Mars 15 Minuten betragen möge. Phantasieren wir uns ein wenig in die Zukunft, vielleicht ins Jahr 2200. Dann könnte der Mars schon gut besiedelt sein. Es ist der 3. Oktober, also gibt der deutsche Botschafter, der übrigens aus Thüringen stammt, auf dem Mars einen Empfang.
Allmählich treffen die Gäste ein. Es begegnen sich der französische und der japanische Botschafter; beide stellen fest, daß sie für deutsche Musik schwärmen. Allerdings zeigt sich, daß der französische Botschafter sich für Wagner begeistert, der japanische für Beethoven. Schon beginnt eine angeregte Diskussion über Musik. Schließlich treffen beide den deutschen Botschafter und fragen ihn: «Heute feiern wir den 3. Oktober, was war denn da in der deutschen Geschichte?» Worauf der deutsche Botschafter sagt: «Da war eigentlich gar nichts, aber die Tage, an denen was war, können wir nicht feiern.» Und sofort haben wir eine lebhafte Diskussion über die deutsche Geschichte.
Diese Fragen, ob Ludwig van Beethoven oder Richard Wagner der größere Komponist war oder welcher Tag in Deutschland gefeiert werden sollte, kann ich als Physiker nicht entscheiden, denn die Physik kann sie nicht erklären, weil diese Fragen vom Menschen abhängen. Der Mensch ist auch ein historisch-soziales und ästhetisch-emotionales Wesen. Auch dieser Bereich ist der Physik unzugänglich.
Wir erinnern uns, daß der deutsche Botschafter aus Thüringen stammt, also wird es beim Empfang Thüringer Rostbratwürste geben. Wir beobachten die Empfangsvorbereitungen von der Erde aus und sehen, der Koch bemerkt soeben, daß im Nebenzimmer eine Übertragung vom Fußballspiel Energie Cottbus gegen 1. FC Köln zu sehen ist. Er geht rüber – das Spiel wird immer spannender –, er vergißt die Würste auf dem Rost. Also rufen wir ihm über unsere Antennen zu: Junge, nimm die Würste vom Rost! Aber das, was wir sehen, ist vor 15 Minuten geschehen; unsere Warnung erreicht ihn erst nach weiteren 15 Minuten. 30 Minuten liegen die Würste auf dem Rost, bis ihr Rauch oder die Halbzeit des Fußballspiels den Koch wieder in die Küche treiben.
Also sagt jeder, dem der Empfang der deutschen Botschaft am Herzen liegt: Dann müßt Ihr eben einen Mechanismus erfinden, mit dem Ihr die Warnung schneller als mit Lichtgeschwindigkeit rüberbringt. Dazu behauptet die heutige Lehrbuchphysik: Das geht nicht, das wird niemandem gelingen, wieviel Intelligenz und Geldmittel er auch aufwendet, und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern: Die Lichtgeschwindigkeit wird von niemandem überschritten werden. Und die Erfahrung der Physikgeschichte fügt hinzu: Sollte es doch jemandem gelingen, erhält er den Nobelpreis.
3.1.2 Zusammenfassung der Aussagen und Nicht-Aussagen
Dieses Bratwurstbeispiel zeigt alle Argumente bzw. die Unterscheidung zwischen dem, worüber die Physik etwas sagt und dem, worüber sie nichts sagen kann:
Eine Marsbesiedlung ist aus heutiger Sicht prinzipiell möglich. Die Frage, mit welchen technischen und finanziellen Mitteln man auf den Mars kommen kann, welchen Sinn das für wen hat, wird von der Physik nicht beantwortet, denn all dies gehört zur historischsozialen Seite des Menschen, und das gleiche gilt für das ästhetischemotionale Umfeld. Zugleich gilt aber auch, daß die Physik nicht durch Erfahrungen aus dem ästhetisch-emotionalen oder historischsozialen Umfeld des Menschen widerlegt werden kann.
