EINLEITUNG
Hallo zusammen!
All denen, die mich noch nicht kennen, möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin keine Profiköchin. Ich war auf keiner Kochschule. Ich besitze kein Restaurant und habe auch noch nie in einem gearbeitet. Aber so lange ich denken kann, gilt mein Interesse dem Thema Essen – natürlich esse ich gern, aber ich will auch wissen, wie es gemacht wird und wie ich es zu Hause nachkochen kann.
Ich wurde in Imsil in der südkoreanischen Provinz Jeollabuk geboren und wuchs in Yeosu am Südzipfel von Jeollanam auf, der südlichsten Provinz der koreanischen Halbinsel. Korea ist eine Nation von Schlemmern. Leckeres Essen gehört zum Alltag, Genuss wird zelebriert, und es wäre undenkbar, eine Party, eine Reise oder einen sonstigen Anlass zu beginnen, ohne ein besonderes Essen zuzubereiten.
Die Provinz Jeollanam ist für ihre herrlichen Speisen berühmt – und die Einwohner von Yeosu haben die Gabe, jede in den Gewässern der Umgebung gefangene Fischsorte in eine Köstlichkeit zu verwandeln. Das Essen dort ist manchmal scharf, manchmal nicht, manchmal fermentiert, manchmal gedünstet, geschmort oder auf Kohle gegrillt.
Mein Vater betrieb ein kleines Fischauktionshaus in Yeosu, zu dem die Fischer aus der ganzen Region kamen, um ihren Fang zu verkaufen. Oft überließen sie meiner Familie als Dankeschön ihre besten Probierstücke. Wir waren zwar alles andere als reiche Leute, aber es gab bei uns zu Hause immer hervorragenden Fisch zu essen.
Von klein auf interessierte ich mich dafür, was meine Mutter, meine Großmutter und die Tanten kochten, und insgeheim entschied ich bei jedem Gericht, wer von ihnen es am besten kochte. Ich beobachtete auch die Frauen, die auf dem Markt Speisen zubereiteten und für bestimmte Gerichte bekannt waren, und achtete sehr genau auf die Zubereitung.
Ich war ein geselliges Kind und ein Organisationstalent. Ich verabredete mich mit Freundinnen zum Mittagessen und bat jede von ihnen, etwas zu essen oder Zutaten zur Schule mitzubringen. Dann teilten wir alles miteinander und hatten ein Mittagessen, um das uns alle anderen Kinder beneideten – ein richtig festliches Bibimbap (Seite 58) voller leckerer Zutaten, mit Spiegeleiern, Chilipaste, buntem Gemüse, gegarten Sojasprossen und Sesamöl. Zur weiterführenden Schule wurde ich nach Seoul geschickt. Dort sollte ich eine bessere Schulbildung erhalten. Es war aufregend, ganz allein in die Großstadt zu ziehen – und es gab mir Gelegenheit, noch mehr zu kochen. Alle Mädchen, mit denen ich mich in der Schule anfreundete, waren kochbegeistert. Immer wenn wir am Wochenende Zeit hatten, kochten und aßen wir gemeinsam bei einer von uns. Da ich mein Wissen immer schon leidenschaftlich gern weitergab, begann ich nach dem Schulabschluss in Seoul ein Lehramtsstudium und machte meinen Abschluss in Sozialwissenschaften. Das Universitätsleben gefiel mir so gut, dass ich Professorin werden wollte. Also machte ich einen Master-Abschluss in Pädagogik. Nach mehreren Assistenzen in Lehre und Forschung bekam ich dann eine Teilzeit-Professur. Doch noch bevor meine Karriere richtig startete, entschloss ich mich zu heiraten. Mein Mann war ebenfalls Professor. Als er eine Stelle in der Stadt Qwangju in Jeollanam bekam, zogen wir in den Süden. Ich schob meine Unikarriere auf die lange Bank, um mich ganz der Familie zu widmen.
Ich bekam zuerst einen Sohn und dann eine Tochter, und meine Kochleidenschaft richtete sich nun auf meine kleine Familie. Ich gab alles, um ihnen das beste Essen zuzubereiten.
Als die Kinder klein waren, bot sich meinem Mann die Chance, in Columbia im Bundesstaat Missouri zu promovieren. Mir war sehr bange vor einem Umzug in die USA, aber für die Kinder würde es gut sein, so früh Englisch zu lernen, und der Karriere meines Mannes konnte es nur nutzen. Also wanderten wir aus.
Heimatküche im Ausland
Missouri öffnete mir die Augen. Ich lernte zum einen das Leben in Amerika kennen, zum anderen aber auch die koreanische Auswanderergemeinde dort. Diese kleine Gruppe entstammte den unterschiedlichsten Landesteilen Koreas. Wir gaben einander Unterstützung und Ermutigung – und bekochten uns bei Mitbring-Partys mit allen möglichen köstlichen Gerichten aus Korea. Die Frauen brachten ihre Paradegerichte mit und wir besprachen beim Essen die Zubereitung. So lernte ich viele regionale koreanische Rezepte kennen, die ich wohl nie probiert hätte, wenn ich nicht aus Korea weggezogen wäre.
