Vorwort
von Gail Sheehy
Als ich Harry und Chris, die Autoren dieses tollen Buchs, kennenlernte, wollte ich sie beeindrucken, indem ich so ganz nebenbei einfließen ließ, dass ich bald eine fünftägige Radtour durch Maine machen würde. Chris klatschte mich sofort mit erhobener Hand ab: »Klasse!« Er fährt selbst leidenschaftlich gerne Rad. Im Winter trainiert er fleißig und tourt täglich durch die Berkshire Mountains, sodass er und seine Frau megafit sind, wenn sie im Sommer nach Europa fliegen, um dort die Übungsroute von Lance Armstrong zu fahren.
»Wie kann ich mich denn am besten vorbereiten?«, wollte ich wissen.
»Wie viel Zeit hast du denn?«
»Ich habe gerade mein Buch zu Ende geschrieben. In drei Tagen geht’s los.«
Seine sonnenverbrannte Stirn legte sich in tiefe Falten. »Na ja, dann musst du dich halt dieses Mal durchkämpfen. Beim nächsten Mal macht’s dann richtig Spaß!«
Das Summer Feet Cycling ist keine große Angelegenheit. Mich eingerechnet waren wir zu dritt: Chris Hedges, Kriegskorrespondent und ebenfalls Autor, seine junge und sehr hochgewachsene Frau Kim und ich. Unsere beiden Guides hießen Norman und Rae, zwei Muskelpakete aus Maine. Mein erster Gedanke war: »Das sind alles steigungserfahrene Uphiller. Entweder finde ich den Schleichweg zur Küste runter, oder ich steige einfach ab, wenn ich nicht mehr kann, und rufe ganz laut: ›Taxi!‹«
Glücklicherweise stellte sich heraus, dass Christopher und Kim Bücher fast noch mehr lieben als Radfahren. Und so machten wir aus unserem Radtrip eine »Proust-Lektüre auf Pedalen«. Wir radelten etwa 20 Meilen pro Tag durch die Waldgebiete des Acadia National Park und glitten an der zerklüfteten Küste von Schoodic Island vorbei. Zwischendrin gab es ausgiebige Pausen, in denen wir über unsere Lieblingsautoren diskutierten. Als ich wieder zu Hause war, tat mir nichts, aber auch gar nichts weh.
Und da ich mich fit wie ein echtes Biker-Chick fühlte, dachte ich: »Super, dann mache ich doch gleich mal das Aerobic-Bootcamp in der Nähe.« Nach dem ersten Tag konnte ich das Knie nicht mehr abbiegen, und die Hüfte machte seltsame Geräusche. Bei jedem Atemzug fühlte es sich an, als würde mir jemand einen spitzen Hühnerknochen in die Seite stechen. Also brach ich das Camp ab und zog mich schmollend in mein Schlafzimmer zurück, um Harrys und Chris’ Buch noch mal zu lesen.
»Wir möchten Ihnen dringend nahelegen, nicht schrittweise anzufangen«, stand da. »Springen Sie lieber kopfüber ins kalte Wasser: Machen Sie Sportferien, also Urlaub, in dem sich alles um sportliche Betätigung dreht.« Sie schlugen eine Radtour durch Neuengland vor. Okay, das habe ich gemacht. Und jetzt? »Brechen Sie mit der Vergangenheit und schließen Sie mit sich selbst einen Pakt, was die Zukunft angeht. Auf geht’s! Auf Sie wartet noch Ihr ganzes restliches Leben!« Aha, darum ging es also: »Das ganze restliche Leben!« Die ersten Tage, in denen die Muskeln schmerzen, sind nicht der entscheidende Punkt, denn es wird besser und leichter werden.
Ich las das Manuskript des vorliegenden Buchs, während ich selbst gerade ein Buch zu Ende brachte. Jedes Jahr jünger – das passte gut zum Thema meines eigenen Buchs: Sex und Frauen über 50, in dem ich mich fragte, wie Frauen über 50 daten, leben, lieben und neue Träume entwickeln. Es ist ein Buch für die Babyboomer-Babes, die – verheiratet oder nicht – sich den stereotypen Rollenmodellen für Frauen mittleren Alters verweigern. Frauen von Mitte 40 bis weit über 60 stehen heute auf dem Gipfelpunkt ihres Lebens. Sie erzählen mir immer wieder, dass sie glücklicher und produktiver sind als je zuvor. Meine Bekannten zwischen 70 und 90 sind meist aufgeschlossener als ihre Altersgenossinnen, und manche sind echte Verführerinnen geblieben, für Männer wie Frauen gleichermaßen anziehend.
Eine reife Frau weiß einfach, was ihr im Bett guttut. Harry und Chris meinen, dass regelmäßige sportliche Betätigung die Grundlage für einen positiven Cocktail im Gehirn schafft, der wiederum dazu führt, dass wir mehr Fett verbrennen, ein besseres Immunsystem haben, besser schlafen und mehr Sex wollen. Ist das nicht das beste Rezept gegen die trüben Stimmungen der Menopause?
Vermutlich fragen Sie sich jetzt: Was wissen denn zwei Kerle über die Menopause? Als Autorin von Wechseljahre – na und? habe ich mir dieselbe Frage gestellt.
Chris Cowley ist ein ganzer Kerl, dessen Gesicht zeigt, dass er die schönen Seiten des Lebens zu schätzen weiß. Er ist sozusagen ein Reha-Fall, sieht aber jetzt, mit 70, deutlich jünger aus als damals, als er seine Anwaltskanzlei an der Wall Street aufgab und sich fragte, was und wer er eigentlich war, wenn er nicht Anzug und Krawatte trug. Daraufhin setzte er erst mal so richtig Speck an, dann aber trat er auf die Bremse und begann, etwas für sich zu tun. Heute sieht er aus wie coole 50.
