Kräuter richtig anbauen
Kräuter wachsen im Biogarten in vielerlei Form: als Gewürz, als Teekraut, als Salat, als Unkraut, als Duftkraut, als Insekten-Anlock-Pflanze, als Bienenweide, als Pflanzenstärkungsmittel, als Frisch-aus-dem-Garten-Naschkraut. All diesen Kräutern und all diesen Facetten ist dieses Buch gewidmet.
Dieses Kräuterbuch beschreibt den biologischen Anbau, die Nutzung, die Vermehrung und die Sortenvielfalt von ausgewählten würzenden und duftenden Kräutern. Von Kräutern, die in unseren Gärten oder in Töpfen angebaut und in der Küche als Gewürz oder als Tee genutzt werden können. Auch wer in Töpfen am Balkon oder auf einer Terrasse Kräuter anbaut, kann sich ohne viel Aufwand und selbst auf kleinen Flächen mit allen Küchenkräutern, die bei uns gedeihen, recht unkompliziert selbst versorgen.
Man kann Kräuter aus der Perspektive der Nutzung einteilen oder aus der Perspektive der Pflanze: Wo und wie wachsen sie am liebsten? In der Gesellschaft mit welchen anderen Pflanzen wollen sie gepflanzt sein, in welchem Lebensraum gedeihen sie am besten?
Ein wenig hat sich dieses Buch die Aufgabe gestellt, die gängige Verwendung von Kräutern in vielen Gärten zu beleuchten, die eingesessenen Arten und Unarten des Kräuteranbaus zu hinterfragen und aufzuzeigen, wo überall im Garten Gewürz- und Teekräuter angebaut werden können. Allzu oft werden die beliebtesten Gewürzkräuter einfach – zum Leid der Kräuter – in ein „Kräuterbeet“ oder einen „Kräutertopf“ zusammengepflanzt. Denn: So unterschiedlich, wie sie schmecken und wirken, sind auch die Standort-ansprüche der Kräuter. Was in der Ordnung des Gewürzregals sinnvoll ist – weil die Kräuter so in Reichweite des Herdes stehen –, macht im Garten wenig bis keinen Sinn: Petersilie, etwa, hat ganz andere Wuchsansprüche als Salbei, Schnittlauch ist zwar ebenso grün wie Basilikum und hat ähnliche Bedürfnisse an die Wasser- und Nährstoffversorgung, aber ganz andere Temperaturansprüche. Was nicht weiter verwunderlich ist, da Schnittlauch in den Gebirgen Mitteleuropas zu Hause ist, wohingegen Basilikum aus den warmen Regionen Indiens stammt.
Einige Kräuter wuchern üppig, andere wiederum wachsen langsam und zurückhaltend und erwecken einen bescheidenen Eindruck. Je näher man sich mit Kräutern beschäftigt, je länger man selbst im Garten Kräuter anbaut, umso mehr fällt auf, wie eigensinnig und charakterstark gerade unsere Heil- und Gewürzkräuter sind. Und nach Jahren der Beschäftigung weiß man, dass die Bezeichnung „Kräuter“ wohl nur ein Ordnungsbegriff für uns Menschen ist. Würden die Kräuter selbst sich einen Platz suchen, würden sie sich vermutlich gar nicht in einem Buch zusammengesellen. Lässt man sie sich selbst ihren Platz im Garten wählen, keimen und gedeihen sie an unterschiedlichsten Standorten, und es verwundert nicht, dass gerade die Kräuter, die sich durch Selbstaussaat vermehren, manchmal am gesündesten und ertragreichsten wachsen. Und nicht etwa jene, die wir in die aus unserer Sicht „beste“ Erde im „besten“ Gefäß und an den „besten“ Standort gesetzt haben. Genau die Menschen, denen wir einen „grünen Daumen“ attestieren – bei ihnen blühen selbst verschrumpelte Pflanzen wieder auf –, wissen um den Eigensinn und die besonderen Bedürfnisse der einzelnen Arten meistens recht konkret Bescheid. Ähnlich wie ein guter Koch oder eine gute Ärztin aus ihren vielschichtigen Erfahrungen – nenne man sie Intuition oder professionelles Handeln – die „richtige“ Zutat verwenden oder die „richtige“ Arznei verschreiben. So erzählt Hannes Wagner, selbst seit über 30 Jahren Kräuter- und Raritätengärtner und aufgewachsen in einer Gärtnerfamilie, bei einem der vielen Beratungsgespräche für dieses Buch: „Mein Großvater hat immer gesagt, Bua, du musst schauen, wie geht es der Pflanze, lacht sie oder weint sie? “ Ja, woran erkennt man, ob eine Pflanze weint oder lacht? Genau diesen Blick gilt es zu entwickeln und zu schärfen und Stück für Stück zu erkennen, was die einzelnen Kräuter brauchen und wo sie gut gedeihen. Dann verwundert es nicht mehr, dass das so wärmeliebende (und wärmende) Basilikum in einem regenreichen, kalten Sommer anfällig für Mehltau wird. Oder dass Pflanzen vor sich hin kränkeln, wenn sie zu dicht stehen und sich nicht so wüchsig entfalten können, wie es ihnen entsprechen würde. Oder dass die Petersilie einfach nicht gesund wachsen kann, wenn sie Jahr für Jahr an die gleiche Stelle im Garten und in zu nährstoffreiche Erde gepflanzt wird.
