TEIL 1
Heilung der Mitte
Fangen wir einmal von ganz vorne an:
Alles dreht sich um unsere Mitte, chinesisch gesprochen. Die Mitte steht für unseren gesamten Verdauungsapparat. Dieser setzt sich, chinesisch gesprochen, aus Milz und Magen zusammen:
Unsere Mitte kümmert sich um das Essen, das Trinken und deren Verarbeitung. Chinesisch gesprochen heißt das, dass Sie essen, trinken und atmen und die Mitte macht daraus Qi und Blut.
Qi ist die Energie, die im Körper fließt. Blut ist die Substanz, die im Körper fließt. Das heißt nichts anderes, als dass ich, Georg, etwas esse und etwas trinke, dann auch noch atme und meine Mitte macht daraus »Georg«. Ich, so wie wir alle, bestehe aus Energie und Substanz. Dafür esse und trinke und atme ich: Um meine Substanz aufrechtzuerhalten und genug Energie für das Leben zu haben. Wenn ich GUT esse und trinke, dann auch noch GUT atme und dann auch noch eine kräftige, gesunde Mitte habe, fühle ich mich so richtig wohl, ich werde ein GUTER Georg ...
Wenn es der Mitte gut geht, geht es uns gut. Wenn wir in unserer Mitte sind, sind wir glücklich und zufrieden. Und wenn wir glücklich und zufrieden sind, sind es alle Menschen um uns genauso. Chinesisch sagen wir dann, wir haben Shén, den Geist des Herzens, das Strahlen und das Glück, das jeder sehen kann: Die Augen strahlen, die Haut ist schön, die Haare glänzen und sind elastisch, all unsere Bewegungen sind voller Kraft, wir strotzen förmlich vor Energie und Ideen. Das ist es doch, was wir alle wollen, oder?
Nur, warum ist das bei uns oft nicht so? Wo ist unser Strahlen, wo unser Glück?
NUR am Essen und Trinken kann es ja wohl nicht liegen, ODER? Ich meine, es fällt mir schon auf, dass ich, wenn ich »nicht so gut gegessen habe«, so müde bin nach dem Essen, mich aufgedunsen fühle, vor allem am nächsten Morgen, und alles an mir, inklusive meiner Gedanken, schwer ist wie Blei, jetzt einmal gar nicht zu reden von meinem Gewicht ...
Es fällt mir schon auch auf, dass ich, wenn ich »nicht ganz so gut gegessen habe«, am Klo, auf dem ich dann wegen dem Durchfall ständig sitze, fast einschlafe, weil ich so müde bin ...
Manchmal denke ich, ich werde zu einem Gummibärchen. Aber das alles NUR wegen dem Essen ...?
Ich meine, wir bestehen doch noch aus etwas anderem AUSSER unserem Verdauungsapparat, unserer Mitte, oder ...?
