Was sind Gifte, was Schlacken?
Bei wenigen Themen gehen die Meinungen so auseinander wie bei Giften und Schlacken. Viele Vertreter der Naturheilkunde sehen in ihnen ein großes Problem. Für einige stellen sie heute überhaupt das größte Thema dar. Während alternativ arbeitende Ärzte und Heilpraktiker und ihre Patienten sich intensiv mit diesem Aspekt des modernen Lebens beschäftigen, vertreten viele Schulmediziner dagegen noch immer den Standpunkt, es gäbe gar keine Schlacken. Die Existenz von Giften können sie zwar nicht leugnen, schließlich ist Sokrates vor Zeugen am Schierlingsbecher zugrunde gegangen, und es gab immer wieder spektakuläre Fälle, in denen eine Mahlzeit aus Knollenblätterpilzen mit dem Leben bezahlt wurde. Aber insgesamt überwog anfangs meist eine verblüffende Unschuldsvermutung, zum Beispiel im Hinblick auf die vom Sezieren schmutzigen Hände der Medizinstudenten, die das Kindbettfieber auf Gebärende übertrugen. Röntgenstrahlen hielten sie anfangs für so harmlos und ungefährlich, dass von den Zwanziger- bis in die Sechzigerjahre hinein Pedoskope in den Schuhgeschäften standen, mit deren Hilfe die Passform fluoroskopisch überprüft wurde, obwohl schon relativ früh nach Entdeckung der Röntgenstrahlung medizinische Erkenntnisse über deren gesundheitliche Gefahren vorlagen. Ganze Schulklassen wurden durch Röntgenwagen gezwungen, um sie mit hohen Dosen zu durchleuchten. Viele sahen die Gefährlichkeit und Bedeutung von Giften völlig anders und wiesen zahlreichen Substanzen – wie etwa lange Zeit dem Quecksilber in den Amalgamfüllungen – gar keinen Giftcharakter zu. Das war umso erstaunlicher, als Quecksilber bei industrieller Verarbeitung außerhalb unserer Münder ganz eindeutig als Gift klassifiziert wird und nur geringe Dosen unter strengen Vorsichtsmaßnahmen zugelassen sind. Seit Juli 2018 dürfen immerhin Jugendliche unter fünfzehn Jahren und schwangere sowie stillende Frauen keine Zahnfüllungen aus Amalgam mehr erhalten, und eine Studie wird klären, ob Amalgam um 2030 ganz aus der Zahnmedizin verbannt werden soll.
Bei der Frage der Schlacken wird die Diskrepanz zwischen Schul- und Komplementärmedizin noch größer. Aussagen wie »Es gibt keine Schlacken im Körper« gehen wohl meist auf Missverständnisse zurück. Denn auch Schulmediziner erkennen an, dass Kalkablagerungen weder in Form von Arteriosklerose in die Gefäße gehören noch als Steine etwas in Nierenbecken, Harnleiter oder Blase zu suchen haben. Auch zwischen den Zähnen, in der Gallenblase oder im Darm sind sie fehl am Platz. Dass sie dort als Zahnstein oder als Gallen-, Nieren-, Blasen- und Kotsteine auftreten, hat offenbar damit zu tun, dass der Körper mit bestimmten ihm zugeführten Stoffen nicht so fertigwird, wie es wünschenswert wäre. Einerseits kann er manche aufgenommenen Stoffe nicht über die normalen Wege ausscheiden, und andererseits produziert er selbst Substanzen – im Rahmen seines Stoffwechsels –, die ihm zum Problem werden. Er lagert sie ab, und so kommt es eben zu dem, was wir hier »Verschlackung« nennen wollen. Über die Umbenennung oder die Neubenennung solcher Phänomene kann man zwar immer diskutieren, aber sie einfach zu ignorieren geht an den gesundheitlichen Interessen der Betroffenen völlig vorbei.
Ich schlage vor, sich einfach der Definition aus der Industrie anzuschließen. Wenn in einem Hochofen flüssiges Eisen erzeugt werden soll, muss man Eisenerz und Koks in bestimmter Schichtung in den Hochofen einbringen. Bei der hohen Erhitzung gelingt es, ziemlich reines Eisenerz abfließen zu lassen und die Rückstände zurückzuhalten. Diese nennt man »Schlacken« und verbringt sie auf sogenannte Schlackenhalden. Analog bezeichne ich als Schlacke, was bei Stoffwechselprozessen übrig bleibt und abgelagert statt ausgeschieden wird.
Das Motto »Fortschritt« lösen wir modernen Menschen der Industrieländer auf unterschiedlichsten Ebenen ein. Auch bei der Entwicklung von Arteriosklerose schreiten wir allen anderen voran. Diese wahrscheinlich gefährlichste Volkskrankheit nimmt ihren Anfang bei uns bereits im Anschluss an die Pubertät, obwohl wir erst viel später wirklich daran zu leiden beginnen. Denn erst wenn der Durchmesser eines Gefäßes weit über die Hälfte mit Kalk verschlossen ist, werden die Einschränkungen im normalen Leben spürbar, und auch das zuerst nur bei größeren Leistungsanforderungen, mit der Zeit aber sogar im Ruhezustand. Arteriosklerose ist nach unserer Definition ein eindeutiges Ergebnis von Verschlackung, selbst wenn noch einige andere Faktoren wie Entzündungsphänomene mit hineinspielen.
