Der Körper einer Frau wurde in der Zeit von der Renaissance bis zum Frühbarock, auf den Erkenntnissen Aristoteles, Hippokrates und Galens basierend, als Abweichung vom Körper eines Mannes aufgefasst. Der männliche Körper galt als Norm. Das Entstehen von menschlichem Leben wurde als Einpflanzung des männlichen Samens in den femininen Körper ausgelegt. Die Kenntnis der Eizelle datiert erst in die späte Neuzeit. Das bedeutete, dass die Zeugung allein durch einen Mann vollzogen wurde, der Körper einer Frau hingegen eine schützende und nährende Hülle darstellte, ohne die keine Entwicklung von Statten gehen könne. Diese Vorstellung ging einher mit der allgemeinen Annahme, dass Frauen kein schaffendes Potential besäßen. Weder wären sie zu wissenschaftlicher Bildung noch zu technischen Erkenntnissen oder gar politischen Entscheidungen fähig. Ihnen wurde der reproduktive und damit der passive Anteil am menschlichen Leben zugesprochen. Vor allem die Erziehung der (femininen) Kinder und die Organisation des Haushalts wurden aufgrund dieser gesellschaftlichen Einstellungen zu ihren Aufgaben. Das kreative und aktive Potential aber wurde fast ausschließlich dem männlichen Geschlecht zugestanden. Aus dieser grundlegenden Dichotomie wurden, wie Foucault nachwies[1], noch weitere gegensätzliche Eigenschaften und Zuständigkeitsbereiche abgeleitet, die Frauen und Männer charakterisierten:
Die bedeutendsten Zuschreibungen, die auf ein menschliches Wesen angewendet werden konnten, wurden in solch ein binäres und hierarchisches Schema gebracht. Das männliche auf der einen Seite galt dem femininen Geschlecht auf der anderen Seite als grundsätzlich vorrangig.
Von der wichtigsten Kategorie: gut/gerecht/schön, eine Einheit, die von Platonismus und christlicher Lehre propagiert wurde, war bis jetzt noch nicht die Rede. Der christliche Gottesbegriff, der eine große Präsenz hatte - davon ist zweifellos auszugehen - wurde dabei mit einem Maximum und dem Superlativ des Guten, Gerechten und Schönen konnotiert. Dem göttlichen Prinzip diametral entgegen gesetzt stand nach christlicher Auffassung der Teufel, als Inkarnation des Bösen und Monströsen. Ausgehend von der aristotelischen Dichotomie Männer - gut und Frauen - schlecht[2] , wurde propagiert, dass Frauen dem Bösen und Teuflischen leichter verfielen als Männer[3]. Hier traf sich die antik-heidnische Tradition mit der biblischen Exegese, die eine/jede Frau als potenzielle Verführerin eines/jeden Mannes deutete und auf sie die Erbsünde zurückführte.
Nachdem nun die Gründe für die Misogynie, jedenfalls Abwertung von Frauen, des 14. bis 17. Jahrhunderts untersucht wurden, muss auch die entgegensetzte Strömung, die Philogynie, näher betrachtet werden. Seit Christine de Pizan (siehe Abbildung 1), die profeministische Debatte mitinitiiert hatte, betrachteten viele Personen das feminine Geschlecht als dem männlichen Geschlecht mindestens gleichwertig.
Abbildung 1: Christine de Pizan und Minerva
Die intellektuellen Fähigkeiten von Frauen und Männer schätzten diese Personen als gleichwertig ein. Der Grund für weniger oder geringere intellektuelle Leistungen von Frauen wurde in der mangelhaften bis nicht vorhandenen Ausbildung von Frauen entdeckt und diese wurde nun rigoros eingefordert. Daneben wurde auch die moralische Kompetenz von Frauen beleuchtet, und hier wurde dem femininen Geschlecht mitunter eine größere Kapazität konstatiert.[4] Damit Hand in Hand ging auch eine Neubewertung und Neuauslegung des Bibeltextes, wobei das feminine Geschlecht auch als Krönung der Schöpfung gedeutet wurde. Allein die körperlichen Fähigkeiten fanden bei der Diskussion nicht so richtig Eingang. Nur gelegentlich, wurde auf einzelne physisch herausragende Frauen jener Zeit verwiesen, die von der philogynen Partei als Vorbild und Ideal präsentiert werden konnten. Es scheint, dass das Urteil Castigliones (II libro del Cortegiano), der selbst den hohen Damen das Reiten und die Beschäftigung mit Waffen nicht zugestand[5], großen Einfluss hatte.
Neben dieser theoretischen Schiene darf nicht auf die praktische vergessen werden, nämlich auf die Wirkung von Frauen auf ihr Umfeld und die Gesellschaft, die durch ihre Taten und Leistungen bewiesen, zu was allem sie fähig waren. Kämpfende, schriftstellerisch tätige, malende, regierende, handwerklich tätige usw. Frauen gab es, und sie machten zweifellos Eindruck auf ihre Umgebung. Die Arbeit und Aktivität von Frauen kann als Verdienstquelle, Zeitvertreib oder Aufgabe des Standes interpretiert werden.