Also, auf den Punkt gebracht: Ohne unsere Mitte geht gar nichts im Körper! Wenn die Mitte kein Qi, keine Energie produziert, bleibt alles liegen, nichts passiert, alle Maschinen stehen still. Stellen wir uns unsere Mitte als alleinerziehende Mutter von zehn Kindern vor, unsere Missis Pi. Missis Pi steht in der Früh auf, schaut aus dem Fenster und denkt sich: »Wow, heute ist ein herrlicher Tag. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles wächst und gedeiht. Heute reiß ich der Welt einen Haxen aus ...!«
Und dann kommt ... nichts! Sie essen nichts in der Früh! Missis Pi denkt sich: »Wo soll ich jetzt all das Qi und das Blut herbekommen, um meinen Tag zu schaffen?« Also geht sie hinunter zur Niere und sagt: »Liebe Niere, kannst Du mir bitte etwas von Deinen Reserven geben, Deinem Super-Yin und Super-Yang, damit ich Blut und Qi daraus machen kann. Ich weiß sonst wirklich nicht, wie ich den Tag überstehe ...« Die Niere antwortet: »Kein Problem! NOCH habe ich genug Reserven. Die teile ich gerne mit Dir! Aber bitte kümmere Dich in Zukunft darum, dass Du wieder selbst genug Blut und Qi herstellst!«
Missis Pi schleppt nun das wertvolle Yin der Niere hinauf in die Küche, um banales Blut daraus zu machen, und das wertvolle Yang, um banales Qi daraus zu machen. Beides haben wir von unseren Eltern als JING, als wertvollste aller wertvollen Essenzen, mitbekommen. Sie haben dazu noch leise geflüstert: »Bitte pass immer gut auf Deine Reserven, auf Dein JING auf! Du musst ein Leben lang damit auskommen! Wenn dann eine Notzeit anbricht, eine Hungersnot oder eine ganz schwere Krankheit, kannst Du ein bisschen davon verwenden, um zu überleben.« Diese Worte hallen noch im Kopf von Missis Pi nach. Notzeit? Ist das wirklich eine Notzeit? ER hat einfach nicht gefrühstückt und deshalb muss ich meine eisernen Reserven verwenden, um banales Qi und Blut zu machen ...? Missis Pi sieht schon das Schreckensszenario vor ihrem geistigen Auge: Was ist, wenn die Niere in ein paar Jahren einfach nichts mehr von ihren Reserven hat? Was mache ich dann? Was machen WIR dann, wenn wirklich eine Hungersnot oder eine schwere Krankheit über uns herein bricht ...?! Aber das wollen wir uns gar nicht ausmalen. Wir bleiben bei den schönen Dingen, ALSO frühstücken Sie! Nur alleine deshalb, weil Sie frühstücken, ersparen Sie Ihrer Mitte und Ihrer Niere viel Stress! ALSO nochmals: Missis Pi steht in der Früh auf, schaut aus dem Fenster und denkt sich: »Wow, heute ist ein herrlicher Tag. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles wächst und gedeiht. Heute reiß ich der Welt einen Haxen aus ...!«
Und dann kommt ein rohes Müsli mit Milch oder Joghurt und frischen Früchten herein, und Missis Pi denkt sich: »Na super! Jetzt kann ich drei Stunden in die Küche gehen und muss das alles erst einmal richtig kochen, damit ich mir dann das Qi und das Blut daraus nehmen kann! Und wer kümmert sich in der Zwischenzeit um die Kinder? Wer weckt sie auf, zieht sie an, macht ihnen ihre Jause zurecht ...? Wieder nichts mit dem herrlichen Tag!« Das Müsli mit Milch und rohen Früchten wäre ja gar kein Problem, wenn Missis Pi nicht alleinerziehend mit zehn Kindern wäre, wenn sie nicht eh schon am Limit wäre und so müde! Gesundes westliches Essen ist auch chinesisch sehr gesund, aber nur, wenn man nicht gerade Missis Pi ist und zehn Kinder alleine aufziehen muss! Ihr Müsli wäre ja gar kein Problem, wenn Sie eine gesunde Mitte hätten und viel Energie im Überschuss, um schnell einmal all Ihr rohes Essen in Ihrem Verdauungsapparat zu zerkleinern, aufzuwärmen, enzymatisch zu zerlegen und aufzunehmen. Ein tolles Verfahren, das aber viel Energie benötigt! Unsere Verdauungsenzyme brauchen 37 Grad Celsius, damit sie ihre Arbeit gut verrichten können! Also muss der Körper Ihr kaltes, rohes Frühstück zunächst einmal aufwärmen, um es dann weiterverarbeiten zu können. Missis Pi weiß das alles! Sie erinnert sich gerne zurück an die Zeit, als sie noch alleine, ohne Kinder war. Wie sie lachen konnte! Wie viel Zeit sie für sich hatte! Doch das Leben hat etwas anderes für sie vorgehabt! Sie liebt ihre Kinder, aber so ganz alleine das alles bewerkstelligen, und das jeden Tag, macht einfach müde ...! Und die Niere weint gleich mit ...
