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Kauf-Instinkt

Mit einem einfachen Modell des Konsumverhaltens zu zielsicheren Marketingstrategien

AutorIngo Hamm
VerlagSchäffer-Poeschel Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl226 Seiten
ISBN9783791045405
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,99 EUR
Menschen wird selten bewusst, warum sie Dinge kaufen. 'Kauf-Instinkt' nimmt die Motive von Kunden unter die Lupe und bietet ein sehr eingängiges, visuelles Schema an, um Konsumverhalten nachzuvollziehen. Der Ansatz: drei Konsumtriebe - Vergleich, Zugehörigkeit und Entwicklung - steuern automatisch das gesamte Kaufverhalten. Damit gibt der Autor Unternehmen ein Schema an die Hand, Marketingstrategien an aktuellen Trends auszurichten und mit gesellschaftlich besser akzeptierten Angeboten neue Wege zu gehen. Das Buch regt zum Nachdenken über ein neues, sozialverträglicheres Verständnis von Konsumverhalten an.

Prof. Dr. Ingo Hamm lehrt Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt und leitet dort den Schwerpunkt Markt, Konsumenten und Medien. Neben seiner Tätigkeit als engagierter Forscher und Hochschullehrer berät Hamm Organisationen bei der Optimierung ihrer Markenstrategie und Kommunikation.

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Leseprobe

2 Der Konsument, das soziale Wesen


Spricht man vom Menschen im Kontext von Konsum oder ganz allgemein vom ökonomischen Verhalten, so gibt es viele Erklärungsansätze, die in den letzten Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Psychologie intensiv erforscht wurden.11 So wurde die Rolle von Emotionen lange Zeit unterschätzt, man ging davon aus, dass Menschen recht rational Kaufentscheidungen treffen können und quasi mit internen »Berechnungen«, harten Überlegungen zu Kaufurteilen kommen. Auch kann man Einstellungen abgrenzen von Verhalten – gerade in Marketing und Marktforschung verlässt man sich immer noch häufig auf geäußerte Absichten von Menschen, obwohl Konsumenten in der Realität nicht selten entgegen ihrer eigenen Annahmen oder Überzeugungen handeln, oft ja auch automatisch und unbewusst, nach Instinkt bzw. Heuristiken. Ebenso intensiv wurde erforscht, wie verschiedene Typen von Menschen unterschiedlich konsumieren.

Am meisten wurde in der angewandten Markt- und Werbepsychologie die Informationsverarbeitung erforscht,12 nicht nur im Sinne von rationalen Denkweisen, sondern auch umfassend die emotionalen Einflüsse und auch die Diskrepanzen zwischen geäußerten Einstellungen und tatsächlichem Verhalten. Intensiv konnten verschiedenste Ableitungen getroffen werden, wie man Werbung – und ganz allgemein kaufrelevante Information – gestalten muss, damit sie wirken.

Im Großteil der gängigen Literatur für dieses Themenfeld überwiegen jedoch psychologische Theorien und Untersuchungen, die einige Aspekte nicht genügend berücksichtigen, die heutzutage sehr relevant geworden sind: Menschliches Verhalten ganz allgemein und speziell Konsumverhalten scheint überwiegend sehr irrational und automatisch zu verlaufen und »inneren Programmierungen« zu folgen, eben den Heuristiken. Aber Heuristiken allein reichen nicht aus, denn sie beschreiben das Verhalten von quasi isolierten Individuen, die ähnlich wie Computerprogramme vor einem Problem stehen und dies dann selbstständig, ohne Eingriff von außen, angehen und lösen. Aber Menschen sind selten allein, sie leben und verhalten sich meist in sehr komplexen sozialen Gefügen. Diese sind gerade heutzutage nicht mehr nur durch bloßes Zusammensein, durch mündliche Kommunikation geprägt, sondern ganze Medienlandschaften bilden abstrakte soziale Netzwerke, die ohne körperliche Anwesenheit funktionieren. Um diese Komplexität besser zu berücksichtigen, kann man eine psychologische Theorie zur Hilfe nehmen, die wesentlich genauer das menschliche Verhalten im sozialen, gesellschaftlichen Kontext betrachtet: das Selbstkonzept, oder auch Selbstbild genannt. Was versteht man darunter und was hat dies mit Konsum zu tun?

2.1 Das Selbstkonzept – das soziale Ich


Sieht man einmal von der Biologie ab, so gibt es zahlreiche Theorien aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, was den Menschen ausmacht, ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Eine wesentliche Vorstellung davon dreht sich um das Bewusstsein – das Wissen, dass es einen gibt, dass man sich selbst fühlt, spürt, sich selbst wahrnimmt. Dieses Bewusstsein ist zwar nicht unbedingt eine Eigenschaft, die nur Menschen haben, denn auch einigen höheren Tieren sagt man eine Wahrnehmung der eigenen Existenz nach. Lässt man etwa einen Menschenaffen in einen Spiegel schauen, so wird er sich selbst erkennen, indem er bemerkt, dass die Bewegungen des Gegenübers im Spiegelbild seine eigenen sind. Diese Eigenschaft entwickelt sich übrigens bei Menschen auch erst nach ein paar Monaten, denn wenige Wochen alte Babys können sich noch nicht im Spiegel selbst erkennen, haben insofern noch nicht ein Bewusstsein über ihre Existenz.

