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E-Book

Karl

AutorPaul Sahner
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl450 Seiten
ISBN9783864152177
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Er ist weltweit der bekannteste Deutsche: Karl Lagerfeld. Sein Markenzeichen seit Jahren: Ein sorgfältig gepflegter, weißer Pferdeschwanz, der tief im Nacken liegt und eine schwarze Sonnenbrille. Der Modezar ist das Gesicht von CHANEL, Fotograph, ein begnadeter Künstler und der bekannteste Deutsche international. In letzter Zeit machte der Modezar Furore mit radikalem Gewichtsverlust und inszenierte sich und seine Person komplett neu. In sehr persönlichen Gesprächen mit dem Designer porträtiert Chefreporter Paul Sahner den Modedesigner sehr eindrucksvoll und lebendig. Die freundschaftliche Beziehung zwischen Beiden ermöglicht einen sehr privaten Einblick in das Leben Lagerfelds und nimmt den Leser mit auf eine Reise hinter die Kuliseen des internationalen Modezirkus. Dabei versuchen sie in oft sehr philosophischen Gesprächen der Frage nach Ästhetik und Design auf den Grund zu gehen. Über seine Muse Claudia Schiffer bis hin zu seiner zweiten Karriere als Fotograph sprechen die beiden über bunte Themen aus dem Leben des bedeutsamsten Modeschöpfers des 21. Jahrhunderts.

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Leseprobe

BEGEGNUNG MIT DEM »KAISER«.

STANDING OVATIONS. AUSSERIRDISCHER

»Ich bin der Sohn von einem Hamburger Pfeffersack« – schmunzelt Karl süffisant. Als Pfeffersäcke werden noch heute spöttisch hanseatische Händler bezeichnet. In dem Begriff schwingt die Verachtung für reiche, ausschließlich auf Geld und Macht bedachte Menschen mit. Karl kokettiert mit diesem Wort gerne, er provoziert. Pfeffersäcke! Wie das schon klingt. Keiner traut sich, diesen Begriff aufzunehmen, der wie ein Handschuh zum Duell hingeworfen wird. Die Medien verneigen sich vor Lagerfelds Größe, die Branche respektiert ihn, wenige fürchten ihn. »Ein Wort von Karl, und du bist in der Modeszene mausetot«, sagt sogar ein Star unter den Modedesignern, der nicht genannt werden will. Er hängt an seinem Job.

Ob Karl der ideale Deutsche ist? Manche sehen ihn so. Er lebt für die Arbeit, hat eine eiserne Disziplin, durch Fleiß weckt er Neid, macht nie Urlaub. Er doziert wie ein Oberlehrer über die alten Tugenden, aber in seiner Seele ist er ein unverbesserlicher Romantiker. Die deutschen Dichter liebt er sehr, Wilhelm Busch, Eichendorff, Goethe, Rilke, sie alle zitiert er gern. Auch zum Knuddeln ist er jederzeit verfügbar: Als Teddybär. Was für ein Geschenk: Merci, Karl!

KARL: Ich bin nicht allzu lange Kind geblieben, dennoch liebe ich Tiere sehr. Vor allem, wenn sie aus Plüsch und mit Baumwolle oder Polyester gestopft sind. So kann man am besten sicherstellen, dass sie nicht beißen, einen nicht fressen, nicht schlecht riechen und keine Sachen schmutzig machen.

* * * * *

Die Medienfigur des Jahres 2008.


Schon steinalt und trotzdem jung geblieben. Sein Foto als »King Karl« sieht man mit geschlossenen Augen. Die schwarze, schlanke Silhouette mit den Röhrenhosen, die unten Falten werfen wie eine Ziehharmonika. Das Gesicht mit der Sonnenbrille maskiert, das ist seine Identität. Sein Berufsbild wechselt wie bei einem Chamäleon: Modeschöpfer, Entdecker von Topmodels, Fotograf, Innenarchitekt, Parfümproduzent, Unternehmer, Stummfilmer, Schlossherr, Galerist, Autor, Porzellansammler, Werbewunder, PR-Mann, Verleger, Buchhändler. Einmal ist er sogar Barman bei einer Benefiz-Gala in New York gewesen. Gut gemixt. Da fragt man sich nur: Hat dieser Superman denn gar keine Schwächen? – »Doch«, gesteht er: »Ich bin iPod-süchtig.« Dafür trinkt und raucht er nicht, hält heute sein Gewicht. Das Rezept, wie man so was schafft, hat er als Buch millionenfach verkauft.

