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E-Book

Kleiner Evangelischer Erwachsenenkatechismus

VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl495 Seiten
ISBN9783641165529
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Kompaktes Wissen und wertvolle Impulse für den persönlichen Glauben
Was glauben evangelische Christen eigentlich? In Zeiten, in denen religiöse Vielfalt viele misstrauisch und manchen Angst macht, sollten die, die sich zu den Nachfolgern des Nazareners zählen Auskunft geben können: über ihren Glauben und über die Konsequenzen, die dieser für ihr Leben und Handeln hat. Der Kleine Evangelische Erwachsenenkatechismus hilft, die eigene Position zu bestimmen. Auf ansprechend elementare Weise stellt er die Grundthemen des Christentums dar und lädt zur Auseinandersetzung mit ihnen ein.

Die Themen im Einzelnen: Gott, Mensch, Jesus Christus, Leben in der Welt: Ethik, Gott der Heilige Geist, Leben in der Kirche, Ziel aller Wege: Ewiges Leben.

  • Die Kerninhalte des evanglischen Christentums - kurz und übersichtlich erklärt
  • Verständlich geschrieben
  • Mit einem kleinen theologischen Lexikon

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Leseprobe

1.1 GOTT OFFENBART SICH

Wenn in Deutschland in Umfragen nach Gott gefragt wird, sind die Aussagen relativ stabil: Etwa 2/3 der Deutschen über 14 Jahre glauben an Gott (z. B. Emnid 2005). Allerdings sind die Unterschiede in Ost und West erheblich: So ist die Quote derer, die nach eigenen Angaben nicht an Gott glauben, in den östlichen Bundesländern mit ca. 75 % fast dreimal so hoch wie in den westlichen Bundesländern – mit stabiler Tendenz. Das zeigt: Viele Menschen wachsen auf mit Gott – und andere ganz selbstverständlich ohne Gottesbezug. Es handelt sich bei der Frage nach Gott um eine strittige Wirklichkeit.

Ich glaube an Gott ... Wer genauer nachfragt, stößt auf neue Fragen: Welcher Gott ist es eigentlich, der geglaubt wird? Manche reden davon, dass sie »ihren« Gott in der Natur finden, andere erleben Gott als personales Gegenüber, wieder andere als eine unbestimmte höhere Kraft. Das macht vorsichtig gegenüber schnellen Antworten auf die Frage: »Wer ist Gott?« Denn Menschen, die so fragen, sind heute in einer schwierigen Situation. Sie hören die unterschiedlichsten Antworten. Von Gott reden viele Religionen, aber auch viele religiöse Strömungen, die einen ganz neuen Zugang zu Erfahrungen mit Gott versprechen. Wie soll man entscheiden, wer Recht hat? Oder steckt in allen Religionen Wahrheit?

Christen sprechen von Gotteserfahrungen und gelebtem Glauben. Wie (und wo) kann Gott aber erfahren werden? Wie (und wo) wird er erkannt? Und wie verhalten sich glauben, erkennen und leben? Die Frage nach Gott hat viele Facetten. Es lohnt, ihr auf der Spur zu bleiben.

1.1.1 GOTT OFFENBART SICH

Der Begriff »Offenbarung« wird nicht nur als eine religiöse Beschreibung verwendet. »Es war eine Offenbarung«, sagt mancher begeistert nach einem vorzüglichen Essen, das alle Erwartungen überstiegen hat. Und manche Eigenschaft eines Menschen wird erst »offenbar«, wenn man sich intensiver kennt. Doch von Offenbarungen wird auch gesprochen, wenn es um Erfahrungen geht, die unsere alltägliche Wirklichkeit sprengen. Dann wird Offenbarung zu einem religiösen Begriff.

Vom christlichen Glauben kann man sagen: Er verdankt sich der Offenbarung Gottes. Dies ist ein steiler Satz. Er beschreibt bereits eine Glaubenseinsicht und will zunächst sagen: Gotteserkenntnis fällt dem Menschen zu, er kann sie nicht selbst herbeiführen. Gott muss sich selbst offenbaren, um unter Menschen offenbar zu werden. D. h.: Gott selbst ist das Subjekt der Gotteserkenntnis. Gottes Offenbarung ist daher die Selbsterschließung Gottes für den Menschen.

