unsere
GESCHICHTE
pferde
MÄDCHEN
Tierliebe liegt bei uns in der Familie. Wir haben zwei Hunde, und meine Mama ist früher selbst geritten. Pferde faszinieren sie immer noch. Bestimmt haben meine Schwestern und ich das Pferdevirus von ihr geerbt. Schon als kleines Mädchen fühle ich mich zu den Vierbeinern hingezogen. Besonders schön finde ich − Friesen. Ich liebe ihr tiefschwarzes Fell, ihre lange Mähne und ihre stolze Erscheinung. Über meinem Bett hängt ein riesiges Poster von einem Friesenhengst, der auf einem Hof in der Nähe steht. Jeden Abend betrachte ich sein Bild vor dem Einschlafen.
Als ich acht Jahre alt bin, darf ich das erste Mal auf einem Pferderücken sitzen. Meine Mutter fährt mit meiner älteren Schwester Fabienne und mir auf einen Ponyhof, wo wir ein paar Runden herumgeführt werden. Das fühlt sich gut an, aber noch nicht so richtig spannend. Umso spannender wird unser nächster Reitausflug: Als blutige Anfänger reiten wir auf Großpferden direkt ins Gelände, wackelige Trabstrecken inklusive. Wir sind begeistert, meine Mutter weniger. Deshalb ist das unser erster und letzter Besuch auf diesem Reiterhof.
Aber wir haben Feuer gefangen, das erhebende Gefühl auf dem Pferderücken wollen wir von nun an öfter erleben. Reitstunden sind unser nächstes Ziel. Zum Glück hat meine Mutter dafür Verständnis. Einmal in der Woche dürfen wir Reitunterricht auf Schulpferden nehmen und sind die glücklichsten Mädchen der Welt.
Wenn ich im Stall bei Mambo bin, ist unser Hund Collin auch manchmal mit dabei. Hier spielen wir gemeinsam auf dem Paddock. (Foto: privat)
Der Hof, auf dem wir reiten lernen, ist übrigens derselbe, auf dem Mambo heute steht.
Wir fangen an, wie unzählige andere Reitschüler auch: Longenstunden auf geduldigen Ponys, danach Gruppenunterricht. Die Ponys werden zugeteilt, und man hat mal mehr, mal weniger Glück mit seinem Los. So manches Mal kollidieren meine Pferdemädchen-Träume unsanft mit der Realität: Wenn ich runterfalle, dann richtig.
Einmal geht eins der Ponys, Lars, an der Longe durch, die Reitlehrerin muss loslassen. Wie sich später herausstellt, hat er sich an der Zunge verletzt und große Schmerzen. Anstatt mich am Sattel festzuhalten, klammere ich mich an die Zügel. Eine dumme Idee. In der Kurve katapultiert es mich runter und ich lande so unsanft auf einem Holzzaun, dass die Balken durchbrechen!
Mein Steißbein ist ordentlich geprellt. Ein anderes Mal mache ich bei einem Sturz vom Pferd einen Köpper senkrecht in den Boden, dass der Helm zerplatzt. Auch in eigentlich harmlosen Situationen habe ich manchmal richtig Pech. Einmal führe ich einen Friesen aus dem Stall. Weil er so langsam ist, drehe ich mich kurz zu ihm um und schnalze. In dem Moment erschrickt er sich, springt vor und trifft mich mit seinem Kopf so unglücklich im Gesicht, dass ich umfalle. Drei Zähne stehen mir waagerecht aus dem Mund und müssen wieder festgenäht werden.
Hier bin ich mit einer meiner ersten Pferdebekanntschaften zu sehen. Die Begeisterung für die großen Vierbeiner hatte ich wohl damals schon. (Foto: privat)
Vielleicht bin ich deshalb keine besonders mutige Reiterin? Springstunden gehe ich lieber aus dem Weg und Ausritte sind mir unheimlich. Ich fürchte, dass das Pferd abhauen könnte, so ganz ohne Zaun oder Bande drumherum.
Nach einem knappen Jahr Reitunterricht fragen wir alle möglichen Leute bei uns im Stall, ob wir uns um ihr Pferd kümmern dürfen. Ein „eigenes“ Pflegepferd statt wöchentlich wechselnde Schulponys – das stellen wir uns schön vor.
Meine erste Eroberung ist eine ältere Ponydame namens Lady. Sie ist eine ganz Liebe. Nur einmal kriegt sie in der Reitstunde aus unerfindlichen Gründen plötzlich einen Rappel: Sie reißt den Kopf hoch, schlägt mir damit die Nase blutig und buckelt mich anschließend runter.
Auf einem Spaziergang. Vorne bin ich zu sehen, hinter mir ist Michelle. (Foto: privat)
Ob sie etwas gestochen hat? Durch sie komme ich auch das erste Mal in Kontakt mit Krankheiten, denn Lady hat chronische Hufrehe. Das ist eine sehr schmerzhafte Entzündung im Huf, bei der das Hufbein im Huf immer weiter nach unten wandert. Die Ursache für Hufrehe kann zu viel oder falsches Futter sein, deshalb darf Lady auch nicht mehr auf die Weide. Kühlung lindert ihre Schmerzen, und so spazieren wir mit ihr jeden Tag zu einem Bach und stellen sie manchmal eine halbe Stunde lang ins kalte Wasser. Trotzdem bekommt sie weitere Reheschübe und irgendwann muss Lady eingeschläfert werden. Mein erster Abschied von einem Pferd. Ich bin sehr traurig, aber wenigstens wird Lady vorher eine letzte große Freude gemacht: Sie darf noch einmal nach Herzenslust auf die Weide und sich den Bauch vollschlagen.
