2. Rechtsfragen rund um die Kündigung
Arbeitsverhältnisse können mit wenigen Ausnahmen praktisch jederzeit aufgelöst werden. Trotzdem gilt es, gewisse Regeln zu beachten. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie eine korrekte Kündigung ablaufen muss, welche Ansprüche und Möglichkeiten Sie haben und wann Sie sich gegen eine Kündigung zur Wehr setzen können.
Diese Ausführungen zum Kündigungsrecht beziehen sich auf privatrechtliche Anstellungsverhältnisse gemäss Obligationenrecht. Die für Staatsangestellte geltenden Anstellungsbedingungen sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Daneben gibt es das Personalgesetz des Bundes sowie Anstellungsbedingungen der Gemeinden. Wenden Sie sich bei allfälligen Rechtsfragen an das für Sie zuständige Personalamt.
Die ordentliche Kündigung
Per SMS kündigen?
Unabhängig davon, ob die Kündigung vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgeht, sind bestimmte Vorschriften und Fristen einzuhalten, wenn ein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden soll.
Eine bestimmte Form ist für Kündigungen nicht vorgeschrieben, es sei denn, dies wurde vertraglich vereinbart. Entscheidend ist, dass der Kündigende seinen Willen unmissverständlich mitteilt und dass klar ist, auf welchen Zeitpunkt hin das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. Üblich ist ein eingeschriebener Brief. Es kann aber auch mündlich oder per SMS gekündigt werden, was allerdings aus Beweisgründen nicht empfehlenswert ist.
Die Kündigungsfristen
In der Regel sind die Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag festgelegt. Fehlt eine solche Vereinbarung, gelten die gesetzlichen Fristen (Art. 335c OR). Diese betragen
• während der (maximal dreimonatigen) Probezeit: sieben Tage (auf einen beliebigen Wochentag)
• im ersten Dienstjahr: einen Monat
• ab dem zweiten bis und mit neunten Dienstjahr: zwei Monate
• danach: drei Monate
Immer per Monatsende
Gekündigt wird nach Ablauf der Probezeit jeweils auf ein Monatsende. Die gesetzlichen Kündigungsfristen dürfen nur durch schriftliche Vereinbarung abgeändert werden, also im Arbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen stets gleich lange Fristen gelten. Die Kündigungsfristen gelten auch bei Anstellungen mit kleinem Teilzeitpensum oder bei Arbeit im Stundenlohn. Kündigungen per sofort sind nur aus wichtigen Gründen möglich (siehe Seite 36) oder im gegenseitigen Einvernehmen.
Akzeptieren Sie keine Kündigung, bei der die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird – es sei denn, Sie haben eine neue Stelle. Die Arbeitslosenversicherung zahlt erst, wenn Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber keine Lohnansprüche mehr geltend machen können.
Ab wann gilt die Kündigung?
Wirksam wird eine Kündigung erst, wenn der Empfänger davon Kenntnis hat. Massgebend ist also nicht der Poststempel. Das heisst: Die Kündigung muss spätestens am letzten Arbeitstag eines Monats bei der Gegenpartei eintreffen, damit die Kündigungsfrist am Ersten des Folgemonats beginnen kann. Trifft die Kündigung zu spät ein, verlängert sich das Arbeitsverhältnis um einen Monat. Kann ein eingeschriebener Brief nicht zugestellt werden, gilt er als beim Empfänger eingetroffen, sobald er vom Postamt abgeholt wird oder vom Empfänger hätte abgeholt werden können.
Häufig wird eine Kündigung zunächst im persönlichen Gespräch mitgeteilt, und der eingeschriebene Brief folgt als Bestätigung. In diesem Fall ist die Kündigung bereits mündlich gültig erfolgt. Wer den Brief nicht abholt, kann also die Kündigung weder verhindern noch verzögern.
Der Zeitpunkt des Empfangs der Kündigung ist auch massgebend, wenn es um die Frage geht, welche Kündigungsfrist anwendbar ist.
▪ Hans H. hat seine Stelle am 1. Juli 2010 angetreten. Ein Jahr später, am 29. Juni 2011, erhält er die Kündigung auf Ende Juli. Hans H. ist damit nicht einverstanden und verlangt den Lohn bis Ende August. Er argumentiert, die Kündigungsfrist falle in sein zweites Dienstjahr und betrage somit zwei Monate. ▪
Die Kündigung ist jedoch korrekt. Massgebend in diesem Zusammenhang ist einzig und allein der Erhalt der Kündigung, nicht aber der Beginn der Kündigungsfrist. Herr H. erhält die Kündigung am 29. Juni, also noch im ersten Dienstjahr. Deshalb beträgt die Kündigungsfrist einen Monat.
