Um die Dynamik dieses speziellen Themas der Hybridtechnologie zu erkennen, muss nach der technischen und makroökonomischen Sichtweise auch eine Markt- bzw. Konkurrenzsichtweise angedacht werden, damit nach der Milieuspezialisierung die Marketingkommunikation und deren Instrumente präziser eingesetzt werden können.
Da sich der Automobilmarkt bzw. die Automobilbranche im Wesentlichen von anderen Branchen unterscheidet, ist es naheliegend, sich über diese Besonderheiten klar zu werden, um sie im Laufe dieses Projekts zu beachten.
Aus Kundensicht ist eine Anschaffung eines Kraftfahrzeuges, also eines High-Involvement-Produktes, eine meist ziemlich zeitaufwendige Entscheidung. Der Kunde informiert sich über das Produkt in einem hohen Maß, das unter anderem durch eine hohe Medienpräsenz der Automobilbranche gefördert wird. Es gibt wohl kaum so viele Fachzeitschriften und Publikationen wie zum Thema Automobile im Vergleich zu anderen Branchen.
Die Unternehmen der Automobilbranche stehen unter ständiger Beobachtung der Öffentlichkeit und der Politik. Als sehr starker Wirtschaftszweig in Deutschland beschäftigt die Automobilindustrie kontinuierlich rund 700.000 Mitarbeiter (s. Abb. 9), davon waren allein bei Audi im Jahr 2011 rund 62.806[42] angestellt. Hinzu kommt noch eine weitaus größere Anzahl an Mitarbeitern der zahlreichen, direkt und indirekt mit der Automobilbranche verbundenen bzw. abhängigen Unternehmen. Dies sind vor allem Zulieferer, Gebrauchtwagenhändler, Servicedienstleister, Ersatzteilehändler und Finanzdienstleister.[43] Die Automobilbranche nimmt demnach eine große gesamtwirtschaftliche Verantwortung ein.
Abbildung 9: Beschäftigtenanzahl in der Automobilindustrie. [44]
Quelle: Verband der Automobilindustrie (2012).
Eine weitere Besonderheit des Automobilmarktes ist ebenfalls die Sättigung der Nachfrage, was sich in dem Rückgang der Wachstumsraten bzw. in der Stagnation des deutschen Marktes zeigt.
Auch ist der Automobilmarkt ein wettbewerbsintensiver Markt, in dem Kunden sich und damit auch ihre Produktwünsche immer stärker individualisieren. Bei näherer Betrachtung scheint die Trennschärfe in der Positionierung der verschiedenen Marken immer mehr zu verschwimmen. Gerade die starken Premiummarken stellen zunehmend einen Kundenwechselstrom fest. Die Kundentreue schwindet und macht dem Phänomen des „Variety Seeking“ Platz, bei dem die Kunden auf der Suche nach Variationen die Marke beliebig wechseln.
Der Versuch unzähliger Hersteller jede noch so kleine Nische schnellstmöglich zu besetzen, führt zu einer sehr breiten und tiefen Produktpalette, die den einzelnen Herstellern enorme Kosten verursacht. Kannte ein Kunde Ende der 1980er-Jahre noch eine Hand voll Oberklassemodelle, fällt es selbst informierten Interessenten heutzutage schwer, alle Oberklassemodelle einer Premiummarke zu nennen. Ein Ende dieser Entwicklung ist in naher Zukunft nicht abzusehen.[45]
Der Hybrid-Automobilmarkt im Speziellen entspringt hauptsächlich aus den technologischen Veränderungen sowie aus der Ökologie und Ressourcenschonung (siehe auch Punkt 2 „Technologische Treiber“). Er ist die wahrscheinlich wichtigste neue Nische des Automobilmarktes[46] mit hohem Wachstumspotential (s. Abb. 6) und damit auch mit hohem Verdrängungspotential gegenüber Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben. Anhand der Neuzulassungen der Jahre 2009 und 2010 (s. Abb. 10) scheint der momentane Hybridmarkt in Deutschland von ausländischen Herstellern angeführt zu werden. Dies ist eher ungewöhnlich im Vergleich zur Gesamtheit der restlichen Segmente des Automobilmarktes.
Abbildung 10: Neuzulassung von Hybridfahrzeugen in Deutschland der Jahre 2009 und 2010 nach Herstellern.[47]
Quelle: Car – Center for Automotive Research (2010).
Aus Sicht der Händler ist der wesentliche Unterschied des hybriden Automobil-marktes scheinbar die momentan sehr schwere Vermarktung dieser Modelle.