Im Gegensatz dazu hat die Aussage der Physik, es sei unmöglich, eine Signalübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit durchzuführen, nichts mit den Eigenschaften von Menschen zu tun. Daher lautet hier die Aussage der Physik: «Es geht nie», es wird keinem Menschen gelingen, auch in Zukunft nicht! Und weil dies eine Aussage der Physik ist, kann sie auch nur «an der Erfahrung scheitern». Sollte irgend jemand in Zukunft die «Rettung der Bratwurst», also die Signalübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit gelingen, dann wäre damit die Unzulänglichkeit der Physik erwiesen und sie müßte auf eine heute noch nicht bekannte Weise ergänzt oder umgestaltet werden.
Mein eher gemütvolles Beispiel von der «Rettung der Bratwurst» sollte nicht darüber hinweg täuschen, daß es hier um sehr viel mehr geht: Nach aller Erfahrung wird jede physikalische Entdeckung oder Entwicklung auch militärisch genutzt. Die Seite, die ihre Truppen auf dem Mars mit Überlichtgeschwindigkeit informieren kann, ist der anderen, die die heutige Technik verwendet, überlegen. Der Über-Einstein, der eine Methode der Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit erfindet, erlangt also nicht nur den wissenschaftlichen Ruhm des Nobelpreises und (wenn er sie gut patentiert hat) auch sehr viel Geld, sondern auch noch das patriotische Verdienst, den eigenen Truppen zum Siege verhelfen zu haben. Diese Überlegung verdeutlicht den Druck, der hinter der Suche nach der Überlichtgeschwindigkeit steht. Bisher ist es noch niemandem gelungen.
3.1.3 Genanalyse und Hochpotenz-Homöopathie
Eine ähnliche Unmöglichkeitsaussage ergibt sich aus der Atomlehre. Heute ist es möglich, eine Genanalyse von Kaspar Hauser (1812–1833) zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse aus den Blutflecken in seiner Kleidung durchzuführen.[1] Das wäre ver fünfzig Jahren noch als unmöglich bezeichnet werden. Warum hindert mich das nicht, die Wirksamkeit von Hochpotenzen wie D30 für unmöglich zu halten? Weil die Atomlehre gegen D30 spricht, nicht gegen die Genanalyse. Die Genanalyse untersucht Atome und Moleküle, liegt also innerhalb der Avogadro-Grenze; die Hochpotenz-Homöopathika liegen jenseits dieser Grenze.
3.2 Existenz und Erklärung eines Phänomens
Grundlegend für diese Argumentation ist meine Unterscheidung zwischen der Existenz eines Phänomens und seiner Erklärung durch einen Mechanismus. Ich erläutere diesen Unterschied an einigen Beispielen:
Dieses Buch spricht auch von Paraphänomenen. Was ist ein Paraphänomen? Eine naheliegende Antwort wäre: Es handelt sich um ein Phänomen, das wir nicht erklären können. Untersuchen wir also genauer, was wir meinen, wenn wir «erklären» sagen. Wir «erklären» eine Uhr anhand des Pendels, der Zahnräder und der Zeiger. Auch andere Geräte oder Mechanismen können wir auf diese Weise erklären, den Hausschlüssel, einen Nußknacker, ein Fahrrad usw.
Betrachten wir aber unsere Umgebung genauer, so kommen wir mit diesem Verfahren sehr schnell an ein Ende. Wie erklären wir, daß wir sehen, essen, schmecken, ein Buch lesen und diskutieren können? Ein «Erklären des Mechanismus» nach allgemeinem Verständnis – wie bei der Uhr – ist hier nicht möglich, und selbst hochspezialisierte Wissenschaftler verstehen diese Vorgänge nur zum Teil. Von einer Erklärungsmöglichkeit der Vorgänge, die sich im Gehirn beim Lesen eines Buches vollziehen, sind wir noch sehr...