Die genannten Tätigkeitsbereiche von Frauen werden nun kurz beleuchtet, um die Orte von Frauen jener Zeit, die sich in den Bildern mitmanifestiert haben, aufzuzeigen. Ich starte mit der Gruppe von Regentinnen. Eine Frau konnte zu j ender Zeit die Regentschaft eines Landes übernehmen, vorausgesetzt dass sie ihren abwesenden Ehemann oder minderjährigen Sohn vertrat.[6] Diese Aufgabe, die den Zweck verfolgte, die patriarchale Verfassung zu erhalten, bot Frauen die Möglichkeit zur politischen Einflussnahme und Mitbestimmung. Caterina Sforza soll hier als ein Beispiel von vielen Persönlichkeiten genannt werden. Ihre Person, die sich großer Bekanntheit[7] erfreute, vereinte das Wirken einer Regentin mit dem einer Befehlshaberin.[8]
Auch von Soldatinnen und Befehlshaberinnen in der Schlacht wird berichtet[9], weswegen ich auch mit einigen Worten auf diese zweite Gruppe zu sprechen kommen möchte. Dass regierende Frauen an der Spitze ihrer Heere in den Kampf zogen, mag weniger abwegig erscheinen. Dass sich aber gewöhnliche Frauen als körperlich, waffentechnisch und/oder strategisch fähig erwiesen und im militärischen Bereich mitmischten, unterstreicht ihre aktive Präsenz. „Eine Frau namens Lippa (Filippa) aus dem romagnolischen Raubrittergeschlechter der da Barbiano führte in den Jahren 1399, 1401 und 1404 nach der Gefangennahme ihres Ehemannes und ihres Bruders in der Umgebung Bolognas ihre Leute selbständig in den Krieg gegen die Feinde ihrer Familie."[10] Dieses Beispiel steht aber nicht isoliert da, wie Samuel weiß. Die „Liste der Gelegenheitskriegerinnen der neueren Zeit in Europa ließe sich beliebig verlängern"[11], schreibt dieser.
Eine dritte Gruppe umfasst Handwerkerinnen und Arbeiterinnen. Indem sie Geld verdienten, ernährten sie ihre Familien und verbesserten ihre Zukunftaussichten. Einige konnten dadurch den Beruf in der Familie halten.[12] Allerdings notiert Hufton, dass „i[m] Italien in der Frühen Neuzeit ein Mann, der den Unterhalt von Frau und Töchtern nicht innerhalb seines Hauses gewährleisten konnte, in der Achtung der Gemeinschaft nicht hoch [stand]"[13].
Schließlich, als vierte Gruppe, seien im weitesten Sinn künstlerisch tätige Frauen vorgestellt, die Malerinnen, Autorinnen, Philosophinnen, Humanistinnen, Bildhauerinnen usw. waren. Wenn sie nicht aus ähnlichen Beweggründen wie jene Frauen der vorhergehenden Gruppe in die Arbeitswelt eintraten, dann kamen sie vielleicht aus purem Interesse dazu. Damit meine ich, dass durch Baldassare Castigliones Il libro del cortegiano angeregt, die oberen Schichten danach strebten, ihre Töchter künstlerisch zu fördern, was den Marktwert der Bräute zudem erhöhte.[14]
An dieser Stelle möchte ich kurz über die Ausbildung von Malerinnen von 1470 bis 1660 Bericht erstatten. Nahezu alle Malerinnen wurden von ihren malenden Vätern ausgebildet, so z. B. Pulisena Nelli (1523 Florenz - 1588 Florenz), Lavinia Fontana (1552 Bologna - 1614 Rom), Artemisia Gentileschi (1597 Rom - 1653 Neapel), Elisabetta Sirani (1638 Bologna - 1665 Bologna). Sofonisba Anguissola (1532/1535 Cremona - Palermo 1625) wurde von ihrem Vater, der ein begüterter Edelmann war, zu verschiedenen Malermeistern geschickt, welche die junge Dame ausbildeten[15]. Dort war sie aber offenbar ein „zahlender Gast"[16]. Über Giovanna Garzonis (1699 Ascoli Piceno - 1670 Rom) Ausbildung ist nicht viel bekannt, außer dass sie von einem florentinischen Maler ausgebildet wurde, fernab ihrem Geburtsort Ascoli Piceno.[17] Für das 15. Jahrhundert gibt es keinen Beweis für die Ausbildung von Frauen in einer Bottega, nicht einmal die Töchter von väterlichen Meistern durften in dessen Werkstatt als Lehrling arbeiten.[18]
Die Nennung der Orte aktiver, schaffender Frauen dieser Zeit führte somit vor Augen, dass die theoretische Debatte über das Geschlecht in einen praktischen Diskurs eingebettet war.
Als letzter Punkt der philogynen Debatte, nach theoretischer Descriptio und faktischen Verortungen, soll noch das Wort auf die Praescriptio kommen. Ab der Renaissance tritt nämlich der christliche Tugendkatalog für die Frau stark in Erscheinung, der Beständigkeit (Constantia), Demut (Humilitas), Geduld (Patientia), Frömmigkeit und Mitleid (Pietas), Bescheidenheit (Modestia) und Mäßigung (Temperantia) fordert. Als eine unerlässliche Tugend - für die Frau- gilt aber vor allem die Keuschheit (Castitas), die im Tugendideal des Mannes nie vorkommt. Als Garantin für die Keuschheit ist die Schamhaftigkeit (Pudicitia) oft genug postuliert und für die adelige Frau schon im 15. Jahrhundert im Tugendkatalog nachgewiesen worden.[19] Es bleibt zu vermerken, dass die Tugend der...