Das Lernkonzept ist eine Anleitung zur Planung und Organisation der Anwaltsausbildung und zur Entwicklung einer eigenen Lernstrategie. Dabei sind Lernmethoden und Lerninhalte optimal auf die Lernziele abzustimmen. Denn die Anwaltsausbildung ist eben gerade kein blosser Lernmarathon, sondern eine Berufsausbildung mit Wissensaneignung, Training von Falllösungsmethoden und Schulung der Berufskompetenzen. Diese Anwaltsprüfungskompetenzen werden gemäss Lernkonzept über sechs Lernphasen entwickelt, gefördert und geschult.
Anwaltsprüfungskompetenzen an der schriftlichen Anwalts- und Eignungsprüfung:
•Prüfungsfall analysieren
–den Lebenssachverhalt analysieren und verstehen
–aus dem Lebenssachverhalt den juristischen Sachverhalt erfassen
–die juristisch relevanten Themenfelder abstecken
•Falllösung entwickeln
–die juristisch relevanten Fragen stellen
–mithilfe von adäquaten Falllösungsmethoden eine vollständige und in sich schlüssige Lösungsdisposition entwerfen
•Prüfungslösung erstellen
Prüfungsantworten sind in der richtigen Form, stiladäquat und juristisch vertretbar argumentiert (nach korrekten juristischen Methoden entwickelt), fachlich korrekt und problembezogen (fokussiert auf das Problem und die Interessen des Klienten) zu formulieren. Neben dem Inhalt prägen auch Sprache, Aufbau und Form das Gesamtbild der Prüfungslösung.
•Falllösungsstrategie und Zeitmanagement beherrschen
Anwaltsprüfungskompetenzen an der mündlichen Anwalts- und Eignungsprüfung:
Die mündliche Prüfungssituation unterscheidet sich von der schriftlichen Prüfung darin, dass vom Prüfungskandidat generell verlangt wird, Fragen meist unmittelbar zu erörtern und zu beantworten. Die Situation lässt sich mit einem (simulierten) Fachgespräch vergleichen, bei dem das Fach- und Praxiswissen situativ einzubringen ist. Geprüft wird geläufig nicht nur das Verständnis der Prüfungsfragen und wie der Prüfungskandidat die Aufgaben löst, sondern auch die Herangehensweise und Entwicklung der Lösungsantworten. Der Prüfungskandidat hat zu zeigen, dass er die Fragen aktiv anzugehen und zu beantworten weiss und es versteht, auf die Interessen des Klienten einzugehen und Lösungswege federführend zu entwickeln. Dabei spielt das Auftreten eine entscheidende Rolle.
Anwaltsprüfungskompetenzen, wie sie hier beschrieben werden, sind Ergebnis der sechs Lernphasen und eine Leitlinie für Prüfungskandidaten während der Anwaltsausbildung. Ob ein Prüfungskandidat bereit ist, zum Anwaltsberuf zugelassen zu werden, entscheidet aber letztlich die Anwaltsprüfungskommission anhand des in der Prüfung gewonnenen Gesamteindrucks.
A.Phase 1: Lernplanung und Lernorganisation
ca. 10% der Lernzeit
Die Gewichtung ist ein Vorschlag und nicht allgemeingültig. Die Lernzeit variiert je nach fachlichen und praktischen Vorkenntnissen und die Lernplanung ist je nach Prüfungsfächer und Situation des Prüfungskandidaten unterschiedlich (Besonderheiten ergeben sich beispielsweise bei Repetenten).
Beschreibung | In Phase 1 plant der Prüfungskandidat seine Ressourcen sowie die Lernstrategie und die Rahmenbedingungen der Anwaltsausbildung. |
Ergebnis | Der Prüfungskandidat stellt sicher, dass er seine Anwaltsausbildung auf eine kompetente Lernplanung abstellt und sie nicht dem Zufall überlässt. |
Evaluation | Evaluation und Optimierung sind regelmässig vorzunehmen. Im Lernplan-Rapport vergleicht der Prüfungskandidat die Lernergebnisse mit der Lernplanung. |
Angebote der «anwaltsschule.ch» | Lernberatung; Probeklausuren (Standortbestimmung) |
Mit der Ressourcenplanung schafft der Prüfungskandidat die Rahmenbedingungen für seine Anwaltsausbildung. Im Vordergrund steht die Planung der finanziellen Situation: Wer sich vollzeitlich auf die Prüfung vorbereitet, muss während dieser Zeit Mittel zur Deckung der Studien- und Lebenskosten zur Verfügung haben, was für Prüfungskandidaten meist eine Herausforderung darstellt. Allerdings schlagen sich nicht alle Ausgaben zu Buche. Beispielsweise dürften sachgerechte Anwaltsprüfungsliteratur und Prüfungsseminare in einer Gesamtkostenrechnung die Kosten senken, da damit die Lernzeit verkürzt werden kann.
