Die Ansicht, dass Kranke in jedem Fall im Bett oder zumindest zu Hause bleiben müssten, ist veraltet. Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht zwingend Bettruhe. Alles, was der Genesung dient oder ihr zumindest nicht schadet, ist erlaubt.
Klar, wer hohes Fieber hat, der will wahrscheinlich nur schlafen. Doch selbst während einer längeren Grippe ist irgendwann der Kühlschrank leer, die Decke fällt Ihnen auf den Kopf und Sie sollten mal ein paar Minuten an die frische Luft gehen. Das ist nicht verboten.
Diese Tätigkeiten sind erlaubt
Welche Tätigkeiten während einer Krankschreibung erlaubt sind, hängt sehr von der Art des Leidens ab. Leiden Sie an einer Erschöpfung, sollten Sie anstrengende Strategiespiele am Computer bleiben lassen. Ihr Arzt wird Ihnen eher raten, in der Natur spazieren zu gehen, und hätte wahrscheinlich auch nichts dagegen, wenn Sie mit einer Freundin gemütlich Kaffee trinken. Zur Sicherheit sollten Sie den Rat zu solchen Aktivitäten aber im Arztzeugnis festhalten lassen. Dann brauchen Sie nichts zu befürchten, wenn Sie dabei einen Kollegen treffen.
DIE KAUFMÄNNISCHE ANGESTELLTE HEIDI S. aus dem Beispiel auf Seite 15 ist wegen einer schweren Sehnenscheidenentzündung krankgeschrieben. Sie sollte das betroffene Handgelenk mit einer Schiene ruhigstellen. Andere Einschränkungen hat Frau S. nicht. Sie darf trotz der Handgelenkschiene mit Freunden ins Kino gehen oder eine Wanderung unternehmen. Das schadet ihrer Genesung nicht.
Sprechen Sie mit dem Arzt darüber, was Ihnen guttut. Sollten Sie mit Ihrem Rückenleiden häufiger schwimmen gehen? Haben Sie Lust, trotz Hinkebein die neue Komödie mit Ihrem Lieblingsschauspieler zu sehen? Davon wächst das gebrochene Bein zwar nicht schneller zusammen, aber schaden wird es Ihnen bestimmt nicht.
Was Sie lieber lassen sollten
Verboten sind während der Krankschreibung sämtliche Freizeitaktivitäten, die die Genesung verzögern oder verhindern. Ihre arbeitsrechtliche Treuepflicht zwingt Sie dazu, solche Tätigkeiten zu unterlassen.
WÄHREND IHRER KRANKSCHREIBUNG sollte Heidi S. das Handgelenk strikt ruhigstellen. Doch stattdessen nutzt sie die freie Zeit, um ihre Wolldecke fertig zu stricken. Die Sehnenscheidenentzündung verschlimmert sich, die Arbeitsunfähigkeit hält länger an. Frau S. hat die Verschlimmerung in grobfahrlässiger Weise selbst verschuldet, der Arbeitgeber darf deshalb die Lohnfortzahlung kürzen. Um das Ausmass der Verschlimmerung feststellen zu können, schickt er sie zum Vertrauensarzt (siehe Seite 39).
Nach dem Gesetz schuldet Ihnen der Arbeitgeber bei Arbeitsverhinderung nur dann den Lohn, wenn sie ohne eigenes Verschulden arbeitsunfähig sind. Sind Sie absichtlich arbeitsunfähig – zum Beispiel nach einer medizinisch unnötigen Schönheitsoperation –, muss er nichts zahlen. Sind Sie bloss zum Teil schuld an der Arbeitsunfähigkeit, kann er den Lohn entsprechend kürzen.
Krank in die Ferien?
Wer krank ist, kann keine Ferien machen? So einfach ist es nicht. Je nachdem, aus welchem Grund Sie arbeitsunfähig sind, können Sie sich in den Ferien trotzdem erholen, sind also nicht «ferienunfähig».
Gerade wenn jemand längere Zeit an der Arbeit verhindert ist, kann der Wunsch nach einem Tapetenwechsel aufkommen. Hier erfahren Sie, worauf man dann achten muss und ab wann der Arbeitgeber die Ferien kürzen darf.
Ferien nachholen
Wenn Sie in den Ferien verunfallen oder erkranken und deshalb die freien Tage nicht zur Erholung nutzen können, sollten Sie unbedingt den Arzt aufsuchen und auch die Firma informieren. Nur mit Arztzeugnis und Krankmeldung ist es Ihnen möglich, Ihre Ferien später nachzuholen. Doch aufgepasst: Ferien nachholen kann nur, wer selber krank war, für den mitgereisten Partner gibt es diese Möglichkeit nicht.
Verkaufsleiter Alain M. erkrankt in der zweiten Woche seiner Skiferien an einer Lebensmittelvergiftung. Das Hotel ruft einen Arzt, der ihm ein Zeugnis ausstellt, und Herr M. meldet die Erkrankung seinem Chef. So kann er die versäumten Ferientage ein andermal nachholen. Seiner Frau, die etwas anderes gegessen hat, werden die Ferientage aber abgezogen. Auch wenn sie die Ferien nicht so gestalten kann wie geplant, kann sie sich in dieser Zeit doch gut erholen.
Ferien beziehen trotz Arbeitsunfähigkeit
Vor allem wenn Sie länger krank sind, haben Sie vielleicht den Wunsch, in die Ferien zu fahren. Ob Sie verreisen dürfen, oder ob dies Ihrer Gesundheit eher schadet, muss Ihr Arzt beurteilen. Gleichzeitig sollte der Arzt Ihnen unbedingt bescheinigen, ob Sie aufgrund Ihrer Gesundheit in der Lage sind, die Ferien ganz normal zur Erholung zu nutzen, oder eben nicht. Davon hängt ab, ob Ihnen die Ferientage trotz Krankheit vom Feriensaldo abgezogen werden.
