VOLLER ENERGIE
durch den Tag
Ich kenne viele Leute, die sich immer wieder vornehmen, sich gesünder zu ernähren. Sie reden eine Weile über nichts anderes als Low Carb, Low Fat, grüne Smoothies oder Fasten und wie gut ihnen die neue Lebensweise tue. Dann hört man nichts mehr. Und bei der nächsten Begegnung ist wieder alles beim Alten. Warum? »Ich hab grad zu viel Stress, um mich auch noch um meine Ernährung zu kümmern.«
So etwas erlebe ich immer wieder. Und im Grunde ist es ein Teufelskreis: Der Stress hindert uns daran, so gut für uns zu sorgen, dass wir Hochleistungsphasen überhaupt bewältigen können. Wenn sich die Arbeit türmt, wenn sich Überstunden häufen, wenn kleine und große Katastrophen im Privatleben für Anspannung sorgen, dann verlieren viele Menschen sich selbst und die Bedürfnisse ihres Körpers aus dem Blick.
Auch in meinem Alltag geht es oft hektisch zu. Ich liebe meinen Beruf, aber ich musste schon in meiner Ausbildung lernen, dass in Restaurantküchen Knochenarbeit zu leisten ist. Über die Jahre ist zum Kochen noch jede Menge dazugekommen: das Management meines Restaurants, meine Fernsehsendungen, die Kochkurse, etliche Bücher und vieles mehr.
All das macht mir großen Spaß, aber es heißt auch, dass ich beim Jonglieren von Terminen und To-do-Listen nicht ständig über komplizierte Ernährungsregeln nachdenken kann. Mein Essen soll mir genügend Energie für einen Zwölf- bis Sechzehn-Stunden-Tag geben, es soll mir guttun, und natürlich soll es schmecken und Spaß machen. Schließlich bin ich ein Genussmensch.
FESTE REGELN SIND NICHT DIE LÖSUNG
Wenn sich dagegen alles darum dreht, was man wann essen darf oder nicht darf; wenn es ständig um Regeln und Verzicht geht, dann wird aus dem Genuss eine immerwährende Disziplinübung. Kein Wunder, dass bei vielen die große Revolution der persönlichen Ernährung im hektischen Alltag auf der Strecke bleibt!
Ich persönlich glaube nicht an Radikalumstellungen, sondern an eine Mischung aus gesundem Menschenverstand, ein bisschen Ernährungswissen und Aufmerksamkeit für den eigenen Körper. Vor allem aber glaube ich daran, dass viel gewonnen ist, wenn man häufig frisch und mit möglichst wenig verarbeiteten Zutaten kocht und mit Genuss und Zeit isst.
FÜR MICH funktioniert diese Strategie jedenfalls sehr gut. Ich gehöre nämlich keineswegs zu den Menschen, die einfach essen können, was sie wollen, ohne zuzunehmen. Aber ich habe gelernt, darauf zu hören, was meinem Körper guttut. Das ist für mich das A und O. Jeder Körper tickt anders – auch ein Grund, warum meines Erachtens feste Ernährungsregeln nicht funktionieren. Die einen essen gern Milchprodukte oder Weizen oder Hülsenfrüchte und fahren gut damit, die anderen vertragen diese Zutaten überhaupt nicht.
Das Gleiche gilt für viele andere Lebensmittel. Woran das liegt, wird inzwischen zunehmend erforscht. Für einiges – zum Beispiel für die Fähigkeit, auch im Erwachsenenalter noch Laktose zu verdauen – ist die unterschiedliche genetische Ausstattung verantwortlich. Vieles liegt aber offensichtlich auch an der Zusammensetzung der Darmbakterien, die so individuell ist wie der Fingerabdruck. Bei Wissenschaftlern setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass man kaum starre Ernährungsregeln aufstellen kann, die für alle Menschen gleichermaßen gelten.
ENTSPANNT IN DEN TAG
Das fängt schon mit dem Frühstück an. Haben Sie auch noch von früher den Spruch im Ohr: »Morgens wie ein König, mittags wie ein Edelmann und abends wie ein Bettelmann«? Inzwischen ist erwiesen, dass es Unsinn ist, sich morgens zu einer üppigen Mahlzeit zu zwingen, wenn man gar keinen Appetit hat. Auch hier kann man sich ruhig darauf verlassen, dass einem der Körper die richtigen Impulse liefert.
Ich zum Beispiel bin jemand, der am liebsten langsam in den Tag hineingleitet. Weil ich nicht selten spät am Abend noch esse, habe ich morgens oft noch keinen Hunger. Deshalb beginne ich den Tag erst einmal nur mit einer Tasse Tee. Erst wenn ich von dem Spaziergang mit meinen Hunden Franz und Sissi zurückkomme, meldet sich Appetit, und dann esse ich etwas.
Am Wochenende, wenn das gemütliche Frühstück mit dem Mittagessen verschmilzt, darf es gerne etwas üppiger zugehen: mit gutem Brot, Käse, Räucherfisch und Avocados. Anders als meine dreizehnjährige Tochter Paola, die ihren Schokoaufstrich liebt, gehöre ich eher zur herzhaften Fraktion.
