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E-Book

Kleine Panik

Unseren Alltagsängsten auf den Grund gegangen

AutorJuliane Gringer
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641214975
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Angst ist ein fester Bestandteil des menschlichen Wesens. Wir alle empfinden sie und sorgen uns: um unsere Gesundheit, um die Menschen, die uns nahe stehen, um große Themen wie Terror und kleine Themen im Alltag wie die Maus im Keller. In diesem unterhaltsamen und klug erzählten Sachbuch stellt sich Juliane Gringer all ihren Alltagsängsten und geht ihnen - und seien sie noch so absonderlich - auf den Grund. Sie befragt Experten aus allen Winkeln der Republik - Ärzte, Wissenschaftler, Praktiker -, besucht 'Tatorte' und überzeugt sich davon, dass das Leben doch nicht ganz so gefährlich ist, wie viele von uns glauben. Oder vielleicht doch?

Juliane Gringer hat Journalismus und Psychologie in Leipzig studiert und schrieb u.a. für Brigitte, Elle, Handelsblatt, Neon, Neue Zürcher Zeitung und die taz. Sie ist außerdem Autorin zahlreicher Sachbücher und lebt als freie Journalistin und Mutter von zwei Kindern im ziemlich ungefährlichen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

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Leseprobe

7:35 Uhr

Schreck und blauer Fleck

Nächste Station: Zähneputzen. Der Becher mit den Bürsten ist übervoll. Eine kleine, feine Auswahl mit verschiedenen Motivbürsten für jede Stimmung: Fred entscheidet sich heute zielsicher für »die blaue Snoopy«, während Ruby noch schwankt zwischen »Prinzessin« und »Rabe Socke«. Sie wählt schließlich den Raben. Dazu will sie das rote Zahngel mit Erdbeer-Himbeer-Geschmack, Fred ist in diesem Punkt unkompliziert: Er hat nur eine Zahnpasta, da ist er Purist. Seine Sorte ist ein extra »Junior-Produkt«, das für Kinder ab sechs Jahren gedacht ist. »Wirksamer Kariesschutz während des Zahnwechsels für die neuen bleibenden Zähne« steht auf der Packung und: »Durch den altersgerechten Fluoridgehalt (1440 ppm) werden die neuen, bleibenden Zähne gestärkt und vor Karies geschützt.« Jedes Mal, wenn ich das mit dem Fluorid lese, wird mir etwas flau. Das macht doch die Knochen hart! Hab ich mal irgendwo gelesen. Wir putzen uns täglich alle brav die Beißerchen und schaufeln uns dabei selbst das Grab. Etwas vorsichtiger ausgedrückt, ignorieren wir dabei die Gefahr, dass sich das Fluorid in der Zahnpasta im Körper anlagern kann. Ich zögere ganz kurz, bevor ich die weiße Paste auf die Snoopy-Bürste quetsche und mache es dann doch – putzen ist ja in jedem Fall besser als nicht putzen, oder?

Ich habe mal von einer Frau gelesen, die eine schräge Art des Teegenusses pflegte: Sie bereitete angeblich jeden Tag literweise Schwarztee zu, für den sie 100 bis 150 Beutel in die Kanne hängte. Das klingt erfunden oder bescheuert oder beides, und ich frage mich, wie groß die Kanne sein soll, in die 100 Teebeutel passen. Aber egal, was sie gemacht hat: Irgendwann wurde sie wohl in einer Klinik untersucht, weil sie Rückenschmerzen hatte und ihre Zähne zerbröckelt waren. Die Ärzte kamen nach langer Suche darauf, dass der Tee schuld sein muss, denn schwarzer Tee enthält auch Fluorid. Okay, vielleicht hat diese durstige Frau es einfach übertrieben, und die Kombination aus Dosis und Dauer der »Einnahme« war hier das Problem. Aber Mundhygiene ist ja per se einfach ein Dauerbrenner, die zieht man ja idealerweise sein Leben lang durch und betreibt sie sehr intensiv und regelmäßig. Schmiere ich meinem Sohn also gerade in diesem Moment doch ein ernst zu nehmendes langfristiges Risiko auf die Bürste? Weil das Fluorid darin seine Knochen auflöst und seine Zähne nicht schützt, sondern sie in Wirklichkeit heimtückisch zerfrisst?

