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Kampf um den Stuhl Petri

Die Geschichte der Gegenpäpste

AutorChristiane Laudage
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl260 Seiten
ISBN9783451346361
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Wenige historische Ereignissen erregen bis heute so sehr das Interesse wie die Papstwahlen. Über die Gegenpäpste - den spannendsten und farbigsten Abschnitt dieser Geschichte - ist erstaunlicherweise bisher kaum geschrieben worden. Christiane Laudage liefert die erste populäre Darstellung einer an spannenden Begebenheiten und interessanten Persönlichkeiten reichen Geschichte

Dr. Christiane Laudage ist Historikerin und arbeitet bei der KNA in Bonn.

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Leseprobe

EINFÜHRUNG


Angelo Mercati und die Papstliste


„Die Katholische Kirche hat diese Woche ganz offiziell sechs Päpste abgeschafft“, verkündete das US-amerikanische Wochenmagazin „Time“ am 27. Januar 1947. Was war passiert? Der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs, Angelo Mercati (1870–1955) hatte die bis dahin gültigen Papstlisten gründlich überarbeitet. Er schaffte aber nicht nur ab – er fügte auch hinzu und zwar drei Päpste und 37 Gegenpäpste, letztere mit der Begründung, dass einige von ihnen als rechtmäßige Päpste galten (Felix II., Bonifaz VII., Alexander V.) und daher in die Zählung aufgenommen wurden.1

Seit Januar 1947 führt das jährlich neu aufgelegte „Annuario Pontificio“ diese Liste, versehen mit dem Zusatz „gemäß der Chronologie des ‚Liber Pontificalis‘ und seinen Quellen, fortgeführt bis auf den heutigen Tag, mit den notwendigen Korrekturen gemäß den Ergebnissen der historischen Forschung.“ Das gibt dem Benutzer klar zu verstehen, dass diese Liste den Stand der Forschung repräsentiert, aber ohne weiteres geändert werden kann, sollten neue Erkenntnisse dies notwendig machen. Bis auf kleinere Korrekturen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts geändert.

Monsignore Mercatis Liste stellt mit ihrer Chronologie den Ausgangspunkt aller Forschungen dar. Zwar gibt es immer wieder Historiker, die in Einzelfragen Einspruch erheben und das ist ganz besonders bei den Gegenpäpsten so, doch verfügt sie über eine hohe Autorität, der sich auch diese Abhandlung unterwirft. Ausgehend von der Papstliste des „Annuario Pontificio“ kann man daher feststellen, dass es 37 Gegenpäpste gegeben hat, mit zusätzlichen Möglichkeiten in den Anmerkungen. Die Reihe beginnt mit Hippolyt,2 einem Römer, der 217–235 die Kirche spaltete, und endet zwölf Jahrhunderte später mit dem Papst des Basler Konzils, Felix V. (1439–1449), vormals Herzog Amadeus VIII. von Savoyen.

Zwei Gegenpäpste erscheinen nur in den Anmerkungen, nämlich Clemens VIII. (1423–1429) und Benedikt XIV. (1425–1430). Beide stehen in der Nachfolge von Benedikt XIII. (1394–1423), dem letzten avignonesischen Papst im Großen Schisma. Warum die beiden lediglich in den Anmerkungen Erwähnung finden, ist nicht nachzuvollziehen, jedenfalls führen andere Historiker diese beiden als reguläre Gegenpäpste. Wie schwierig es letztlich ist, darüber zu entscheiden, wer Papst oder Gegenpapst war, zeigt ein scharfer Blick auf die Liste. Zweimal musste selbst Mercati kapitulieren: Für die Jahre 964/965 führt er drei Päpste auf – nicht nacheinander, sondern nebeneinander: Johannes XII., Leo VIII. und Benedikt V. Im Zusammenhang mit Leo VIII. gibt eine Fußnote den entscheidenden Hinweis: Da die historischen Kategorien nicht mit den theologischen in Übereinstimmung zu bringen waren und über allem die Unantastbarkeit der apostolischen Sukzession steht, war keine andere Entscheidung möglich. Auch für die Jahre 1045/1046 gibt es laut dieser Liste drei Päpste: Benedikt IX., Silvester III. und Gregor VI. Unstrittig ist jedoch, dass es seit über 550 Jahren keinen anerkannten Gegenpapst mehr gegeben hat, die Gegenpäpste sind also ein spätantikes und mittelalterliches Phänomen.