Mein ehemaliges Pflegepferd Donata wurde an sehr nette Leute verkauft und steht heute noch bei uns im Stall. (Foto: privat)
Donata reite ich ab und an sogar noch. Das ist toll, weil sie sehr groß und sehr angenehm zu reiten ist. Zickig ist sie mit anderen Stuten. Deswegen muss sie ein rotes Schleifchen auf Turnieren tragen. (Foto: privat)
Mit meinen nächsten Pflegepferden habe ich nicht viel mehr Glück. Donata, eine riesengroße Hannoveranerstute, wird bald verkauft, nachdem sie mein Pflegepferd geworden ist. Robin, einen alten Herren von 29 Jahren, pflege ich sogar nur wenige Wochen, dann bricht er sich beim Aufstehen in der Box das Becken. In Sancho, einen hübschen Schecken, bin ich eine Zeitlang ganz vernarrt. Neben ihm habe ich sogar noch ein zweites Pflegepferd, das Warmblut Mephisto. Er ist ein älteres Dressurpferd und als solches sehr brav und schön zu reiten. Nur Hänger fahren mag er nicht mehr, deshalb kommt mit ihm kein Turnierstart infrage. Zur Zeit bin ich mit meinem Reiterleben sehr zufrieden.
liebe
AUF DEN
ZWEITEN BLICK
Irgendwann 2009 erzählt meine Mutter abends von einer jungen Frau, Katrin, die sie in der Rettungshundestaffel kennengelernt hat. Diese Katrin besitzt neben ihrem Hund auch einen jungen Friesenhengst – Mambo. Meine Mutter will ihn sich mal ansehen, schließlich liebt sie Pferde nach wie vor. Nachdem Fabienne ein Bild von Mambo gesehen hat, will sie sofort mitkommen. Die beiden verabreden mit Katrin, dass sie einmal zum Reiten vorbeikommen dürfen. Tja, und was mache ich? Ich bleibe zu Hause. Irgendwie habe ich keine Zeit und auch keine große Lust auf diesen Ausflug. Friesen sind damals nicht mehr so mein Fall, ich stehe jetzt auf sportliche Warmblüter wie zum Beispiel Mephisto. Und mit Pflegepferden bin ich voll ausgelastet. Mama und Fabienne kommen total begeistert von dem Besuch bei Katrin zurück. Sie schwärmen von Mambo in den höchsten Tönen. Er sei so lieb und so gut erzogen und überhaupt. „Er trabt fantastisch, und sein Galopp ist der Hammer“, erzählt Fabienne mit einem glücklichen Grinsen im Gesicht. Ich gucke mir die Fotos an, die sie gemacht haben, und muss zugeben, dass Mambo echt hübsch ist. Aber wirklich interessieren tut er mich nicht, und so fahre ich auch das nächste Mal nicht mit, als Fabienne auf Mambo sogar springen darf.
Mambo mit seiner Vorbesitzerin Katrin. Von ihr hat er seine Grundausbildung. Davon profitiere ich heute noch. (Foto: privat)
Jennys Mama
Ich weiß noch genau, wie es war, als ich Mambo das erste Mal gesehen habe. Er wartete aufmerksam und stolz auf der Koppel, und als Katrin ihn hereinführte, ist er imposant, aber brav neben ihr her getrabt. Sein gesamter Ausdruck, sein schwarzes Fell − einfach toll. Ich meinte zu Katrin: „Ein eigenes Pferd kommt für mich zwar nicht infrage, aber wenn ich doch mal eins kaufen sollte, müsste es so sein wie Mambo.“
Fabienne
Mambo hatte Schwierigkeiten mit dem Linksgalopp, weil er sich als junges Pferd links eine Rippe gebrochen und einen Halswirbel verrenkt hat. Katrin stellte also ein Cavaletti auf den Zirkel, damit er nach dem Hüpfer links angaloppiert. Das klappte aber nur halb. Mambo sprang zwar voller Elan über das Hindernis, flitzte nach dem Sprung aber geradeaus weiter. Ich blieb an ein paar Ästen hängen – und flog runter. Zum Glück falle ich meistens wie eine Katze und tue mir nicht weh. Als ich zu Hause davon erzählte, war Jenny komischerweise plötzlich doch an Mambo interessiert.
Ich weiß auch nicht. Schwierige Pferde reizen mich. Ich möchte sie „hinkriegen“. So eine Herausforderung macht mir Spaß. Also fahre ich das nächste Mal mit zu Katrin.
Als ich aus dem Auto steige, sehe ich ein etwas unscheinbares schwarzes Pferd dösend am Anbindebalken stehen. Das ist also Mambo? Ich gehe näher und er sieht mich aufmerksam an.
Als ich ihn streichle, merke ich gleich, wie freundlich er ist, er lässt sich gern anfassen – im Gegensatz zu manch zickiger Stute, die ich schon kennengelernt habe. Zuerst reitet Fabienne ihn. Ich sehe, wie Mambo die Beine wirft, und denke: „O Gott, der Trab ist bestimmt nicht leicht zu sitzen, ganz zu schweigen vom Galopp!“ Damit soll ich recht behalten, aber die Schwierigkeiten gehen schon beim Aufsitzen los. Als ich an der Reihe bin, will...