Die philosophischen Diskussionen, was Bewusstsein ausmacht, wie es sich definiert, sind immens.13 Die psychologische Sicht auf die menschliche Eigenschaft namens Bewusstsein ist einfacher und intuitiver: Bewusstsein ist die Summe aller Wahrnehmungen der eigenen Person, über die eigene Person. Ein Mensch nimmt sich selber wahr, kann eigene Handlungen, das eigene Dasein benennen, erinnern, beschreiben, mehr oder weniger reflektieren. Daraus ergibt sich für jeden Menschen ganz individuell ein sogenanntes Selbstkonzept oder auch Selbstbild, bei dem ein Individuum sich selbst Eigenschaften zuschreibt, und vor allem eine Vermutung aufbaut, wie das Ich auf andere Menschen wirkt. Unter normalen Bedingungen ist ein Selbstbild sehr langlebig und stabil, da es sich über Jahre, ja letztlich ein Leben lang, von der Kindheit an, kontinuierlich weiterentwickelt. Ein Selbstbild wird nicht »zwischendurch mal« komplett neu aufgebaut oder komplett gedreht; ein Selbstbild entsteht quasi Stein für Stein, und so baut sich kontinuierlich ein äußerst stabiles Gedankengebäude auf, wer und was man zu sein glaubt. Und dieses Gedankengebäude dient dazu, einen Menschen ein Leben lang unbewusst zu leiten und ihm zu helfen, im Alltag soziale Situationen automatisch zu bewältigen (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Struktur des Selbstkonzepts

Bewusst und unbewusst

Ein Selbstbild entsteht und funktioniert auf zwei Arten: unbewusst und bewusst, und »unbewusst« meint hier nicht nur automatisch, sondern tatsächlich das Unvermögen, einen Großteil der Entstehung eines Selbstbildes zu fühlen, zu bemerken, zu reflektieren. Denn auf der unbewussten Ebene werden im Alltag unaufhörlich vom Gehirn eigene Handlungen wahrgenommen und die Art und Weise unseres Verhaltens und dessen Wirkung unmerklich zum Großen und Ganzen des Selbstbilds hinzugefügt. Somit entsteht kontinuierlich eine innere Vorstellung über die eigene Person, bezüglich aller denkbaren Charaktereigenschaften, Vorlieben, Neigungen, Wertvorstellungen, aber auch Wirkungen auf andere Menschen. Selbst über das eigene Erscheinen, Aussehen, die Stimme, Sprache und Gestik etc. bildet sich eine innere Vorstellung.

Es gibt auch eine bewusste Ebene, auf der Menschen ein Selbstbild erstellen oder vervollständigen können. Dies erfordert, sich gedanklich auf die eigene Person zu fokussieren, zu konzentrieren. So kann man sich selbst betrachten, sich selbst bei Bewegungen beobachten, und schließlich über sein eigenes Denken nachdenken. Diese aktive, bewusste Ebene tritt vor allem in solchen Situationen in den Vordergrund, wenn man von anderen Menschen Feedback zum eigenen Auftreten bekommt. Dies ist nicht selten für die Psyche ein ungewohnter und unbequemer Prozess, denn solche Rückmeldungen zum Verhalten können positiv, zum Selbstkonzept passend sein und einen in positive Stimmung versetzen. Sie können aber – und das ist in unserer heutigen Zeit leider häufiger der Fall – Kritik beinhalten, Rückmeldungen, was man hätte anders oder besser machen können. In einer Leistungsgesellschaft, bei der Alltag und überhaupt Lebenskonzepte ganz fundamental durch Arbeit bzw. im Wirtschaftsleben definiert werden, muss das Selbstbild viel aushalten, was die Rückmeldung zum Arbeitsverhalten angeht, was das Sich-Einfügen in ein Wirtschaftssystem betrifft, in dem Individuen effektiv und effizient sein sollen, funktionieren müssen, ständig produktiv sein und etwas Wertvolles oder Nützliches erschaffen müssen.

Selbstbild und Fremdbild

Dieses Selbstbild ist ein sehr subjektives Vorstellungsbild, das selten aktiv von einer Person selbst reflektiert oder gar mühelos beschrieben werden kann. Auch stimmt dies oft nicht mit dem Fremdbild überein, das andere Menschen über einen haben. So kann es vorkommen, dass alltägliche eigene Handlungen, die auf Fotos oder Videos aufgezeichnet werden, einem seltsam fremd erscheinen, wenn man diese unvorbereitet vorgespielt bekommt.

Positives Feedback hat es sicher am einfachsten, wahrgenommen und verarbeitet zu werden, denn dieses wird sehr wahrscheinlich das Selbstbild stützen und helfen, es weiter zu festigen oder auch vielleicht in Facetten weiter zu detaillieren. Interessant wird es aber, wenn solche Rückmeldungen nicht zum vorhandenen Selbstbild passen. Dann greift der Mensch auf ein ausgefeiltes Repertoire von Verhaltensweisen zurück, wie das entsprechende Feedback verarbeitet wird. Ist das Feedback im starken Widerspruch zum Selbstbild, so wird man zunächst einmal – bewusst oder unbewusst – negativ darauf reagieren. Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der Überzeugung, wie man ist und dem Feedback von außen, wie man erscheint. Jeder Mensch ist bestrebt, solche Widersprüche zu lösen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies versucht man meist unbewusst zu verhindern.

Eine Möglichkeit besteht darin, sich aktiv mit inneren Spannungen, sich widersprechenden Gedanken, Gefühlen, Zielen auseinanderzusetzen und eine Problemlösung zu suchen. Ist etwa ein Feedback von einer anderen Person zum eigenen Verhalten nur leicht negativ – man könnte das umgangssprachlich als...

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