Amato Pietro Frutaz und die Definition „Gegenpapst“


Wann immer man sich mit dem Thema Gegenpapst befasst, stößt man eher früher als später auf den Namen Amato Pietro Frutaz (1907–1980). Der aus dem Aostatal stammende Priester hat sein ganzes Berufsleben im Vatikan verbracht. Er arbeitete 43 Jahre lang in der Kongregation für Heiligsprechungsprozesse, zuletzt als Sekretär, und publizierte rund 150 wissenschaftliche Veröffentlichungen, darunter auch eine grundlegende Abhandlung zum Thema Gegenpapst.3

Frutaz definiert wie folgt: „Gegenpapst ist, wer trotz eines bereits kanonisch erwählten Papstes eine Papstwahl annimmt, auch wenn er es in gutem Glauben tut.“ Dazu kommen für ihn noch weitere Kategorien: 1. Ob bei Durchführung der Wahl der Apostolische Stuhl durch Tod oder freiwillige Abdankung des lebenden Papstes vakant war. 2. Ob die rechtmäßigen Wähler des Papstes ihrem Wahlauftrag frei genügen konnten oder nicht. 3. Ob eine nicht kanonische oder zweifelhafte Wahl in der Folge öffentlich von der Mehrheit der Wähler bestätigt wurde. 4. Ob die Bestimmungen für die Papstwahl, die im Laufe der Jahrhunderte eine tief greifende Umwandlung erfuhren, beachtet wurden oder beachtet werden konnten. 5. Ob und in welcher Weise die politische Gewalt oder eine Partei sich bei der Wahl einmischten.

Daher klassifiziert Frutaz die Gegenpäpste in drei Kategorien: 1. Die echten Gegenpäpste. Das sind die, die den Apostolischen Stuhl nicht während einer legitimen Vakanz bestiegen. Er zählt dazu auch die Päpste des Großen Schismas. 2. Zweifelhafte Gegenpäpste. Solche die nach dem Zeugnis der Quellen hinsichtlich ihrer kanonischen Stellung ernsthafte Schwierigkeiten hatten, ihr Amt auszuüben. 3. Die falschen Gegenpäpste. Diejenigen, die als einfache Mitanwärter betrachtet werden müssen, ihrem Gegner unterlagen und sich ihm sofort nach seiner ordnungsgemäßen Wahl unterstellten. Aufgrund seiner ausführlichen Definition erstellt er eine eigene, dreigeteilte Liste, die zum Teil deutlich von der des Vatikans abweicht. Eine knappe Definition des Begriffs Gegenpapst mag man sich anders vorstellen, doch geben die Ausführungen Frutaz’ einen ersten Eindruck von der komplexen Materie.

Die beiden Kurienangehörigen Mercati und Frutaz haben fast zur gleichen Zeit aufgrund des gleichen Quellenmaterials zum Teil völlig verschiedene Schlüsse gezogen. Mercatis Liste ist die offizielle und bei dem Thema „Gegenpapst“ bleiben Frutaz’ Ideen bis heute in der Diskussion. Noch 1998 bietet Giovanni Morello im Vatikan-Lexikon im Artikel „Gegenpapst“ folgende Definition an: „Es handelt sich um einen nicht kanonisch und in Opposition zum legitimen Papst gewählten Papst, der sich dessen Würde und Aufgaben anmaßt. Wenn auch der Opponent zuweilen in gutem Glauben handelte, war er Usurpator“4 und verweist sofort weiter auf die ausführlichen Klassifikationen von Frutaz.