Fragen Sie nach dem Kündigungsgrund
Recht auf schriftliche Begründung
Obwohl grundsätzlich auch ohne triftigen Grund gekündigt werden kann, haben Sie das Recht, eine schriftliche Begründung der Kündigung zu verlangen (Art. 335 OR; Muster im Anhang). In kritischen Fällen empfiehlt es sich, dies zu tun. Denn falls Sie arbeitslos werden sollten, muss der Arbeitgeber den Kündigungsgrund gegenüber der Versicherung angeben. Geprüft wird dann, ob Sie mit Ihrem Verhalten die Kündigung möglicherweise verschuldet haben. Und dann riskieren Sie Taggeldkürzungen (siehe Seite 126). Deshalb lohnt es sich, rechtzeitig Bescheid zu wissen, damit Sie reagieren können.
Sind Sie mit der Kündigungsbegründung Ihres Arbeitgebers nicht einverstanden? Dann protestieren Sie schriftlich und legen Sie Ihre Sicht der Dinge dar. Diesen Protest können Sie wenn nötig später der Arbeitslosenversicherung vorlegen. Die Kündigung allerdings ist auch gültig, wenn die Begründung verweigert wird oder falsch ist. Allenfalls wäre dann zu prüfen, ob die Kündigung missbräuchlich ist (siehe Seite 31).
Kündigung im gegenseitigen Einvernehmen
Vorzeitige Auflösung? – Aufgepasst!
Sind beide Seiten einverstanden, kann ein Arbeitsverhältnis auf einen beliebigen Zeitpunkt hin aufgelöst werden – auch ohne Einhaltung der Kündigungsfristen. Als Arbeitnehmer sollten Sie sich jedoch gut überlegen, ob Sie zu einer solchen Lösung Hand bieten wollen. Auf jeden Fall sollten die Einzelheiten einer Auflösungsvereinbarung schriftlich festgehalten werden. Prüfen Sie diese genau und holen Sie im Zweifelsfall juristischen Rat ein, bevor Sie unterschreiben. Und so schützen Sie sich vor bösen Überraschungen:
• Stimmen Sie keiner Verkürzung der Kündigungsfrist zu – es sei denn, Sie haben eine neue Stelle.
• Stimmen Sie keiner Vertragsauflösung zu, falls Sie arbeitsunfähig oder schwanger sind und einen Kündigungsschutz geniessen (siehe Seite 26).
• Wenn Sie einen Kompromiss aushandeln, sollten Sie darauf achten, dass nicht nur Sie Zugeständnisse machen. Mögliche Verhandlungspunkte zu Ihren Gunsten können sein: vorteilhafte Frühpensionierung, Verlängerung der Kündigungsfrist, Abfindung, Outplacement (professionelle Hilfe bei der Stellensuche).
• Unterschreiben Sie keine Klausel «per Saldo aller Ansprüche», wenn Sie nicht wirklich sicher sind, dass alles seine Richtigkeit hat.
• Beharren Sie auf einem fairen, wahrheitsgetreuen Arbeitszeugnis. Lassen Sie dieses zur Sicherheit von Fachleuten kontrollieren.
Unter Umständen stellt Sie die Arbeitgeberin schon während der Kündigungsfrist von der Arbeit frei. Das ist nicht dasselbe wie eine fristlose Entlassung: Sie erhalten bis zum Ende der Kündigungsfrist Ihren Lohn, müssen aber nicht mehr zur Arbeit erscheinen (siehe Seite 41).
Haben Sie voreilig eine Vereinbarung unterschrieben, die sich für Sie als nachteilig erweist? Unter Umständen ist noch nicht alles verloren. Angestellte haben von Gesetzes wegen gewisse zwingende Ansprüche, auf die sie während des Arbeitsverhältnisses sowie einen Monat danach nicht gültig verzichten können – zum Beispiel Ferienansprüche (Art. 341 OR). Mehr dazu lesen Sie auf Seite 50.
Betroffen von einer Massenentlassung?
«Wirtschaftskrise zwingt zum Personalabbau», «Tausende von Stellen im Bankensektor bedroht» – in den letzten Jahren dominierten bedrohliche Schlagzeilen die Wirtschaftsnachrichten. Befürchten auch Sie, dass in Ihrer Firma ganze Abteilungen geschlossen werden oder dass einer grösseren Anzahl von Mitarbeitern gekündigt wird? Dann muss Ihr Arbeitgeber spezielle Regeln beachten.
Als Massenentlassungen gelten gemäss Artikel 335d OR Kündigungen, die der Arbeitgeber aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang stehen mit der Person des betroffenen Arbeitnehmers – etwa mit der Leistung oder dem Verhalten. Zudem spricht man von Massenentlassung, wenn innerhalb von 30 Tagen einer Mindestanzahl von Mitarbeitern...