Und es geht noch weiter. Das ganze Erfolgsstück über Lagerfeld sprengt jegliche Dimension. Das Leben schreibt das Drehbuch und auf der Besetzungsliste stehen:

Personen in den Hauptrollen


  • Elisabeth Lagerfeldt, Mutter, das Alphatier
  • Otto Lagerfeldt, Vater, der Milchmann »Glücksklee«
  • Coco Chanel, Modeheilige, der Schutzgeist
  • Pierre Balmain, Couturier, der Lehrmeister
  • Yves Saint Laurent, Rivale, der selbstverliebte Narziss
  • Andy Warhol, Pop-Papst, das Übervorbild
  • Jacques de Bascher, Aristokrat, »Mann fürs Leben«
  • Antonio Lopez, Illustrator, der Modelscout
  • Paloma Picasso, Muse 1974, der Zwilling
  • Inès de la Fressange, Muse 1986, die Drama-Queen
  • Claudia Schiffer, Muse 1990, die »Clooodia«
  • Prinzessin Caroline von Hannover, die Ersatzschwester
  • Baptiste Giabiconi, Dressman, der neue Dorian Gray

... in den Nebenrollen


  • Martha Christiane Lagerfeldt, die Schwester
  • Thea Lagerfeldt, die Halbschwester
  • Joachim von Ribbentrop, Außenminister des Dritten Reiches, das Schreckgespenst
  • Helmut Newton, Starfotograf, der Foto-Guru
  • Rainier III. von Monaco, Fürst, der Freund
  • Ernst August von Hannover, königliche Hoheit, der Pausenclown
  • Hedi Slimane, Jungdesigner, der Verführer
  • Mick Jagger, Ex von Jerry Hall, der Survivor
  • Jerry Hall, Vamp-Model, das Chanel-Taschengesicht
  • Nicole Kidman, Schauspielerin, die Glamournymphe
  • Brad Kroenig, Dressman, das Objekt der Begierde
  • Arnaud Maillard, Ex-Assistent, der Nestbeschmutzer
  • Bernard Arnault, LVMH-Vorstand, ein guter Freund
  • Stella Tennant, 1996, das Bad Girl
  • Devon Aoki, 2004, die japanische Puppe
  • Toni Garrn, 2009, der Engel mit dem bösen Blick
  • Carla Bruni, Frankreichs Präsidentengattin, eine alte Bekannte

... als Komparserie für Pelzmoden bei FENDI


Diese Stars führten die Pelze von Fendi nach Lagerfelds Entwürfen vor, trugen sie in Filmen oder als Geschenk auch privat, gaben sich für Produktbilder als Fendi-Fans her. Sophia Loren ließ sich gar als Fendi-Süchtige zitieren.

  • Claudia Cardinale (1967)
  • Monica Vitti (1969)
  • Milva (1970)
  • Sophia Loren (1972)
  • Gina Lolobrigida (1973)
  • Diana Ross (1975)
  • Paloma Picasso (1979)
  • Catherine Deneuve (1983/87)
  • Grace Jones (1986)
  • Elizabeth Hurley (2001)
  • Kate Bosworth (2007)

Seit den Neunzigerjahren liegt Lagerfeld übrigens mit den Tierschützern im Clinch. Den Streit über die Pelzmode wischt der »Kaiser« mit einem Argument vom Tisch:

KARL: In einer fleischfressenden Welt, in der Schuhe, Handschuhe, Gürtel, Handtaschen aus Leder getragen werden und auch Reisegepäck aus Leder hergestellt wird, ist die Diskussion über Pelze kindisch. Ich plädiere allerdings dafür, dass man die Tiere nicht brutal tötet, sondern ihr Leben auf eine sanfte, nette Art beendet. Fleisch esse ich nur, wenn es auf dem Teller nicht nach einem lebendigen Wesen ausschaut.

