2 Ein Thema, x Meinungen
Wie es aussieht, haben Sie sich dazu entschlossen, Ihr Kind betreuen zu lassen oder spielen zumindest mit dem Gedanken, dies zu tun. Ich gratuliere Ihnen und heiße Sie hiermit herzlich willkommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und zahllosen Meinungen. Glauben Sie mir – langweilig wird es Ihnen hier nicht!
Wenn Sie nicht bereits heute eine gewisse Unsicherheit verspüren, welche Betreuung zu welchem Zeitpunkt für Ihr Kind die richtige ist, wird Ihr Kopf spätestens dann anfangen zu rauchen, sobald Sie mit ein paar Menschen über Kinderbetreuung gesprochen, einige Einrichtungen besucht und eine Talkshow zum Thema im Fernsehen verfolgt haben.
Warum ist die richtige Fürsorge für unsere Kinder hierzulande so heftig umstritten und scheinbar eine komplizierte Sache? Der Grund ist recht schlicht: Es gibt unterschiedliche Interessen, die nicht ohne Weiteres zusammenpassen. Politiker, Unternehmensvertreter, Wissenschaftler, Experten, Ideologen – sie alle wollen mitgestalten (oder zumindest mitmischen) und verfolgen dabei handfeste Ziele, angetrieben von wahlweise ökonomischen, bildungspolitischen, wertebasierten oder aufklärerischen Motiven. Und dann gibt es noch die, um die es eigentlich geht: Sie – die Eltern und Ihr Kind. Wer sind eigentlich Ihre Interessensvertreter? Mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht die oben genannten. Nein – das sind Sie!
Niemand anderes kennt Ihre familiären Bedürfnisse und die jedes einzelnen Familienmitglieds besser als Sie selbst und niemand kann Ihnen vorschreiben, wie Sie das mit der Betreuung zu machen haben. Sie bestimmen was gut ist für Ihre Familie. Das ist zunächst leichter gesagt als getan – inmitten dieses Meinungswirrwarrs muss man erst einmal zur Besinnung kommen und außerdem fällt das Angebot an Betreuungsmöglichkeiten von Bundesland zu Bundesland und von Stadt zu Land sehr unterschiedlich aus (und ist damit in der Realität oft recht übersichtlich bis gar nicht vorhanden). Wie soll man da die persönlichen Interessen durchsetzen? Wenn man sie denn überhaupt kennt ...
2.1 Erste Berührung mit der Fremdbetreuung
Am Anfang gibt es nur Sie und Ihr Baby. Ihr Kind wird ausschließlich von Ihnen (und Ihrem Partner) betreut – und das rund um die Uhr. Sie geben es höchstens mal für ein paar Minuten aus der Hand, wenn Oma, Onkel oder Freundin das Kleine auch mal halten wollen. Ansonsten ist Fremdbetreuung für Sie noch ein recht abstrakter Begriff – der Einstieg in den Job liegt in (mehr oder weniger) ferner Zukunft und damit auch die außerfamiliäre Betreuung Ihres Kindes.
Aber irgendwann ist es dann soweit – vielleicht haben Sie eine Einladung von einem guten Freund zu seinem 40. Geburtstag erhalten – es soll eine große Party geben. Sie möchten gerne zusammen mit ihrem Partner feiern – nur wer soll auf ihr Baby aufpassen bzw. können Sie das Kleine überhaupt schon in fremde Hände geben? Die erste Berührung mit der Fremdbetreuung steht bevor.
2.1.1 Das erste Mal fremdgeben
Ich kann mich noch gut erinnern als vor ein paar Jahren ein befreundetes Pärchen bei uns zu Besuch war. Sie hatten ihre kleine Tochter das erste Mal bei den Großeltern abgegeben, um einmal ausgehen zu können – wir waren damals noch kinderlos. Die beiden telefonierten über den Abend verteilt gefühlt zehnmal mit den Großeltern und mein Mann und ich machten uns im Anschluss ausgiebig lustig über die beiden. Wie kann man so ein Theater veranstalten, wenn man ein paar Stunden aus dem Haus geht, wohl wissend, dass die Kinder in guten Händen sind. So etwas würden wir als Eltern niemals tun!