Außerdem müssen Daten des Oberklasse Hybridmarktes noch vom Oberklassemarkt der alternativen Antriebe abgeleitet werden. So unterscheiden die großen Hersteller in ihren Verkaufsstatistiken zumeist noch nicht zwischen den hybriden und den konventionellen Antrieben in der Oberklasse, da es einfach noch zu wenig Datenmaterial diesbezüglich gibt. Laut Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des „CAR – Center for Automotive Research“ an der Universität Duisburg-Essen, wurden deutschlandweit in den ersten beiden Monaten des Jahres 2012 folgende Anzahl an Fahrzeugen vermarktet: null Fahrzeuge von BMW, erst zwölf von Porsche, 14 von Audi, 15 von Mercedes, 43 von Ford, 86 von Opel und 155 von VW.[48]
Der hybride Automobilmarkt für Oberklassemodelle ist also noch sehr stark an den der alternativen Antriebe für Oberklassemodelle gebunden bzw. verknüpft. Auch wenn die Benzinpreise immer mehr steigen, ist kurzfristig keine Explosion der Verkaufszahlen zu beobachten, daher werden Statistiken für den hybriden Markt langfristig betrachtet bzw. prognostiziert.[49] Der hybride Automobilmarkt unterliegt in seiner Analyse also nur einer groben Einschätzung, wohingegen die Ziele und technischen Fortschritte der Hersteller für den hybriden Automobilmarkt im Oberklassebereich schon bekannt sind.
Grundsätzlich ist Audi mit seinen Hybridmodellen der Oberklasse technisch der Vorreiter auf dem deutschen Markt ganz nach dem Leitbild „Vorsprung durch Technik“. Die größten Vorteile zur Konkurrenz sind die besonders kompakte Lithium-Ionen-Batterie und die zukünftige Möglichkeit, bis zu einem Tempo von 100 Kilometer pro Stunde rein elektrisch fahren zu können.[50]
Weiterhin setzt Audi auf die Möglichkeit, dass der Fahrer mit einem Blick über das Lenkrad an einer Anzeige, dem sogenannten „Powermeter“, erkennt, in welchem Modus sich das Fahrzeug gerade befindet, also im Lade-, Effizienz- oder Boost-Modus. Dies ist eine Besonderheit für Hybridmodelle von Audi, die den Fahrer unterbewusst dazu animieren soll, effizienter zu fahren.
Anhand der Oberklasse Hybridmodelle zeigt sich die Effizienz der Audi Hybridtechnologie, denn das größte Einsparungspotential liegt bekanntlich bei den Fahrzeugen mit vergleichsweise hohem Verbrauch.[51]
Mit dem Q5 hybrid quattro, dem A6 hybrid und dem A8 hybrid startet Audi eine Produktoffensive, um Marktanteile im umkämpften Segment der Oberklasse Hybridfahrzeuge zu gewinnen. Größte Konkurrenten sind wohl Lexus, BMW und Mercedes.
Die Hybridmodelle von Audi sind jeweils mit einem Full-Hybrid-Konzept ausgerüstet. Neben der Markteinführung dieser Modelle setzt Audi zukünftig schwerpunktmäßig auf den Ausbau rein elektrisch angetriebener Fahrzeuge, besonders in der Kleinwagenklasse, in der aktuell keine Hybridmodelle geplant sind.
Die Verkaufszahlen der Audi Hybridmodelle sind noch nicht aussagekräftig genug, da sie noch zu neu und unvollständig sind, so dass es auch offiziell keine Daten diesbezüglich von der Audi AG gibt. Gemessen an den Verkaufszahlen wird jedoch erwartet, dass der A8 hybrid das erfolgreichste Modell im Audi Hybrid-Sortiment sein wird.[52]
Mit zunehmender Komplexität der Produkte wird es schwieriger, diese den Kunden zugänglich zu machen, da sie von ihnen aus Unkenntnis der Technologie per se abgelehnt werden. Die Lösung der Hersteller besteht darin, ein neues Produkt nicht in eine bestehende Kategorie zu integrieren, sondern es mit der Bildung einer neuen in einem eigens dafür entworfenen Nischenmarkt zu etablieren. Durch die hiermit ermöglichte individualisierte Ansprache kann es ein Hersteller schaffen, den Schwierigkeiten der Informationsverarbeitung beim Kunden vorzubeugen. Das Produkt wird dadurch positiver in seiner Produktbewertung angenommen.[53],[54] Zugleich ist eine Differenzierung bzw. Abgrenzung von Zielmärkten eine nützliche Grundlage für viele alltägliche marketingtechnischen kognitiven Funktionen, vor allem der Vorhersage und der zu nutzenden Kommunikation.[55]
Unter der Segmentierung des Automobilmarktes wird die Aufteilung eines Gesamtmarktes in Untergruppen bzw. Marktsegmente zur besseren Bearbeitung verstanden.[56] Unter der Annahme, dass relativ stabile Segmente bestehen, wird der deutsche Zielmarkt als Nische innerhalb des deutschen Kfz-Marktes eingeteilt. Die Nische im Nischenmarkt bilden die Hybridfahrzeuge, die wiederum in die gegebenen Kleinwagen, Mittelklasse und Oberklasse Hybridfahrzeuge differenziert werden. Eine mögliche Differenzierung ist folgender Abbildung 11 zu...