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E-Book

Katharina die Große und Fürst Potemkin

Eine kaiserliche Affäre

AutorSimon Sebag Montefiore
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl824 Seiten
ISBN9783104007991
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Die vielleicht größte Romanze der Geschichte Katharina die Große war eine Frau von berüchtigter Leidenschaft, politischer Brillanz und faszinierendem Charme. Fürst Potemkin - ein gut aussehender Lebemann und äußerst gewandter Politiker - war die Liebe ihres Lebens, heimlicher Gemahl und Mitherrscher. Kein anderer nahm so großen Einfluss auf ihre politischen Entscheidungen wie er. Obgleich es nicht an Differenzen zwischen Katharina und Potemkin mangelte, er Affären mit seinen hübschen Nichten hatte und sie mit ihren Günstlingen, hörten sie nie auf, einander zu lieben. Simon Sebag Montefiore hat Zugang zu bisher unbekannten und unveröffentlichten Dokumenten gefunden, er hat die intimen Briefe der Kaiserin und des Fürsten gelesen. Nur so konnte er diese faszinierende Geschichte von Liebe und Macht in all ihren Dimensionen ans Licht bringen und Potemkin den zentralen Platz in der russischen Geschichte zuweisen, der ihm zusteht. Eine wundervolle Biographie voller Details und literarischem Flair.

Simon Sebag Montefiores preisgekrönte Bestseller sind mittlerweile in 45 Sprachen übersetzt. ?Stalin - Am Hof des Roten Zaren? wurde mit dem History Book of the Year Prize der British Book Awards ausgezeichnet, ?Der junge Stalin? mit dem Costa Biography Award, dem LA Times Book Prize for Biography, dem Grand Prix de la Biographie Politique sowie dem Bruno-Kreisky-Preis für politische Literatur. ?Jerusalem. Die Biographie? war ein weltweiter Bestseller. Montefiore lehrt Geschichte an der Cambridge University, wo er in Philosophie promovierte. Er schrieb zudem die Romane ?Saschenka? und ?Die Kinder des Winters?; letzterer wurde ausgezeichnet als »Political Novel of the Year«. www.simonsebagmontefiore.com Literaturpreise: Los Angeles Times Book Award for Biography 2007, Costa Book Award 2007 und Bruno Kreisky-Preis 2007 für ?Der junge Stalin?. History Book of the Year Prize der British Book Awards für ?Stalin. Am Hof des roten Zaren?.

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Leseprobe

Teil Eins Potemkin und Katharina


17391762

1 Der Junge aus der Provinz


Ich würde lieber hören, dass du gefallen bist, als dass du

Schande über dich gebracht hast.

(Worte eines Smolensker Adligen

an seinen Sohn bei dessen Eintritt in die Armee)

L. N. Engelhardt, Memoiren

»Wenn ich erwachsen bin«, soll der junge Potemkin geprahlt haben, »werde ich entweder Staatsmann oder Erzbischof.« Seine Schulfreunde machten sich wahrscheinlich über seine Träume lustig, denn er war in die Reihen des achtbaren Provinzadels ohne große Namen oder Vermögen hineingeboren worden. Sein Pate, der ihn besser verstand, murmelte häufig, dass der Junge entweder »zu großen Ehren aufsteigen oder den Kopf verlieren« werde. Die einzige Möglichkeit, im damaligen Russland rasch eine herausragende Stellung zu erreichen, bestand in der Begünstigung durch den Monarchen, und tatsächlich gelang es ihm bis zu seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr, mit zwei herrschenden Kaiserinnen zusammenzutreffen.

Grigori Alexandrowitsch Potemkin wurde am 30. September 1739[3] in dem Dörfchen Tschishowo, nicht weit von der alten Festungsstadt Smolensk, geboren. Den Potemkins gehörte das bescheidene Gut mit 430 männlichen Leibeigenen. Die Familie war keineswegs reich, aber auch nicht arm. Allerdings machte sie ihren mittelmäßigen Status durch ein Verhalten wett, das sogar nach den Bräuchen, die in den wilden Grenzgebieten des Russischen Reiches herrschten, ungewöhnlich war. Diese vielköpfige Sippe polnischer Herkunft hatte sich, wie alle Adelsfamilien, eine zweifelhafte Genealogie ausgedacht. Je unbedeutender der Adel, desto grandioser war in der Regel die vorgebliche Herkunft. So behaupteten die Potemkins, von Telesin, dem Fürsten eines italienischen Stammes, der um 100 v.Chr. Rom bedrohte, und von Istok, einem dalmatinischen Fürsten des elften Jahrhunderts n. Chr., abzustammen. Nach Jahrhunderten unerklärter Vergessenheit seien diese königlichen Italodalmatiner plötzlich bei Smolensk mit dem alles andere als lateinischen Namen »Potemkin« oder dem polonisierten »Potempski« aufgetaucht.