Ferienbezug, wenn man zur Erholung fähig ist
Wenn jemand arbeitsunfähig ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass er auch unfähig ist, Ferien zu beziehen beziehungsweise diese ganz normal zur Erholung zu nutzen. Zum Beispiel ein Dachdecker mit verstauchtem Fuss: Arbeiten kann er mit dieser Verletzung sicher nicht, das wäre zu gefährlich. Die Schmerzen im Fuss sind jedoch nicht so stark, dass er sich deswegen in den bereits geplanten Ferien nicht erholen könnte. Bezieht dieser Dachdecker Ferien, werden ihm die Tage vom Feriensaldo abgezogen. Er erhält also in dieser Zeit Ferienlohn und keine Lohnfortzahlung.
Es kommt übrigens nicht darauf an, ob man die Ferien plangemäss verbringen kann. Auch wenn der Dachdecker die vorgesehenen Wanderferien verletzungsbedingt absagen muss, kann er sich dennoch erholen – etwa mit einem spannenden Buch zu Hause im Garten.
info Die Unfallversicherung unterscheidet nicht zwischen Arbeitsunfähigkeit und Ferien(un)fähigkeit. Um Unfalltaggelder zu erhalten, genügt es, dass Sie arbeitsunfähig sind. Was das für die Praxis bedeutet, ist ungeklärt. Sicherlich wäre es stossend, wenn der Arbeitgeber einerseits die Taggelder einkassieren und Ihnen andererseits die Ferien zu 100 Prozent vom Feriensaldo abziehen würde. Ebenfalls falsch wäre es, wenn Sie in der Ferienzeit Taggeld und Ferienlohn gleichzeitig erhalten würden. Vielleicht können Sie durch einen 20-prozentigen Ferienbezug das Unfalltaggeld von 80 auf 100 Prozent ergänzen? Eine richtige Lösung, bei der niemand bereichert wird, gibt es nicht.
Verreisen trotz Ferienunfähigkeit?
Mit hohem Fieber oder wenn Sie zwingend eine Therapie einhalten müssen, können Sie sicherlich nicht verreisen. Es gibt aber auch Krankheiten und Verletzungen, mit denen zwar eine Reise, aber keine Erholung möglich ist. Zum Beispiel bei schweren Dauerschmerzen: Diese quälen Sie in der Ferne ebenso sehr wie zu Hause, an Erholung ist nicht zu denken. Oder aber Sie sind nach einem Burn-out so erschöpft, dass Sie auch in den Ferien nicht abschalten können. In solchen Fällen wäre ein Abzug vom Ferienguthaben nicht gerechtfertigt.
Das gilt auch, wenn der Arzt der Meinung ist, ein Tapetenwechsel könne Ihrer Psyche trotz Schmerzen oder Burn-out guttun, die Ferien könnten quasi als Therapie eingesetzt werden. Richtige Ferien, die der normalen Erholung dienen, sind dies nicht. Lassen Sie sich in einer solchen Situation die «Ferienunfähigkeit» vom Arzt bescheinigen.
tipp Wenn eine Krankentaggeldversicherung besteht, sollten Sie den Versicherer anfragen, bevor Sie eine Auslandreise buchen und antreten. Verlangen Sie eine schriftliche Bestätigung, dass Sie die Taggelder auch während des Auslandaufenthalts erhalten. Denn die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sehen häufig einen Leistungsstopp vor, wenn sich ein Versicherter ohne vorgängige Zustimmung ins Ausland begibt. Das gilt nicht nur für Ferien- und Erholungsreisen, sondern auch, wenn ein ausländischer Staatsangehöriger in sein Heimatland fährt, weil er dort von seiner Familie die Pflege erhält, die ihm in der Schweiz fehlt. Erklären Sie dem Versicherer, weshalb die Reise Ihnen guttut, und legen Sie eine Empfehlung des Arztes bei.
Ferienkürzung bei längerer Absenz
Wenn Sie längere Zeit krank sind, hat Ihre Arbeitgeberin das Recht, Ihren Ferienanspruch für das laufende Jahr zu kürzen. Es besteht aber keine Pflicht dazu, die relativ komplizierte Ferienkürzung tatsächlich vorzunehmen.
Entscheidet sich die Arbeitgeberin zur Ferienkürzung, bleiben die Ferien, die Sie vor Ihrer Arbeitsverhinderung bereits erarbeitet haben, in jedem Fall unangetastet. Wichtig ist auch, dass nur volle Absenzmonate eine Kürzung zur Folge haben können, angebrochene Monate hingegen nicht. Alle Krankheits- und Unfallabsenzen eines Jahres werden zusammengezählt.
info Gerechnet wird in der Regel in Dienstjahren. Ein Dienstjahr beginnt an dem Tag, an dem Ihr Arbeitsvertrag ursprünglich angefangen hat, zum Beispiel am 1. Mai. Es ist aber erlaubt, vertraglich zu vereinbaren, dass für die Berechnung des Ferienanspruchs und der Ferienkürzung nicht das Dienstjahr, sondern das Kalenderjahr massgeblich ist. Schauen Sie im Arbeitsvertrag nach.
Der erste Absenzmonat in einem Anstellungsjahr ist Schonfrist, da darf die Arbeitgeberin keine Ferien kürzen. Erst wenn Sie mindestens zwei volle Monate arbeitsunfähig waren, dürfen die Ferien fürs laufende Jahr gekürzt werden. Je länger Sie ausfallen, desto mehr wird Ihnen abgezogen:...