Unter der Woche sieht das anders aus. Mein Alltagsfrühstück besteht häufig aus einem Sauermilchprodukt wie Naturjoghurt, Kefir oder Dickmilch mit Obst und Nüssen oder ein paar Müsliflocken. Dazu kommen ein paar Chiasamen, die mit ihrem hohen Ballaststoffanteil lange satt machen.
Bis zur nächsten Mahlzeit muss ich schließlich einige Stunden überbrücken: Erst am späten Nachmittag gibt es in meinem Restaurant »Cornelia Poletto« das Personalessen. Bis dahin trinke ich viel Tee oder Wasser, dem ich mit Ingwer, Kräutern oder Früchten Geschmack gebe. So fällt es mir leichter, den Tag über genügend zu trinken, und im Gegensatz zu Säften (oder gar Softdrinks!) treiben weder Wasser noch ungesüßter Tee die Zuckerbilanz in die Höhe.
DAS SNACK-PROBLEM
Wenn mich zwischendurch doch einmal Appetit überfällt, esse ich einfach etwas frisches Obst oder Gemüse – möglichst etwas Ballaststoffreiches. Denn je länger der Körper mit dem Verdauen beschäftigt ist, desto länger fühlt man sich satt.
Manchmal greife ich aber auch zu meinem persönlichen Snack-Wundermittel: einem Stückchen Parmesan. Natürlich ist Käse nicht gerade ein Kalorien-Leichtgewicht, aber ich knabbere wirklich nur ein kleines Stückchen und genieße das ganz bewusst. Weil Parmesan eine so perfekte Mischung aus Salzig, Süß und Umami (auch >) bietet und der Geschmack zudem noch lange am Gaumen nachhallt, macht mich dieses Käsestückchen lange zufrieden.
BEI MIR FUNKTIONIERT diese Überbrückungsstrategie hervorragend. Gerade beim Thema Zwischenmahlzeiten ist es aber wichtig, herauszufinden, was einem ganz persönlich guttut. Hier lauern nämlich die größten Gefahren, über die Stränge zu schlagen und viel zu viele Kalorien zu sich zu nehmen, ohne es zu merken. Wir sind permanent von Angeboten umgeben, die »Iss mich!« rufen. Je gestresster wir sind und je weniger Zeit wir uns für richtige Mahlzeiten nehmen, desto schwieriger ist es, diesen immerwährenden Versuchungen zu widerstehen.
Wer am Schreibtisch Hunger bekommt, vor lauter Arbeit aber meint, sich keine Pause gönnen zu dürfen, hat schnell nebenher eine ganze Packung Kekse geleert und damit viel mehr gegessen, als eigentlich zum Hungerstillen nötig wäre. Wer in Hektik auf dem Weg von A nach B ein belegtes Brötchen vom Bäcker oder einen Hamburger hinunterschlingt, fühlt sich danach meist immer noch unbefriedigt, gleichzeitig liegt das Essen aber oft unangenehm schwer im Magen – und später hartnäckig auf den Hüften.
Es ist daher wichtig, gesunden Menschenverstand walten zu lassen und ein bisschen darauf zu achten, wie viel man insgesamt zu sich nimmt. Und alle, die wissen, dass sie angesichts der Packung Kekse kaum widerstehen können, lassen vielleicht einfach keine in Reichweite herumliegen. Noch besser ist es, das bewusste Essen zu trainieren, also nicht gedankenlos am Schreibtisch einfach etwas in den Mund zu stecken, sondern lieber aufzustehen, sich einen Snack zu holen und den wirklich zu genießen.
ALLES MIT AUGENMASS
Die nächste richtige Mahlzeit an einem gewöhnlichen Tag ist das Essen mit meinen Mitarbeitern am späten Nachmittag. Natürlich wird hier immer frisch gekocht, auch wenn es schnell gehen muss. Es gibt immer weniger Fleisch, dafür immer häufiger Gemüse- oder Pastagerichte, und ein schöner Salat gehört einfach immer dazu. Die Mengen sind eher knapp bemessen – und zwar mit Absicht. Man sagt, ein Koch, der satt ist, kocht nicht mehr gut. Man muss sich beim Essen ein bisschen bremsen, damit man noch Spaß am Abschmecken hat.
ABENDS GEBE ICH häufig Kochkurse, und auch da probiere ich nur noch hier und da ein bisschen. An anderen Tagen habe ich noch spät Geschäftsessen, und wenn ich frei habe, koche ich gerne am frühen Abend noch entspannt zu Hause. Mein Tagesablauf ist also ziemlich variabel, und er unterscheidet sich natürlich ziemlich stark von dem vieler anderer Leute, die regelmäßige und feste Arbeitszeiten haben.
Allerdings funktionieren starre Einteilungen à la »Frühstück um sieben, Mittagessen um halb eins, Abendessen um halb sieben« inzwischen für die wenigsten Menschen. Flexible und damit unregelmäßige Arbeitszeiten werden schließlich immer mehr...