Laut Empfehlung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA sollten wir täglich höchstens 0,05 Milligramm Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht zu uns nehmen, egal aus welcher Quelle.

In den USA steckt Fluorid im Leitungswasser, seit man dort beobachtet hatte, dass die Menschen in Gebieten, in denen das Trinkwasser fluoridhaltig war, deutlich weniger Karies hatten. In Deutschland setzte man dagegen auf fluoridhaltige Produkte wie Zahnpasta oder Mundspülungen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht keinen Grund zur Sorge vor Überdosierung, denn es sei davon auszugehen, dass normalerweise kein schädigender Level erreicht werden kann. Um ernsthaft Schaden zu nehmen, müsste man nämlich 10 bis 25 Milligramm pro Tag konsumieren und das über mindestens zehn Jahre hinweg. In einer Paste für Erwachsene stecken jedoch nicht mehr als 0,15 Prozent. Man darf also nur eins nicht tun: Das Zeug in großen Mengen essen. Und man sollte es am Ende des Putzvorgangs immer ausspucken. Ich halte das für machbar. Und das Zeug nützt ja auch wirklich was: Es hilft dabei, Karies vorzubeugen.

Eine amerikanische Studie hat aber gezeigt, dass eine Gruppe mit Fluorid besonders vorsichtig umgehen sollte, nämlich schwangere Frauen. Bei der Untersuchung an 1000 Schwangeren aus Mexiko kam heraus, dass die Intelligenz ihrer Kinder niedriger war, wenn sie viel Fluorid aufnahmen. Genauer gesagt: Der Fluoridspiegel im Urin der Mütter wurde gemessen und dann wurden vier sowie sechs bis zwölf Jahre nach der Geburt psychologische Tests mit den Kindern gemacht. So hat man auch schon überprüft, welche Auswirkungen Quecksilber oder Weichmacher auf Föten haben. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft viel Fluorid im Urin hatten, einen niedrigeren Intelligenzquotienten hatten: Bei ihnen wurden sechs IQ-Punkte weniger gemessen als bei denen, deren Mütter den niedrigsten Spiegel hatten. Die untersuchten Schwangeren lebten in Regionen, in denen besonders viel Fluorid im Trinkwasser steckt. In vielen Ländern weltweit wird es dem Wasser zugesetzt. So kann man dort kaum vermeiden, recht viel von dem Stoff zu sich zu nehmen – hierzulande wäre das deutlich schwerer. In Deutschland kann man demnach unbesorgt mit Fluorid die Zähne putzen, auch während einer Schwangerschaft.

Trotzdem hasse ich solche Studien dafür, dass sie für mich »zu spät« kommen: Meine Schwangerschaften liegen hinter mir, und natürlich habe ich mir beide Male die ganze Zeit mit fluoridhaltiger Zahnpasta die Zähne geputzt. Es wird einem ja auch eingebläut, dass in der Schwangerschaft Zahnpflege besonders wichtig ist. Das Gefühl, dass mein fleißiges Zähneputzen meine Kinder doofer gemacht haben könnte, ist nicht schön. Vielleicht konnte ich es ja durch den reichlichen Konsum von Biogemüse wieder etwas wettmachen? Egal wie – wenn es vielleicht doch ein Risiko geben sollte, dann ist es jetzt trotzdem zu spät. Mir tun aber die Studienteilnehmerinnen dafür leid, dass sie nun genau wissen, dass ihre Kinder doofer sind als jene, deren Mütter anderes Wasser getrunken haben. Wenn schon so ein Mist passiert, dann soll er lieber geheim bleiben, finde ich.

Bei dem Stichwort gesundheitliche Risiken fällt mir ein, dass ich für Ruby auch noch einen Termin für die nächste Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt machen muss. Und ich selbst muss mal wieder zum Hautarzt, für den jährlichen Check meiner Leberflecken. Das nehme ich ernst und gehe wirklich regelmäßig hin. Ich mag das, ich stehe auf Prävention.