Hannes Wagner, Kräutergärtner aus Leidenschaft. Seit über 30 Jahren.
Kräuter sind eigensinnig und charakterstark.
Die folgenden Ausführungen mögen ein Leitsystem auf dem Weg zu einem Umgang mit den Kräutern im Garten sein, der ihrem Wesen und ihren Wuchseigenschaften, ihren Ansprüchen an einen Standort entspricht. Denn gerade im Bio-garten geht es darum, dass die Pflanzen mit möglichst wenig Aufwand wachsen können, dass die Kräuter über viele Jahre gesund bleiben und dass wir Pflanzen in all ihren reichen Facetten jenseits des unmittelbaren Ertrages wahrnehmen können. Vielleicht macht gerade das das Gärtnern letztlich aus: Die Pflanzen wachsen mit uns, und in unserer gärtnerischen Obhut wir ein Stück mit ihnen. Dieser Dialog mit den Pflanzen ist für begeisterte Gärtnerinnen und Gärtner ein nie enden wollender.
Was sind Kräuter?
Dieses Buch ist ein Kräuterbuch. Doch was sind überhaupt Kräuter? Die Frage mag erstaunen, aber aus botanischer Perspektive bilden die Pflanzen, die wir umgangssprachlich als „Kräuter“ bezeichnen, keine Einheit. Die Botanik teilt Pflanzen in ein-, zwei- oder mehrjährig, verholzend oder nicht verholzend ein. Mehrjährige, nicht verholzende Pflanzen werden als Stauden bezeichnet. Die verholzenden Pflanzen – die immer mehrjährig sind – werden in Halbsträucher, Sträucher und Bäume unterteilt. Die Kräuter, die wir in diesem Buch beschreiben, sind aus der Sicht der Botanik entweder einjährige, zweijährige oder mehrjährige krautige Pflanzen oder – wie viele der mediterranen Kräuter – verholzende Pflanzen. Manche sind in unseren Gärten winterhart, andere nicht. Und gerade dies hat sich in den letzten – zunehmend milderen – Wintern geändert.
Bei all der Fülle an verschiedenen Kräutern war es nicht leicht, eine Auswahl für dieses Buch zu treffen. Doch Auswahl muss sein beim Buchschreiben. Ein Buch braucht einen Anfang und ein Ende. Zudem ist für die meisten Menschen im Alltag kein allumfassendes Kompendium hilfreich, sondern ein Lese- und Nachschlagewerk, in dem die wichtigsten Kräuter beschrieben sind, und wie ihr Anbau gut gelingt. Und genau diesen Anspruch hat dieses Buch. Die Kriterien, nach denen wir die Kräuter ausgewählt haben, ist schlicht die ihrer Schmackhaftigkeit. Wir beschreiben jene Kräuter, die eine lange Geschichte in der Verwendung als Würzkraut haben – wie Rosmarin oder Fenchel –, und zwar nicht nur in Mitteleuropa, sondern weit darüber hinaus. Viele Kräuter haben auch eine Nutzungsgeschichte im Orient, und ihre Heilwirkung ist in alten Kräuterbüchern beschrieben. Alle unsere Gewürz- und Teekräuter haben zudem eine medizinale Wirkung. Kräuter, die „reine“ Heilkräuter sind, beschreiben wir in diesem Buch nicht, weil es schlicht den Umfang gesprengt hätte. Besonders wichtig sind uns all jene Kräuter, die als Teekräuter in unseren Gärten angebaut werden können, und aus denen sich schmackhafte Kräutergetränke herstellen lassen.
Frische Kräuter aus dem Garten bringen Geschmacks- und Farbenvielfalt in die Küche.
Zum Aufbau dieses Buches
Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden allgemein wichtige Aspekte des Kräuteranbaus beschrieben: Wo und wie wachsen Kräuter im Garten gut? Was brauchen sie, um im Topf gedeihen zu können? Was tun, wenn sie doch einmal krank werden? Welche Pflege benötigen Kräuter im Garten, um langlebig und gut zu wachsen? Wie erntet und trocknet man sie? Welche Kräuter werden über Samen vermehrt und welche vegetativ? Und: Welche Kräuter eignen sich gut für die Floristik?
Im zweiten Teil des Buches stellen wir die einzelnen Kräuter genau vor. Die Kräuter sind danach gegliedert, in welchem Lebensbereich sie am liebsten wachsen. Bei den einzelnen Kräuterporträts wird neben Pflege und Ernte auch beschrieben, welche Rolle die einzelne Pflanze in der Gartengestaltung und in der Floristik spielen kann, welche überlieferten und schulmedizinisch bestätigten Heilwirkungen die Pflanze hat, wie sie am einfachsten im Hausgarten vermehrt werden kann und welche Sorten wir für welchen Anlass – sei es aus gartenbaulicher oder aus kulinarischer Sicht – empfehlen.