1. DIE ERSTEN VORBEREITUNGEN
Es war inzwischen schon wieder Dezember geworden und ich hatte noch keinerlei Vorbereitungen für meine geplante Reise nach Mosambik getroffen. Ich wusste nicht einmal, wann ich überhaupt fliegen würde.
Als ich Ende Juli von meiner ersten Reise aus Mosambik zurückgekehrt war, hatte ich mir vorgenommen, vor Jahresende auf jeden Fall noch einmal dorthin zu reisen. Ich dachte, ich würde mein Arbeitspensum bis Mitte November schaffen, damit ich vor Weihnachten wieder zu Hause wäre.
Der Monat Oktober kam ganz schnell, und einige Wochen lang hatte ich überhaupt keine Zeit, mich mit der Reise zu beschäftigen. Ich vertraute darauf, dass ich es schon spüren würde, wenn der richtige Reisezeitpunkt gekommen war. Und der Flug wäre dann innerhalb weniger Tage gebucht.
In den letzten Wochen hatte mich der Gedanke nicht losgelassen, dass ich Jim Humble in Afrika unbedingt besuchen sollte. Nachdem ich sein Buch ins Niederländische übersetzt und in den Niederlanden herausgegeben hatte, stand ich mit ihm im direkten E-Mail-Kontakt. Den Kontakt herzustellen, war anfangs nicht einfach gewesen. Jim Humble ist, wie alle Menschen, die ihrer Berufung nachgehen, ein überaus beschäftigter Mann und sehr wortkarg dazu. Der Kontakt lief zuerst über Dritte und ich wusste nie so genau, ob er meine E-Mails erhielt oder nicht.
Jim Humble lebte schon einige Monate im unfreiwilligen Exil in Malawi. Nachdem in Mexiko die Geschichte mit der Schweinegrippe angefangen hatte, war er dort nicht mehr sicher und musste das Land schlagartig verlassen. Seitdem lebte er in Afrika. Nur wenige Menschen wussten damals, in welchem Land er genau lebt. Jim Humble hatte Angst um sein Leben und fühlte sich nirgendwo sicher. Auch in Afrika nicht.
Ich schickte ihm eine E-Mail mit der Mitteilung, ich würde zum Jahresende wieder nach Mosambik fliegen, um meine Arbeit mit Moringa Oleifera fortzusetzen und MMS an die Menschen zu verteilen, und bat, ihn besuchen zu dürfen.
Zwei Monate zuvor hatte Jim Humble Informationen über ein neues Mittel herausgegeben, das er MMS2 nannte. Für mich und viele andere war es nicht ganz klar, ob MMS 2 besser oder ebenso gut wirkte wie MMS1 und wie es angewandt werden sollte. Da ich seit der Veröffentlichung des Buches über MMS1 für viele Menschen zum Ansprechpartner geworden war, wollte ich mehr Einzelheiten über MMS 2 erhalten und schrieb Jim, dass ich gern mehr von ihm lernen wolle. Erst nach zwei langen Wochen erhielt ich per Mail die freudige Nachricht, dass ich ihn besuchen könne. Beim Lesen verspürte ich das gleiche Glücksgefühl wie damals, als er mir erlaubte, sein Buch ins Niederländische zu übersetzen. Ich war stolz und empfand es als eine ganz besondere Ehre, Jim Humble persönlich kennenzulernen. Jim Humble ist in den letzten Jahren richtig berühmt geworden und wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Gesundheit der Menschen musste er nun um sein Leben bangen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich für ihn einmal sehr viel bedeuten könnte. Weil ich sein Buch in den Niederlanden herausgegeben hatte, fühlte ich mich verpflichtet, ihn und seine Arbeit zu unterstützen, wusste damals aber noch nicht wie.
Nachdem ich von Jim Humble das Okay für meinen Besuch bekommen hatte, rückte Afrika auf einmal in den Mittelpunkt meines Interesses. Meine Pläne wurden konkreter und ich überlegte, zu welchem Zeitpunkt ich meine Freunde in Mosambik und auch Jim Humble am besten besuchten könnte.
Die Reise würde diesmal ganz anders verlaufen, als meine erste Reise mit meinem ehemaligen Begleiter José Uahova im Sommer. Ich musste allein reisen, denn ich hatte nicht das Geld, José Flug und Aufenthalt in Mosambik zu bezahlen. Und auch wenn ich es gehabt hätte, hätte José Deutschland aufgrund seines Aufenthaltsstatus nicht verlassen dürfen. Man hatte ihm gekündigt und als Ausländer ohne Job musste er damit rechnen, nach einer Auslandsreise nicht mehr einreisen zu dürfen.
Ich musste also allein nach Mosambik reisen, wusste aber dass Josés Familie mich trotzdem herzlich empfangen würde. Die Familie hatte sich schon gemeldet und ließ mich wissen, dass sich alle freuten und mich erwarteten.
José telefonierte jede Woche mit seiner Familie in Mosambik und leitete mir immer Rückmeldungen der Personen weiter, die wir damals mit MMS behandelt hatten. Von vielen Menschen wussten wir nämlich nicht, ob MMS bei ihnen gewirkt hatte oder nicht. José und seine Familie hatten aber in jedem Dorf, in dem wir gewesen waren, Angehörige und Bekannte, die uns regelmäßig mitteilten, wer wo durch MMS gesund geworden war.