Dabei wäre alles so einfach! ALLEINE deshalb, weil Sie in der Früh warm und gekocht essen, durchbrechen Sie diesen Teufelskreislauf. Und Sie wissen: Wie man den Tag beginnt, so ist der ganze Tag! Daher meine Bitte an Sie, aus einer 20-jährigen Erfahrung aus meiner Arzt-Praxis, aus einer mehr als 2000-jährigen Erfahrung der Chinesen mit ihrer oft sehr schwierigen Geschichte: Essen Sie bitte warm und gekocht in der Früh, vor allem, wenn Sie eine müde Mitte haben! ALSO noch einmal: Missis Pi steht in der Früh auf, schaut aus dem Fenster und denkt sich: »Wow, heute ist ein herrlicher Tag. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles wächst und gedeiht. Heute reiß ich der Welt einen Haxen aus ...!«
Und dann kommt ein warmes, gekochtes Frühstück herein und die Milz lächelt: »Das ist so gut zubereitet, da muss ich nicht viel machen! Ich muss es nicht erwärmen, weil es schon warm ist. Ich muss keine Spezialenzyme aktivieren, weil die ganzen schwerstverdaulichen Dinge wie Milch und Joghurt nicht drinnen sind. Ich kann quasi gleich Qi und Blut daraus machen!«
Missis Pi hat nun so viel Zeit zur Verfügung, dass sie sich einmal in der Wohnung umsehen und dann auch gleich zusammenräumen kann, bis die Kinder aufstehen. Chinesisch heißt das: Das Reine (das, was man noch verwerten kann) vom Trüben (das, was einfach in den Restmüll kommt) zu trennen:
(siehe »Der Goldene Weg der Mitte«, Seite 265f.)
Und wenn die Mitte so richtig gut in Fahrt ist und ihre Arbeit gewissenhaft durchführt, kann sie sogar wieder neues Yin, neue Substanz, aufbauen, um der Niere etwas für ihre Reserven zurückzugeben. Ja, man kann die Reserven wieder auffüllen! Milz und Niere geht es dann wieder gut!
Jetzt sagen Sie aber vielleicht: »Ich mache wirklich alles, was möglich ist, um wieder eine kräftige Mitte zu bekommen, aber frühstücken kann ich einfach nicht! Ich bring in der Früh nichts hinunter!« Dann keine Sorge: Es gibt so viele Wege, die nach Rom führen! Sie müssen nicht immer den einfachsten gehen! Das warme Frühstück hilft schon einmal so gut. Aber wenn es das nicht ist, dann gehen Sie einen der anderen Wege, die Sie zu einer kräftigen Mitte bringen! 100 Prozent sind besser als 90 Prozent. 90 Prozent sind besser als 80 Prozent. 80 Prozent sind besser als 70 Prozent. 70 Prozent sind besser als 60 Prozent. 60 Prozent ...! Lernen Sie, lieb zu Ihrer Mitte zu sein, mit Ihren Möglichkeiten, mit Ihrem Shén! Sie müssen einfach einmal erlebt haben, wie es sich anfühlt, wenn man eine kräftige, gesunde Mitte hat. Hier beschreibe ich Ihnen den Weg, den unsere Familie geht, den Weg, den bereits tausende meiner Patienten gegangen sind, den Weg, den traditionell in China schon viele hundert Millionen Chinesen erfolgreich gegangen sind! Jetzt ist es aber so, dass sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende viel geändert hat an unseren Essgewohnheiten und unserem Alltag. Auch haben sich unsere Lebensmittel grundlegend verändert.
Auch bewegen wir uns heute zumeist viel weniger als es Menschen noch vor hundert Jahren getan haben.
Auch atmen wir...