In der Neuauflage des „Lexikons für Theologie und Kirche“ haben die Herausgeber bei dem Thema Gegenpapst dieses Mal einen anderen Historiker zu Worte kommen lassen, nämlich den früheren Kölner Ordinarius Odilo Engels, der das Stichwort „Gegenpapst“ knapp abhandelt: „Bezeichnung für den illegitimen, mit dem rechtmäßigen Papst konkurrierenden Papst. Ausreichende Kriterien für die Illegitimität – begründet entweder in der nur langsam rechtlich abgesicherten Papstwahlordnung oder in der stets unsicheren Rechtsgrundlage der Deposition eines Papstes – fehlen, so dass die Liste der Gegenpäpste bis in die jüngste Zeit einer Revision unterlag.“5

Engels gibt das Stichwort vor, nämlich dass bis in die jüngste Zeit die Liste der Gegenpäpste geändert wurde. Der Papsthistoriker Georg Schwaiger sagt ganz klar: „Zuweilen muss offen bleiben, ob der einzelne Papst den Päpsten oder den Gegenpäpsten oder keiner der beiden Kategorien zuzurechnen ist. Diese Schwierigkeit gründet vor allem darin, dass streckenweise keine völlig eindeutige, allgemeine Übereinstimmung darüber auszumachen ist, unter welchen Umständen Wahl und Weihe des Bischofs von Rom – oder auch das Pontifikatsende – gültig waren.“6 Generell weisen alle angeführten Definitionen einen Gegenpapst als Konkurrenten eines rechtmäßigen Papstes aus. Doch das ist nur ein Teil der Wirklichkeit, vom Ende aus gesehen. Denn verschiedene Male kam es zu nicht eindeutigen Wahlen oder sogar eindeutigen Doppelwahlen, die zwei konkurrierende Päpste hervorbrachten, die ihre Legitimität erst durchsetzen mussten. Erst nachdem sich einer der beiden Konkurrenten in den Augen der Öffentlichkeit als anerkannter Papst etabliert hatte, konnte der andere als Gegenpapst gelten.

Der Begriff „Gegenpapst“


Im Deutschen ist der Begriff „Gegenpapst“ gebräuchlich, abgeleitet von dem Lateinischen antipapa. Es gibt heute eigentlich gar kein griffiges Synonym zu „Gegenpapst“ mehr, ganz im Gegensatz zum Mittelalter, denn das, was heute ein historisches Phänomen ist, war damals ein aktuelles Problem und hatte natürlich Auswirkungen auf den Wortschatz. Amato Pietro Frutaz wies in seiner bereits mehrfach angeführten Abhandlung darauf hin, dass die älteste und schärfste Bezeichnung invasor (Eindringling, Eroberer) beziehungsweise invasor sedis apostolicae ist. Später kommen noch pervasor (Angreifer), schismaticus (Ketzer), apostaticus (Abtrünniger), antichristus (Antichrist, Widersacher Christi), competitor (Mitbewerber), pseudopapa (falscher Papst), adulterinus papa (unechter, falscher Papst) dazu. Frutaz betonte den polemischen Beigeschmack, der sich durchaus von selbst erschließt. Ansonsten, so Frutaz, wird auch gerne der Vorname des Gegenpapstes benutzt, um zu verdeutlichen, dass dessen Ansprüche abgewiesen werden. Durchgängig findet man intrusus (Eindringling) als Bezeichnung für den Gegenpapst. Lange Zeit hieß es, unter anderem auch bei Frutaz, der Begriff antipapa sei erst im 14. Jahrhundert aufgekommen. Mittlerweile kann man den Begriff antipapa bis in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückverfolgen (Hugo Cantor), denn Michael Stoller hat verschiedene, frühe Belege in englischen, schottischen und französischen Chroniken gefunden. Überwiegend, so sagte er, hätten die Autoren meistens haeresiarcha (Haupt einer Sekte, Irrlehrer, Ketzer) und invasor benutzt, doch bedienten sie sich gelegentlich auch der...

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