«Erfolgreiche Prüfungskandidaten handeln mit Strategie, nicht bloss mit Intuition.»
Ein weiteres Thema ist der Arbeitsplatz. Prüfungskandidaten müssen sich darauf einstellen, dass sie sich über mehrere Monate an einem geeigneten Arbeitsplatz, wenn möglich ohne zeitliche Einschränkung und ungestört dem Selbststudium widmen können. Zum Arbeitsplatz gehören zum einen auch der Zugang zum Internet und zu juristischen Datenbanken sowie die Möglichkeit, Unterlagen abzulegen. Zum andern schafft sich der Prüfungskandidat mit einem effizienten Arbeitsplatz und einer förderlichen Lernatmosphäre eine optimale Lernumgebung.
In der Planung sollte man nicht von der minimalen Prüfungsdauer ausgehen, sondern den fehlgeschlagenen Prüfungsversuch miteinberechnen. Dies gilt nicht nur betreffend die finanziellen Ressourcen, sondern betrifft auch die eigene Energie und Motivation. Die Lernzeit sollte daher (nach Möglichkeit) gerade beim Erstversuch eher kurz gehalten werden, damit im unverhofften Fall eines Durchfallens die Ressourcen für die Prüfungswiederholung ausreichen. Denn wer nach der missglückten Prüfung eine Pause einlegen muss, gerät leicht aus dem Leistungsmodus.
In der Praxis sind Lernpläne ein geläufiges Instrument, nach welchen Prüfungskandidaten ihre Anwaltsausbildung gestalten. Ergeben sich bei der Lernplanung und Lernorganisation jedoch Fehler, so kann sich dies während der Ausbildung in Form von Stress oder Überforderung äussern und letztendlich die gesamte Prüfungsvorbereitung gefährden. Fehlerursachen sind beispielsweise, dass Prüfungskandidaten die Anwaltsausbildung zu wenig selbst bestimmen und sich von der Masse beeinflussen lassen oder dass sie sich bei der Lernplanung zu wenig selbst organisieren. Dabei ist der Lernplan weit mehr als nur wie oft gesehen ein Zeitstrahl mit Wochenaufgaben. Vielmehr organisiert ein Prüfungs-kandidat in der Lernplanung sämtliche Aspekte der Anwaltsausbildung, was auch eine kompetente Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten beinhaltet.
«Wer am Vorabend der Anwalts- bzw. Eignungsprüfung nicht einschätzen kann, ob er die Prüfung bestehen kann, hat sich nicht richtig vorbereitet.»
Lernzieldefinition
In der Lernplanung müssen jede Lernphase gesamthaft und jede Lerneinheit im Einzelnen ein Ergebnis zum Ziel haben. Wenn die Prüfungskandidaten ihre Prüfungsfächer und Lernthemen definieren, sollten sie daher die Lernziele klar festlegen. Dadurch können sie nicht nur die Ressourcen sparsam und erfolgswirksam planen und einsetzen, indem sie die Lernleistung mit Fokus auf die Lernziele ausrichten, sondern es erlaubt ihnen auch, anhand von Lernkontrollen die Lernziele zu messen und je nach Resultat die Lernplanung anzupassen. Beispiele:
•«Der Prüfungskandidat kennt die wichtigsten Begriffe und Konzepte im Kaufrecht.»
•«Der Prüfungskandidat kann … von … unterscheiden.»
•« … »
Standortbestimmung und Lernhilfen
Die Anwaltsausbildung ist nicht standardisiert, sondern individuell und situativ auf jeden Prüfungskandidaten auszurichten. Dabei ist das Vorwissen genau, für jedes Prüfungsfach und vor jeder Lernphase zu ermitteln. Daraus lassen sich je nach Ergebnis auch die passenden Lernhilfen bestimmen. So kann der Kandidat die Lernzeit optimieren und die Lernleistung steigern (siehe Kapitel C, a, «Standortbestimmung» und C, d, «Lern- und Speicherprozesse»).
Lernmethoden und...