Die Familie verstand sich darauf, zwischen den Zaren des Moskauer Staates und den Königen von Polen zu lavieren, denn sie erhielt von beiden Grundstücke in der Gegend von Smolensk. Der Familienpatriarch war Hans Tarassy (angeblich eine Version von Telesin) Potemkin. Er hatte zwei Söhne, Iwan und Illarion, von denen die beiden Zweige der Familie ausgingen. Grigori gehörte zu der Linie des jüngeren Illarion. Beide Seiten konnten Offiziere und Höflinge der mittleren Ränge vorweisen. Seit der Zeit von Potemkins Urgroßvater diente die Familie ausschließlich Moskau, das die traditionellen Kiewer Gebiete allmählich vom Staatenbund Polen-Litauen zurückeroberte.

Die Potemkins wurden Säulen des miteinander verschwägerten Adels von Smolensk, der eine eigene polnische Identität besaß. Während der russische Adel als dworjanstwo bezeichnet wurde, nannten die Smolensker Aristokraten sich immer noch szlachta wie ihre Angehörigen in Polen. Heutzutage scheint Smolensk tief in Russland eingebettet zu sein, doch zur Zeit von Potemkins Geburt war es noch ein Teil des Grenzlandes. Das Russische Reich erstreckte sich 1739 von Smolensk ostwärts über Sibirien bis hin zur chinesischen Grenze und von der Ostsee im Norden zu den Ausläufern des Kaukasus im Süden, aber es war erst 1654 von Zar Alexej, dem Vater Peters des Großen, erobert worden, und der Ortsadel blieb kulturell mit Polen verbunden. Deshalb bestätigte Zar Alexej die Adelsprivilegien, gestattete dem Smolensker Regiment, seine Offiziere selbst zu wählen (die ihre polnischen Verbindungen allerdings aufgeben mussten), und verfügte, dass die nächste Generation nicht polnische, sondern russische Frauen zu heiraten habe. Potemkins Vater könnte daheim die bauschige Hose und die lange Jacke der Einheimischen getragen und Polnisch gesprochen haben, doch außer Haus gab er der eher teutonischen Uniform des russischen Armeeoffiziers den Vorzug. Potemkin wurde also in einer halb polnischen Umgebung erzogen und ererbte viel engere Beziehungen zu Polen als die meisten russischen Adligen. Dies gewann später an Bedeutung, denn er erwarb die polnische Staatsbürgerschaft, spielte mit dem Gedanken, den dortigen Thron zu besteigen, und hielt sich anscheinend manchmal für einen Polen.

Potemkins einziger berühmter Ahne (wenn auch ein Nachfahre von Iwans Seite) war Pjotr Iwanowitsch Potemkin, ein begabter Militärbefehlshaber und späterer Gesandter von Zar Alexej und dessen Nachfolger Fjodor, dem Vater und Bruder Peters des Großen. Dieser frühere Potemkin könnte am besten als transeuropäische Ein-Mann-Katastrophe der Diplomatie bezeichnet werden.

1667 reiste der hochgestellte Höfling (im Rang eines okolnitschi) als erster Gesandter Russlands nach Spanien und Frankreich und später, im Jahre 1680, als Sonderbeauftragter in viele europäische Hauptstädte. Er scheute keine Mühe, dafür zu sorgen, dass das Prestige seines Gebieters in einer Welt geschützt wurde, in der man den Moskauer Herrscher noch als Barbaren betrachtete. Die Russen waren ihrerseits fremdenfeindlich und verachteten die nicht rechtgläubigen Westler, weil sie nicht besser als Türken seien. In einer Zeit, da alle Monarchen äußerst sensibel mit Titeln und Etikette umgingen, meinten die Russen, doppelt darauf achten zu müssen.