Nachdem mein Mann seinen Doktor gemacht hatte, zog unsere Familie wieder nach Korea. Aber als die Kinder erwachsen waren, ließen mein Mann und ich uns scheiden, und ich kehrte nach Nordamerika zurück, um im kanadischen Toronto neu anzufangen. Um Geld zu verdienen, machte ich verschiedene Jobs: Ich arbeitete als Kassiererin im Supermarkt nebenan, als Komparsin beim Film, als Übersetzerin und Dolmetscherin – und außerdem unterrichtete ich englische Grammatik für koreanische Immigranten und Schüler. Es fiel mir schwer, so weit weg von meiner Tochter und meinem Sohn zu leben – meine Tochter ging in Korea aufs College, mein Sohn arbeitete im Silicon Valley –, aber da ich immer gern was Neues ausprobierte, war es mir nie langweilig, und ich war dankbar dafür, finanziell auf eigenen Beinen stehen zu können. Bei allem, was ich unternahm, hatte ich Kochen und Essen im Sinn. Als ich im Supermarkt arbeitete und sah, dass Kunden mittags Sandwiches kauften, kam mir die Idee, im Supermarkt Gimbap (Seite 54) – Reisröllchen ähnlich wie Sushi – und Korean Fried Chicken (Seite 230) anzubieten. Ich brachte eine Riesenportion meines Erdnuss-Hähnchens mit, um den Filialleiter davon zu überzeugen, dass es sich großartig verkaufen würde. Die Kassiererinnen waren hellauf begeistert, aber der Entscheider, der Filialleiter, hatte leider eine Erdnussallergie und konnte nicht einmal probieren! Maangchi wird geboren
Schließlich ergatterte ich eine gute Stelle als Beraterin bei einem gemeinnützigen Verein, wo ich koreanischen Familien half, das Leben im Westen zu meistern. Außerdem legte ich mir ein neues Hobby zu: Online-Computerspiele. Ich fand heraus, dass ich abends nur den Computer anschalten musste, um mich mit Menschen in Singapur, Los Angeles und Montreal anzufreunden, indem ich durch eine virtuelle Welt rannte und Bösewichte niedermetzelte. Meine Spielfigur war eine taffe, sexy Kämpferin mit lila Haaren und einem Riesenhammer. Ich führte die Mannschaft in die Schlacht und besiegte die größten Feinde. Als Namen für meine Figur wählte ich Maangchi, was auf koreanisch »Hammer« bedeutet: ein cooler Name für ein taffes Mädchen.
Zu dieser Zeit wurde YouTube populär. Von meinem netzaffinen Sohn kam schließlich die Idee, dass ich mich doch beim Kochen koreanischer Gerichte filmen und die Filme bei YouTube hochladen könnte. Dort gab es schon ein paar Videos mit koreanischen Rezepten, aber ich wusste, nachdem ich sie mir angesehen hatte, dass ich das viel besser konnte. Glücklicherweise hatte meine Digitalkamera eine Videofunktion. Das Ganze klang nach Spaß! Anfangs scheute ich davor zurück, mein Gesicht zu zeigen. Mein Sohn schlug vor, ich solle nur meine Hände bei der Arbeit filmen. Darüber dachte ich intensiv nach. Dann kam ich zu dem Schluss: Wenn schon, dann richtig. Ich würde mein Gesicht zeigen – und alle sollten sehen, wer ich bin.
2007 filmte ich mich dann bei der Zubereitung von Ojingeo-Bokkeum (Seite 183), einem süß-scharfen Wokgericht mit Tintenfisch. Am nächsten Tag schnitt ich das Video. Ich legte einen flotten Morrissey-Song darunter – leider ein wenig zu laut, wie ich heute finde. Das Bild war außerdem nicht immer richtig scharf, und mittendrin ging auch noch der Rauchmelder los. Aber ich fand das Video echt toll – und das Rezept war außerdem superlecker. Mein Nutzerkonto nannte ich Maangchi, dann lud ich das Video hoch, spielte es einmal ab und ging schlafen. Maangchi bedeutet auf koreanisch »Hammer«: ein cooler Name für ein taffes Mädchen.
Ein paar Tage danach sah ich, dass Leute mein Video kommentiert hatten. Sie fragten nach bestimmten Zutaten. Sie wollten wissen, welche Sorte Chiliflocken und Sojasauce ich verwendet hatte und wo man diese kaufen konnte. Außerdem sprachen sie mir jede Menge Mut zu, mit den Videos weiterzumachen. Sie wollten vor allem wissen, wann mein nächstes Rezept käme. Ich filmte und schnitt ein Video über Doenjang-Jjigae (Seite 118) – eine Suppe aus fermentierter Bohnenpaste mit Garnelen, Tofu und Gemüse – und lud es zehn Tage später hoch. Ich wurde mit Kommentaren, Mails und Fragen überschwemmt und hatte von da an überhaupt keine Zeit mehr für Videospiele. Seitdem zeige ich regelmäßig Videos mit Rezepten aus der koreanischen Küche auf YouTube. Darin vereine ich alle großen Leidenschaften meines Lebens: kochen, unterrichten, andere Menschen und Kulturen kennenlernen.
Mein guter Freund David – inzwischen auch mein Mann – half mir bei der Einrichtung meiner Website www.maangchi.com. Ich spielte meine Kochvideos dort ein und ergänzte sie nach und nach mit Rezepten sowie Angaben und Abbildungen zu schwer im Handel aufzutreibenden koreanischen Zutaten. Meine Website entwickelte sich rasend schnell zu einem Forum, auf dem sich Menschen unterhielten...