Wenn so von Offenbarung geredet wird, ist nicht in erster Linie ein übernatürliches Geschehen gemeint, sondern dass etwas, das bisher verborgen war, sich enthüllt. Auf einmal ist es da. Es erschließt sich, ähnlich wie ein schwieriges mathematisches Problem, über das man lange Zeit gegrübelt hat. Plötzlich ist die Lösung greifbar. Oder wie der Moment, in dem ein Kind Fahrrad fahren kann. Noch eben ist es immer umgekippt – und auf einmal fährt es und kann fahren: Das Fahrradfahren hat sich ihm erschlossen. Vergleichbares ist gemeint, wenn von der »Offenbarung« gesagt wird, sie sei ein Erschließungsgeschehen.

Wenn Gott sich offenbart, dann erschließt sich Gott selbst einem Menschen. Nicht der Mensch gibt den Anstoß dazu, sondern Gott selbst. Doch dazu braucht es keine übernatürlichen Phänomene. Ein Beispiel dafür ist der so genannte reformatorische Durchbruch bei Martin Luther. Dieser geschieht mitten im intensiven Bibelstudium. In der Vorrede zum ersten Band seiner Lateinischen Schriften (1545) beschreibt er, wie sich ihm »durch Gottes Erbarmen« der Begriff der »Gerechtigkeit Gottes« neu erschlossen hat, nämlich nicht als eine fordernde oder strafende Gerechtigkeit, sondern als eine, die Gott dem Menschen durch den Glauben schenkt: »Jetzt fühlte ich, ich sei ganz und gar neugeboren und durch die offenen Tore ins Paradies selbst eingetreten. Da zeigte sich mir sogleich ein anderes Gesicht der ganzen Schrift«.

An Luthers reformatorischer Entdeckung zeigt sich nicht nur, dass Gottes Offenbarung ohne Blitze vom Himmel auskommt, sondern auch, dass dort, wo sich Gott einem Menschen erschließt, sich zugleich auch ein neues und umfassendes Verständnis der Wirklichkeit und des eigenen Selbst eröffnet. Für Luther jedenfalls ist eine befreiende Einsicht damit verbunden, die sein ganzes Selbst- und Gotteskonzept auf den Kopf stellt. Der Mensch wird gerecht aus Glauben oder, wie Luther schreibt: »Der Gerechte wird aus Glauben leben«.

1.1.2 WO GOTT SICH OFFENBART – GOTTES GESCHICHTE MIT DEN MENSCHEN

Christlicher Glaube verdankt sich der Offenbarung Gottes. Diese Glaubenseinsicht schließt aber auch die Erfahrung in sich ein: Gott hat sich tatsächlich offenbart. Es ist geschehen: Gott hat gesprochen. Gott ist erschienen. An diese geschehene und in der Bibel bezeugte Offenbarung bindet sich der Glaube immer wieder zurück. Er lebt aus der Gewissheit, dass Gott sich in einer Geschichte bekannt gemacht hat: in der Geschichte Israels und in dem Menschen Jesus von Nazaret. Dort sucht der Glaube die Antwort auf die Frage: Wer ist Gott?

In der Geschichte der Philosophie und Theologie sind immer auch Wege beschritten worden, um Gott mit Hilfe der Vernunft aus der Welt zu erschließen bzw. Gott für die Vernunft plausibel zu machen. Auch Martin Luther hat eine »natürliche Gotteserkenntnis des Menschen« nicht bestritten. Aber er hat auf den Unterschied verwiesen, zwischen dem Wissen, dass ein Gott ist, und der Erkenntnis, wer dieser Gott ist. Die Vernunft weiß zwar, dass Gott ist, »aber wer und welcher es sei, der da recht Gott heißt, das weiß sie nicht«. Das aber ist für Luther ein sehr großer Unterschied: »zu wissen, dass es einen Gott gibt, und zu wissen, was oder wer Gott ist. Ersteres weiß die Natur und es ist in alle Herzen geschrieben. Das andere lehrt allein der Heilige Geist.« Luther hat so die Grenze vernünftiger Gotteserkenntnis beschrieben. Der christliche Glaube hat aber auch dort, wo er sich besonders kritisch zur Möglichkeit geäußert hat, Gott aus der Vernunft zu erschließen, immer betont: Gottes Offenbarung geschieht nicht gegen die Vernunft. Auch dies zeigt Luthers reformatorischer Durchbruch (siehe Abschnitt 1). In ihr wird die Vernunft gerade nicht »ausgeschaltet«, sondern eine blockierte Vernunft zu einem neuen Erkennen befreit.