Dirk ruft mir aus dem Flur etwas zu. Ich stecke den Kopf in den Flur und rufe »WAS?« zurück. In Elternlautstärke, denn man weiß nie, ob gerade jetzt vielleicht die Kinder etwas Dringendes zu sagen haben, dazwischenreden und ich wieder nichts verstehe. Tatsächlich ist hinter mir im Badezimmer zwischen Fred und Ruby gerade eine lebhafte Diskussion darüber entbrannt, wer von beiden heute Nachmittag wohl mehr Fernsehen gucken darf. Und schon geht es los: »MAMA, RUBY SAGT …« – »Moment bitte«, unterbreche ich Fred und halte den Kopf weiter aus der Tür heraus, um eine Chance zu haben, Dirk zu verstehen. Der Pegel meines »WAS?« hat ihm zum Glück signalisiert, dass er ebenso laut antworten sollte, um eine Chance zu haben, zu mir durchzudringen: »ICH MUSS LOS!«, »JA, TSCHÜSS!«, »BIS HEUTE ABEND!«, »JA, BIS DANN

Ich höre noch die Wohnungstür klappen und schaue auf die Uhr: Den Kindern und mir bleiben auch nur noch rund fünf Minuten, um die Wohnung pünktlich zu verlassen. Bei Fred klingelt es in der Schule um 8 Uhr zur ersten Stunde und spätestens um 8:10 Uhr müssen wir in Rubys Kita sein, denn um 8:15 Uhr beginnt dort das (für die Kinder zweite) Frühstück. Fred und Ruby sind fertig mit Zähneputzen und daher startbereit. Sie sind nur noch nicht angezogen – und der Aufwand dafür ist schwer kalkulierbar. Aber es lief bis jetzt so gut, dass ich mich todesmutig für ein egoistisches Moment entscheide und rufe: »Alle ab in die Garderobe und schwuppwupp anziehen! Ich bin gleich da, ich schminke mich noch kurz!« Und schwuppwupp, bin ich selbst schon um die Ecke und eile zum Gästebad, wo mein Make-up-Kram vor einem beleuchteten Spiegel deponiert ist. Das Basicprogramm aus Grundierung, Rouge und Mascara schaffe ich in knapp zwei Minuten – die müssen jetzt einfach noch drin sein, sonst werde ich mich den ganzen Tag darüber ärgern, dass ich so müde aussehe wie eine echte Mutter.

Die zwei Schminkminuten einzuhalten ist jedoch gar nicht so leicht, weil die Kinder nun aus der Ferne ständig äußerst wichtige und hochaktuell brennende Fragen stellen: »Wann ist wieder Ostern?« zum Beispiel oder: »Sind hier in der Haferflockendose so viele Haferflocken, wie es Menschen auf der Welt gibt?« Ich höre Stühle rücken – sie sind also zumindest schon mal vom Frühstückstisch aufgestanden. »Ab in die Garderobe, zieht euch an – bitte schnell«, unterstreiche ich deshalb noch einmal deutlich mein Anliegen.

Ich greife zur Mascarabürste und tusche schnell meine Wimpern – als es nebenan plötzlich gewaltig rumst. Gefolgt von einem herzzerreißenden Weinen von Ruby, noch schlimmer als heute Nacht. Mein Herz rast sofort los. Ich auch. Mit Kurs auf die Küche, in der ich das Schreien zielsicher orte.

Dort finde ich Ruby auf dem Boden – sie sitzt unter der Klappe des Geschirrspülers, die auf sie runtergekracht ist. Die Geschirrspülertür ist seit einigen Wochen kaputt, dieses Zugsystem oder was auch immer die Tür beim Öffnen abbremst, ist gerissen, und seitdem muss man die Tür gut festhalten, wenn man sie öffnet, damit sie nicht einfach runterknallt. Wissen wir alle in der Familie, und ich habe oft genug daran erinnert, aber die arme Kleine hat es in diesem Moment offenbar vergessen. Und es ist auch sonst überhaupt nicht ihre Art, ihr Geschirr vom Tisch wegzubewegen – geschweige denn, etwas in den Geschirrspüler zu...

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