In Madrid forderte der bärtige, mit einer schweren Robe angetane Gesandte, dass der spanische König bei jeder Erwähnung des Zarennamens das Haupt entblößte. Als der König einmal seine Kopfbedeckung aufbehielt, verlangte Pjotr Potemkin eine Erklärung. Es kam zu Streitigkeiten, da die Spanier die Titel des Zaren in Frage stellten und sie sogar in der falschen Reihenfolge aufführten. Auf der Rückfahrt nach Paris wurde er wieder wegen der Titel in Auseinandersetzungen verwickelt, hätte fast eine Schlägerei mit einem Zollbeamten vom Zaun gebrochen, weigerte sich, Zoll für seine mit Juwelen besetzten Ikonen und seine mit Diamanten übersäten Moskauer Gewänder zu zahlen, behauptete, übervorteilt zu werden, und nannte seine Widersacher »dreckige Heiden« und »verfluchte Hunde«. Doch Ludwig XIV. lag daran, die neue europäische Macht zu beschwichtigen, weshalb er sich persönlich für die Missverständnisse entschuldigte.

Die zweite Pariser Mission des Gesandten war ebenfalls von seiner schlechten Laune geprägt, doch dann stieß er nach London in See, wo er von Karl II. empfangen wurde. Dies war offenbar die einzige Audienz in seiner Diplomatenkarriere, die nicht mit einer Farce endete. Als er Kopenhagen besuchte und den dänischen König krank im Bett vorfand, ließ Pjotr Potemkin eine Couch herbeibringen, damit er sich neben dem König hinlegen und gleichberechtigt mit ihm verhandeln konnte. Während seiner Abwesenheit aus Russland starb Zar Fjodor, und Potemkin wurde wegen seiner Übereifrigkeit heftig von der Regentin Sofia gemaßregelt.[4] Die Griesgrämigkeit schien übrigens beide Familienzweige zu kennzeichnen.

Grigori Potemkins Vater Alexander Wassiljewitsch war einer jener einfältigen Militärexzentriker, durch die das Leben in den Provinzgarnisonen des achtzehnten Jahrhunderts sowohl ermüdend als auch pittoresk geworden sein muss. Dieser frühe russische Erzkonservative war nahezu wahnsinnig, ständig empört und von unbekümmerter Impulsivität. Der junge Alexander diente während des gesamten Großen Nordischen Krieges im Heer Peters des Großen und kämpfte 1709 in der Entscheidungsschlacht von Poltawa, in der Peter den schwedischen Angreifer Karl XII. besiegte, wodurch er seine neue Stadt St. Petersburg sicherte und den Zugang Russlands zur Ostsee gewährleistete. Danach nahm Alexander an der Belagerung von Riga teil, half, vier schwedische Fregatten zu kapern, wurde ausgezeichnet und später an der linken Körperseite verwundet.

Nach dem Krieg musste der Veteran als Militärbürokrat dienen, das heißt, er führte lästige Volkszählungen in den fernen Provinzen Kasan und Astrachan durch und befehligte kleine Garnisonen. Nicht viele Details seines Charakters und seiner Karriere sind uns bekannt, aber wir wissen, dass er wegen der ihn quälenden Wunden den Antrag stellte, in den Ruhestand treten zu dürfen. Er wurde vor einen Ausschuss des Kriegskollegiums gerufen, und man wies ihn dem Brauch entsprechend an, seine Uniform auszuziehen und seine Narben vorzuzeigen. Da entdeckte er, dass eines der Ausschussmitglieder als Unteroffizier in einer seiner Einheiten gedient hatte. Sogleich knöpfte er seine Kleidung wieder zu und zeigte auf den Mann: »Was? ER soll MICH untersuchen? Das kann ich NICHT dulden. Dann bleibe ich lieber im Dienst, wie schlimm meine Verletzungen auch sein mögen!« Damit stürmte er hinaus und leistete zwei weitere langweilige Jahre ab. Schließlich trat er 1739, im Jahr der Geburt seines Sohnes, als kränklicher Oberstleutnant in den Ruhestand.

Der alte Alexander Potemkin hatte bereits einen Ruf als Haustyrann. Seine erste Frau lebte noch, als er Daria Skuratowa – wahrscheinlich auf dem Gut der Familie ihres Mannes bei Tschishowo – entdeckte. Als Daria Wassiljewna Kondyrewa geboren, war sie mit zwanzig Jahren bereits die Witwe des früheren Besitzers Skuratow. Oberstleutnant Potemkin heiratete sie vom Fleck weg. Keiner der beiden alternden Ehemänner war sehr anregend für eine...

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