Die Reformation ist den Weg gegangen, ihre Erkenntnis Gottes aus dem biblischen Gottesglauben und der konkreten Geschichte Jesu Christi zu gewinnen. Die Geschichte Jesu wurde zur Norm und zum Maßstab für alles Reden über Gott. Wer Gott ist und was Gott ist, erschließt sich in den biblischen Erzählungen. Damit ist jedoch ein Weg verbunden, der Aufmerksamkeit fordert für die Fülle der biblischen Geschichte(n), sie zu lesen als einen Schatz, der von Gott zu erzählen weiß: »Gott ist nicht schnell zu haben und fix zu definieren. Jahrtausende lang haben Menschen von Gott erzählt, zu dem sie riefen in Freude und Angst und den sie erfuhren: Er führt heraus und hört das Bitten des Volkes, er erbarmt sich, weil er das Elend sieht und das Geschrei hört. Wo keine Hoffnung war, hat ein Beter dennoch erfahren, dass Gott ihn nicht verachtet. ... Von Gotteswirklichkeit erzählt die Geschichte eines ganz unerwarteten und unerwartbaren Neuanfangs, von Gotteswirklichkeit erzählt das Gleichnis von der die Gerechtigkeit überbietenden Güte, wegen der Menschen scheel dreinblicken (Mt 20,1–15). Diese Geschichten zeichnen einen Horizont, an dem Menschen sich orientieren können, und sie legen den Grund für Leben« (Gunda Schneider-Flume).1

Das Besondere an diesen Geschichten ist, dass sie nicht veralten. Weil Gott sich mit ihnen verbunden hat, werden sie immer wieder zu neuen Geschichten, in denen sich Menschen mit ihren Fragen und Nöten entdecken. Die christliche Kirche verkündigt darum die Geschichte, in der Gott sich offenbart, nicht bloß als ein Ereignis der Vergangenheit. Sie redet von der Offenbarung Gottes als einem aktuellen Geschehen, in dem Gott uns heute angeht.

1.1.3 GOTT OFFENBART SICH – IN DER GESCHICHTE ISRAELS

Gotteserfahrungen im Alten Testament: Im Alten Testament ist in vielfältiger Weise von Gottes Offenbarung die Rede. Sie geschieht unerwartet und oft als Berufungserfahrung, etwa in außerordentlichen Hör- und Seherlebnissen (z. B. Jes 6) – in so genannten Auditionen und Visionen–, aber auch in Träumen (z. B. 1 Mose 20) oder durch Mittlerwesen wie Engel (z. B. 1 Mose 16). Solche Erlebnisse waren in der religiösen Umwelt Israels aber nichts Besonderes (vgl. 1 Kön 19,8ff.). Das Interesse der meisten Texte des Alten Testaments konzentriert sich daher nicht auf die außerordentlichen Erlebnisse als solche. Entscheidend ist, was Gott in solchen Offenbarungsereignissen dem Volk Israel mitteilt. Dabei zeigt sich: Das für Israel wesentliche Offenbarungsgeschehen hat immer mit einer Ankündigung des Handelns Gottes in der Geschichte dieses Volkes zu tun. An 2 Mose 3, einem der wichtigsten Texte für das Verständnis des Glaubens Israels, wird dies sichtbar. Mose fragt nach dem Namen Gottes und erhält zur Antwort: »Ich bin, der ich sein werde.« Man kann den hebräischen Text auch übersetzen: »Ich bin der, als der ich mich erweisen werde« (2 Mose 3,14) oder, weil das hebräische Wort für »sein«, das in diesem Gottesnamen anklingt, immer ein Beziehungswort ist: »Ich werde (für dich) da sein.« Israel hat Gott seither mit diesem Namen angerufen und sich...

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