Auch bei Gicht oder rheumatischen Erscheinungen lassen sich die Zeichen von Ablagerungen bestimmter Materialien an Stellen, wo diese mit Sicherheit nicht hingehören, eigentlich nicht leugnen. Die Schulmedizin selbst hat den Zusammenhang zwischen den fürchterlichen Schmerzen, die im Gewebe abgelagerte Harnsäurekristalle zum Beispiel am Großzehen-Grundgelenk verursachen, und einer einseitigen, falschen Ernährung aufgeklärt. Dieses »Podagra« (wörtlich »Fußfessel«) genannte Krankheitsbild hängt damit zusammen, dass die Betroffenen mehr Harnsäure erzeugende Nahrung zu sich nehmen, als sie problemlos verstoffwechseln können. In seiner Not lagert der Körper die entsprechenden Kristalle im Bindegewebe ab, weshalb es Sinn macht, von einer Ablagerung und Verschlackung zu sprechen, da es sich ja um Abfallprodukte des Stoffwechsels handelt, ähnlich wie bei der Verhüttung von Eisenerz aus sogenanntem Abraum riesige Schlackenhalden entstehen. Diese wachsen umso mehr an, je unreiner die Ausgangsstoffe der Verhüttung waren. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse in unserem Organismus, wie immer das Phänomen letztlich auch benannt werden mag.
Wenn die Schulmediziner es schließlich anerkennen müssen, werden sie sicher einen ganz anderen und möglichst spektakulären Begriff wählen. Als sie zum Beispiel nur ein paar Jahrtausende nach den Schamanen den Zusammenhang zwischen Seele und Abwehrkraft entdeckt hatten wie auch die Tatsache, dass geführte imaginäre Reisen und Meditationen wirken, nannten sie das nach ihrer Darstellung völlig neue Gebiet »Psychoneuroimmunologie«. Sei’s drum, wir können froh sein, dass sie es schlussendlich entdeckt haben, so kann und darf es nun auch ihren Patienten zugutekommen.
Heute ahnen wir und können es großenteils schon wissenschaftlich belegen, dass etwa Milchprodukte den Organismus verschleimen, Glutenhaltiges ihn verklebt, was die negativen Auswirkungen bei so vielen Symptomen und davon Betroffenen erklärt. Wir können also auch hier von Verschlackung sprechen.
Erst wenn es schon sehr spät und manchmal eigentlich schon zu spät ist, befasst sich auch die Schulmedizin mit Verschlackung, ja, sie verdankt ihr zentrale Einsatzgebiete. Sind die Herzkranzgefäße schon so verstopft und verengt, dass Herzschmerzen im Sinne der Angina Pectoris auftreten, gibt man als Notfallmedizin gefäßerweiternde Medikamente wie Nitroglyzerin. Dieser Sprengstoff kann immerhin die Schmerzen lindern, obwohl er das Problem nicht grundsätzlich beheben kann. Wenn das Ganze noch eine Stufe weiter eskaliert und beim Infarkt aufgrund eines kompletten Gefäßverschlusses ein Teil des Herzens abstirbt, ist der Notarzt selbstverständlich zur Stelle und versucht sein Bestes, wobei ihm jetzt aber leider nicht mehr viel möglich ist. Auch wenn sich die Arterien der Beine weitgehend arteriosklerotisch verschlossen haben und es zur Schaufensterkrankheit gekommen ist, bei der die Betroffenen sogar auf ebener Strecke nur noch kurze Distanzen zurücklegen können und dann vor jedem dritten Schaufenster verweilen müssen, werden Stents und Bypässe gelegt und Trainingsprogramme aufgestellt.
Wenn die Gehirngefäße dichtmachen und es zu Ausfallerscheinungen kommt, die an Alzheimer erinnern, verschreiben Schulmediziner eine Fülle von Mitteln, die im Wesentlichen eine große Gemeinsamkeit haben: Sie nutzen kaum gegen die Zeichen vorzeitiger Altersdemenz, aber umso mehr den Aktionären der entsprechenden Pharmafirmen. Die relevanteste Ausnahme, das tibetische Medikament Padma 28, kommt ausgerechnet aus einer alten Medizintradition, der man dergleichen Wirksamkeit vonseiten der Schulmedizin gar nicht zugetraut hätte. An der Universität Bern gelang es, tatsächlich nachzuweisen, dass diese Kräutermischung bei Arteriosklerose mess- und spürbar Wirkung zeigt. In deutlich geringerem Maß leisten das noch Extrakte vom Ginkgobaum. Der Rest ist vor allem Wunschdenken, in diesem Fall schulmedizinisches. Wobei gleich zu sagen ist, dass auch im Bereich der Alternativmedizin längst nicht alles so wirkt, wie es oft vollmundig versprochen wird.
Allerdings gibt es bei diesem bedrohlichsten der modernen Zivilisationsprobleme längst eine äußerst wirksame Hilfe, die inzwischen auch wissenschaftlich belegt ist, nämlich die Ernährungsumstellung auf pflanzlich-vollwertige Nahrung im Sinne meiner Bücher Peace Food und Geheimnis der Lebensenergie. Der bereits erwähnte US-Chirurg Dr. Caldwell Esselstyn von der Cleveland Clinic konnte in Studien mit schwer Herzkranken nachweisen, dass Patienten, die bis auf einen Becher Joghurt täglich kein Tierprotein erhielten, kaum noch Herzattacken erlitten und signifikant länger lebten als prognostiziert. Die Patienten aber, die auch noch den Becher Joghurt wegließen, erlitten keine weiteren Herzanfälle mehr und normalisierten ihre Lebenserwartung wieder vollständig. Auf Röntgenaufnahmen ihrer Herzkranzgefäße ließ sich sogar erkennen, wie bereits verschlossene Koronarien wieder aufgingen.
Diese Angiografien verdeutlichen uns einerseits, für welch gefährliche Schlackenbildung schon ein Becher Joghurt pro Tag verantwortlich sein kann,...