Vieles kann man sich wirklich erst dann vorstellen bzw. nachempfinden, wenn man Kinder hat. Das eigene Kind das erste Mal in die Obhut eines anderen Menschen zu geben – das ist für die meisten Eltern ein großes Ding. Man will es auf der einen Seite (wer von uns Eltern lechzt nicht nach jedem bisschen kinderfreie Zeit…) und auf der anderen Seite widerstrebt es besonders dem mütterlichen Instinkt, ein kleines Kind in andere Hände zu geben. Den meisten Müttern fällt es sogar schwer, ihr Baby für ein paar Stunden ihrem Partner und Kindsvater anzuvertrauen. Zumindest die ersten Male. Und wie ist es erst dann, wenn man keine Großeltern parat hat? Das Augäpfelchen einem fremden Babysitter anvertrauen? Und wie soll man zu einem Babysitter überhaupt Vertrauen fassen?
Nicht nur Kindern fällt es schwer, sich von ihren Eltern zu trennen – auch Eltern müssen erst einmal lernen, ohne Kind zu sein. Das braucht Zeit. Je mehr man geübt ist und erfahren hat, dass das mit dem Babysitten gut klappt, desto vorstellbarer wird es, das eigene Kind regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg von anderen betreuen zu lassen.
Trotzdem ist und bleibt die Fremdbetreuung für Eltern ein hochemotionales Thema. Warum, das erfahren Sie später im Abschnitt ? „Als wir noch auf den Bäumen saßen“, wenn ich vom Ursprung der Kinderbetreuung erzähle.
Ulrike, 31
Das erste Mal fremdgeben war gar nicht so einfach
Holger und ich haben uns viele Babysitter angeschaut, bevor wir uns für einen entschieden haben. Jana war Studentin, Mitte zwanzig, hatte schon als Au-Pair gearbeitet und das Wichtigste: Sie wirkte sehr sympathisch. Das fand auch unser Anton, damals gerade sechs Monate alt. Er lächelte sie an und ließ sich ohne mit der Wimper zu zucken von ihr in den Arm nehmen. Sie kam dann zweimal zur „Eingewöhnung“ – einfach damit sich Anton und Jana richtig kennen lernen. Das dritte Mal ließen wir die beiden für zwei Stunden am Nachmittag alleine. Ich wunderte mich, warum Holger für seine Verhältnisse so cool war. Eigentlich war ihm gar nicht wohl bei dem Gedanken, Anton mit jemand „fremdem“ allein zu lassen. Wir gingen in eine Ausstellung und als wir zurückkamen, wurde Anton gerade von Jana gewickelt. Er machte einen zufriedenen Eindruck. Als Jana gegangen war, eröffnete Holger mir, dass er im Wohnzimmer eine kleine Kamera versteckt hatte, um die beiden, in der Zeit, in der wir unterwegs waren, zu filmen. Das war natürlich ein Unding! Naja – ich war zugegebenermaßen trotzdem gespannt zu erfahren, wie es Anton mit Jana ergangen ist. Wir schauten uns gleich das Filmmaterial an. Es gab nichts zu beanstanden – Glück gehabt! Ich weiß auch nicht was wir getan hätten, wäre etwas Unerfreuliches zu sehen gewesen. Wahrscheinlich einfach unter irgendeinem Vorwand kündigen. Das war auf jeden Fall das erste und letzte Mal, dass wir Jana und Anton „überwacht“ haben. Wir haben es Jana mittlerweile auch gebeichtet. Sie betreut Anton jetzt schon seit über einem Jahr regelmäßig einmal die Woche.
2.1.2 Planänderungen zulassen
Wenn es um eine regelmäßige Betreuung Ihres Kindes geht, dann haben Sie wahrscheinlich schon früh darüber nachgedacht, wie Sie das am geschicktesten anstellen. Vielleicht stand Ihr Kind bereits auf diversen Kita-Wartelisten, noch bevor es überhaupt auf der Welt war. Auch mit dem genauen Zeitpunkt Ihres Wiedereinstiegs in den Job haben Sie sich mit Sicherheit ausführlich beschäftigt und diesen wohlüberlegt festgelegt. Die Realität mit Kind lässt aber so manchen Plan schlecht aussehen. Vielleicht haben Sie sich ausgemalt, dass Sie sich ein Jahr voll und ganz Ihrem Kind widmen, bevor Sie wieder in den Job einsteigen. Im Alltag mit Kind merken Sie aber, dass Ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und dass Ihnen die Arbeit wahnsinnig fehlt. Solche Empfindungen werden dann noch einmal verstärkt, wenn...