* * *

Den Soundtrack als Untermalung zum Lagerfeld’schen Glamourepos liefert der »Kaiser« selbstverständlich selbst. Sein sprunghaftes Multitasking hat ihn schließlich auch noch Musikpromoter werden lassen. Auf der Doppel-CD My Favorite Songs hört man seine Ohrwürmer: Devendra Banhart, LCD Soundsystem, Super Furry Animals, The Fiery Furnaces, Stereolab und als Kontrast dazu die Punkband Siouxsie and the Banshees, bevor man in die Vierzigerjahre hinübergleitet: Tango, Rumba und Mambo von Xavier »Cugi« Cugat. Als Bandleader des Stammorchesters im Grandhotel Waldorf Astoria wurde er zur Legende. Das Finale lässt Lagerfeld mit Igor Strawinsky ausklingen.

* * * * *

Paris im Sommer, mein Gespräch mit Karl


Darf ich mich kurz vorstellen? Mein Name ist Paul Sahner – wie Sahne mit R. Ich schreibe nicht für die Ewigkeit. Ich schreibe jede Woche für die BUNTE. Ich bin Berichterstatter. Karl Lagerfeld ist in meiner Laufbahn der Mensch, den ich häufiger als alle anderen interviewte.

Karl, überall feiern Sie Triumphe, Fashion Shows mit Standing ovations ... Fühlen Sie sich wie ein Rockstar?

KARL: Unglaublich, unglaublich. Sogar überall, wo ich aus Gefälligkeit hingehe, bekomme ich Beifall. Wirklich unglaublich. Wie gestern auch, ich war bei der Vernissage der Picasso-Ausstellung. Das war wie ein Aufstand. Ich wurde als Hauptperson gefeiert. Dass mittelalterliche Damen mir sagen: »Sie sehen toll aus«, das verstehe ich. Aber dass die jungen Leute so jubeln, wenn sie mich sehen ...

Woran liegt das?

KARL: Das weiß ich auch nicht. Ich werde mehr gefeiert als Galliano und all die anderen. Keiner hat so einen Erfolg wie ich. Keiner kann mithalten. Ich kann nicht mehr über die Straße gehen.

Klingt gefährlich!

KARL: Und wie mich erst die Autogrammjäger bedrängen. Aus der ganzen Welt kommt Post mit Signaturwünschen. Das ist ja unglaublich. Ich finde das zum Heulen.

Zum Niederknien eigentlich ...

KARL: Natürlich ... aber ich kann es mir nicht erklären, warum!

* * * * *

Rückkehr der alten Zeit.


Mag Karl Lagerfeld noch so sehr betonen, alles in seinem Leben sei nur Zufall, er selbst überlässt dem Faktor Zufall nichts. Jeder seiner Schritte ist genauestens überlegt. Die größte Sorgfalt gilt zweimal im Jahr der Wahl der Location für die Modenschau. Sie spielt eine wesentliche Rolle, denn sie spiegelt den Geist seiner Kollektion wider, schafft einen Rahmen, der für mindestens so viel Gesprächsstoff sorgt wie die Kleider selbst. So ist es auch bei der Herbst/Winter-Präsentation von Chanel, zu der Karl einen erlesenen Kreis am 10. Dezember 2008 eingeladen hat.

Paris, 16. Arrondissement, 5 Rue des Vigens.


An dieser Stelle fällt die Häuserfront zum Erdgeschoss ab. Die schlossartigen Balustraden auf dem niedrigen Dach sahen früher aus wie eine verschnörkelte Porzellantasse zwischen groben Kochtöpfen. Heute jedoch scheint das Haus für das Straßenbild keine Zierde mehr zu sein. Die schmuddelig-weiße Fassade verwittert, die Säulenprofile am Portal angeschlagen, an der Eingangstür blättert der Lack ab. »Le Ranelagh« prangt oben am Sims in krakeliger pinkfarbener Neon-Schrift. Ein vorbeischlendernder Fremder könnte meinen, ein betagtes Kleinkunstkino aus den Sixties wäre hier untergebracht. Da empfiehlt es sich allerdings...

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