Die erste Reise nach Mosambik war damals nicht nur ein Erfolg für uns und MMS, sondern auch für Josés Familie. Viele Menschen in den von uns besuchten Dörfern kannten nun José und mich und wussten, dass wir bei der Familie Uahova zu Gast waren. Man fragte die Familie Uahova ständig, wann der „Doktor aus Deutschland“ wieder komme. Zwar bin überhaupt kein Doktor, aber ich wusste, dass sie mich meinten. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass es sinnlos ist, den Menschen zu erklären, dass ich kein Doktor bin, denn für sie macht das keinen Unterschied. Wenn ihnen jemand hilft, wird er automatisch Doktor genannt, allein schon aus Respekt und Höflichkeit. Ich muss zugeben, es ist ein schönes Gefühl, mit Doktor angesprochen zu werden. Diese Anrede bringt nicht nur die Macht zum Ausdruck, die ein Doktor hat, sondern auch die damit verbundene Verantwortung. Nicht nur in Afrika, sondern in jedem Land begegnet man einem Doktor mit Hochachtung.
In der Antike waren die ersten Ärzte Priester gewesen. Sie kümmerten sich um das seelische und körperliche Wohlbefinden des Volkes. Die damaligen Ärzte standen noch mit höheren Kräften in Verbindung und wussten, welche Medizin für einen Kranken tauglich ist. Vor einigen Monaten habe ich den Eid des Hippokrates, den jeder Arzt auch heutzutage noch ablegen muss, noch einmal gelesen. Ich erschrak, als ich feststellte, dass der Eid in den letzten Jahren mehrmals umformuliert wurde und von dem ursprünglichen Text nicht mehr viel übrig ist.
Weil Jim Humble sich in Afrika versteckt hielt und ich noch nicht wusste, in welchem Land er lebte, gestaltete sich die detaillierte Reiseplanung als schwierig. Jim Humble hatte mir geschrieben, ich solle zuerst nach Mosambik reisen. Dort würde er sich dann mit mir in Verbindung setzen. Ich kannte inzwischen die afrikanischen Verhältnisse und wusste, wie leicht in Afrika etwas schiefgehen konnte. Daher fand ich diese Idee nicht so gut und machte mir Sorgen. Ich sollte zuerst nach Mosambik fliegen, von dort aus Jim Humble besuchen und dann wieder nach Mosambik zurückkehren. In meinen Augen war es einfacher, direkt zu Jim Humble zu gehen. Das schrieb ich ihm auch, aber er ließ sich nicht von seinem Standpunkt abbringen. Er schrieb, er werde keinem Menschen außerhalb von Afrika in einer E-Mail mitteilen, wo er sich befinde. Man hätte ihn zu schnell ausfindig machen können. Ich musste das akzeptieren, weil ich ganz genau wusste, dass er den Besuch absagen würde, wenn ich ihn zu sehr bedrängte.
Endlich hatte ich den Flug gebucht! Nach vielen Überlegungen wurde mir klar, dass die Weihnachtszeit die beste Zeit für meine Afrikareise war. In der Firma war um diese Zeit nichts Neues geplant und das Jahr klang langsam aus.
Um möglichst viel Zeit in Nampula zu haben, wollte ich in der ersten Woche weiter zu Jim Humble reisen. Ich hatte mir vorgenommen, so lange bei Jim zu bleiben, wie es möglich und nötig war. Wenn ich die Arbeit bei Jim erledigt hatte, wollte ich nach Mosambik zurückkehren, um dort einige Kontakte aufzuarbeiten und die Menschen zwischendurch mit MMS zu behandeln. Ich gab Jim Humble die Telefonnummer und E-Mail-Adresse meines Freundes Sabado aus Nampula und sagte ihm, ich würde am Sonntag, dem 19. Dezember, in Nampula ankommen und er solle sich bitte an dem Sonntag bei Sabado melden.
Bei der Reisebuchung musste ich erfahren, dass die Weihnachtszeit eine teure Reisezeit ist. Jeder möchte nach Hause und viele Flüge waren schon ausgebucht. Die Verbindungen waren alle sehr ungünstig und die Direktflüge nach Südafrika sehr teuer. Als Alternative gab es Flüge über Portugal. Also Frankfurt-Portugal-Maputo-Nampula. Zurück ging es nur über Südafrika. Viele Flüge und zwei Hotelübernachtungen. Umständlicher ging es nicht mehr. Zum Glück kam ich auf die Idee, ein Online-Reisebüro einzuschalten. Deren Mitarbeiter fanden zwar auch keinen bezahlbaren Direktflug, konnten die Verbindung aber doch etwas optimieren. Freitags um 21.25 Uhr sollte ich von Frankfurt nach Lissabon fliegen, dort übernachten und morgens einen Direktflug nach Maputo bekommen. Der Flug von Maputo nach Nampula musste ich online bei der mosambikanischen Fluggesellschaft buchen. Der Rückflug von Maputo über Johannesburg nach Lissabon war am 8 Januar. Somit standen mir 3 Wochen Afrika bevor.
In der letzten Woche legte ich mir alle Unterlagen und wichtigen Sachen zurecht, die ich nicht vergessen durfte. Jedes Mal, wenn mir etwas einfiel, packte ich es sofort ein und so fieberte ich dem Freitag entgegen. Ich hatte 2 Liter MMS vorbereitet. Einen Liter mehr als bei meiner ersten Reise. Diesmal sollte mir das MMS nicht ausgehen und was übrig blieb, konnte Josés Familie verteilen.
Es war Freitag geworden und es gab noch einiges zu erledigen. Einen dreiwöchigen Urlaub hatte ich zuletzt vor 30 Jahren unternommen und ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie schrecklich ich mich während der letzten Urlaubstage gelangweilt hatte. Danach war ich nie mehr drei Wochen am Stück verreist....