Dr. Harry Lodge ist erst 47 und sieht nach wie vor aus wie ein Musterschüler. Er ist Arzt, Lehrer und Wissenschaftler. Seine Botschaft lautet im Wesentlichen: Mit 50 beginnt der Verfall. Ja, Sie lesen richtig: Verfall! Wenn wir unserem Körper nicht die richtigen Botschaften schicken, indem wir uns mindestens sechs Mal die Woche ausgiebig bewegen (ja, Sie lesen richtig: sechs Mal!), dann geht es mit uns nach dem 50. Geburtstag stetig bergab (und zwar nicht downhill). Nur körperliche Bewegung bringt unsere Zellen dazu, sich ständig selbst zu reparieren und zu erneuern. Nur sie setzt die chemischen Stoffe frei, die in unserem Gehirn positive Gefühle auslösen. Sie mögen das vielleicht nicht gerne hören, aber im Grunde wissen Sie, dass es stimmt. Und manchen kann man es gar nicht oft genug sagen.
Liebe Leute, ihr wisst schon, wer gemeint ist.
Doktor Harry liefert knallharte Daten und eingängige Schilderungen, die die beiden wesentlichen Erkenntnisse dieses Buchs stützen: Die diversen Alterungsprozesse, die unser Körper nach dem 50. Geburtstag durchläuft, gehen zu 70 Prozent auf unseren Lebensstil zurück. Die Hälfte der Krankheiten und Gebrechen, auf die wir uns angeblich nach dem 50. Lebensjahr einstellen müssen, könnten vermieden werden, wenn wir lernten, jünger zu leben.
Frauen haben nach der Menopause noch ein langes, langes Leben vor sich. Für mich sind dies die zweiten »Erwachsenenjahre«. Harry und Chris nennen es »das nächste Drittel Ihres Lebens«. Sie gehen davon aus, dass Sie nach der Menopause noch gut 30 Jahre erwarten können, und diese Jahre können die besten Ihres Lebens sein! Meine Meinung dazu?
Warum nur 30?
In Amerika ist die Generation 100 plus die Bevölkerungsgruppe, welche die meisten Zuwächse verzeichnet. Und sie wird weiter anwachsen. Jetzt kommen all die Babyboomer, die das Glück hatten, über mehr Bildung und Einkommen zu verfügen als alle Generationen vor ihnen. Darüber hinaus wissen sie genau, was wirklich gesund ist. Und sie haben Zugang zur neuesten Medizintechnik. Die MacArthur Foundation, die sich auch mit der alternden Gesellschaft befasst, prognostiziert, dass von 70 Millionen Babyboomern, die zwischen 1946 und 1964 zur Welt kamen, etwa drei Millionen älter als 100 Jahre werden.
Wollen Sie dazugehören?
Das ist möglich, wenn Sie das »Haus«, in dem Sie leben, ehren: Ihren Körper. Wie eine 85-jährige Marathonläuferin mir einmal sagte: »Wir sind wie die Schnecken, wir tragen unser Haus mit uns.« Unser Körper verfügt über bemerkenswerte Fähigkeiten, sich selbst reparieren und erneuern zu können. Wir müssen es nur zulassen, statt diese Fähigkeiten verkümmern zu lassen. Wenn wir uns auf die Grundlagen eines guten Lebens konzentrieren – auf Familie, Freunde und Freude –, wenn wir uns einen regen Geist bewahren, indem wir ihn ständig mit neuen Herausforderungen füttern, dann kann heute niemand mit Sicherheit sagen, wie lange diese Generation von Frauen über 50 tatsächlich leben wird.
Mein Beruf ist eigentlich nicht sonderlich ideal, wenn es ums Fitbleiben geht. Schriftsteller sitzen den ganzen Tag über ihre Tastatur gebeugt, stundenlang mit platt gedrücktem Hintern, die Eingeweide aufgerollt wie ein Gartenschlauch. Die Lungen füllen sich nur selten ganz. Die meisten Menschen sitzen heute zu lange vor dem Computer, ob in der Arbeit oder zu Hause. Natürlich versprechen wir unseren Physiotherapeuten immer, dass wir zwischendrin aufstehen und ein paar Dehnübungen machen, aber mal ehrlich, wer tut das schon?
Ich habe in meinen 50ern eine gute Gewohnheit entwickelt: Jedes Mal, wenn ich ein Buch zu Ende geschrieben hatte, was so alle zwei bis drei Jahre der Fall war, gönnte ich mir eine Woche Aktiv-Urlaub. Als ich jedoch an einem Buch über die Familien der Opfer des 11. September (Middletown, America) arbeitete, ließ ich diesen Urlaub ausfallen. Das war ein großer Fehler. Ich hätte den Verjüngungseffekt wirklich gebraucht, sowohl geistig als auch körperlich. Das geht uns allen so, wenn wir eine emotional kräftezehrende Zeit hinter uns haben. Und so wurde alles schlimmer. Ich ließ mich von einer Kraniosakraltherapeutin behandeln. Dabei legt die Therapeutin die Hände auf und spürt der Energie und dem Rhythmus Ihrer Körperflüssigkeiten nach. Nach der ersten Behandlung sah sie mich grimmig an:
»Haben Sie vor Kurzem ein Trauma erlitten?«
»Nein.« (Ich kam gar nicht auf die Idee, dass ich mich mit lauter traumatischen Schicksalen beschäftigt hatte.)
Sie sagte mir, dass die...