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Technik: Taschenlampen, Baustrahler und Blitze
Wie findet man seine optimale Technik? Und das, ohne gleich tief in die Tasche greifen zu müssen?
2-1: Ein stark weitwinkliges Objektiv ermöglichte diese Aufnahme – ich stand mit den Füßen auf dem Steinring.
An der Technik können Sie am besten sparen, wenn Sie sich klar sind, was Sie wollen, wenn Sie also Ihren Stil bereits entwickelt haben.
Wählen wir als Beispiel einen Fotografen, der am liebsten Modelle in neue Hintergründe montiert. Er benötigt dafür keine besonders ISOstarke Kamera, das heißt eine Kamera, bei der der Sensor so angelegt ist, dass er bei höheren ISO-Werten nicht zu stark verrauschten Bildern führt. ISO-Stärke dürfte ihm gleich sein, da er vermutlich viel im Studio mit Blitzanlage arbeitet und dort kaum hohe ISO-Werte braucht. Wenn er vor allem im Ganzkörperbereich unterwegs ist, benötigt er nur einen bestimmten Brennweitenbereich. Starke Telewirkung oder Makroobjektive werden nicht nötig sein, ebenso wenig wie Objektive, die besonders große Blendenöffnungen, etwa 2,8 oder 1,2 ermöglichen. Auch werden für ihn nicht alle Hintergrundfarben interessant sein. Eine Blitzanlage mit unterschiedlichen Lichtformern hingegen wäre sinnvoll.
Für einen anderen Fotografen, der zum Fotografieren am liebsten in die Natur geht und Fan von natürlichem Licht ist, wäre eine ISO-starke Kamera hingegen sinnvoll und ebenso Objektive, die hohe Blendenöffnungen aufweisen. Seine Lichtausrüstung dürfte einfacher ausfallen und Studiohintergründe benötigt er gegebenenfalls gar nicht.
Möglicherweise wollen Sie sich aber nicht zu sehr festlegen, stehen erst am Anfang und wissen noch nicht, wohin die Reise geht, oder mögen die Abwechslung. In diesem Fall empfehle ich Ihnen einen Mittelklasse-DSLR-Body eines der bekannteren Hersteller. Zwar liefern Bridgekameras am Anfang oft sogar bessere Ergebnisse, engen Sie aber wahrscheinlich bald schon ein: Denn die meisten Bridgekameras erlauben keine/kaum Objektivwechsel, Sie können also zum Beispiel keine Extrembrennweiten ausprobieren oder ganz bewusst ein besonders scharfes oder besonders Bokeh bildendes Objektiv einsetzen. Im Zweifelsfall würde ich für die Objektive mehr als für den Body ausgeben – diese können Sie meist länger verwenden, sofern Sie der Kameramarke treu bleiben.
Leichter als an der Kamera können Sie am Licht sparen und sich zugleich kreativ austoben.
Kamerainterner Blitz
Leider verhilft diese an fast jeder Kamera verfügbare Variante selten dazu, gute Bilder zu machen. Eingesetzt werden kamerainterne Blitze, wenn es trashig aussehen soll, wenn Sie also gerade diese Optik bewusst einsetzen möchten, wie zum Beispiel in den Fotografien von Jürgen Teller: Solche Bilder wirken einerseits wie der Zugang zum Backstage-Bereich, wie eine Entlarvung der Fashion-Glamour-Welt, aber auch wie eine bewusste Überhöhung derselben gegenüber dem Rezipienten, dem ein – nach normalen Kriterien – technisch schreckliches Bild zugemutet wird, gerne noch verbunden mit skurril, arrogant oder unwillig wirkenden Posen und Ausdrücken. Solche Trash-Bilder zu fotografieren, ist schwieriger als man denkt, und man wird sie Ihnen auch nur abnehmen, wenn Sie schon bewiesen haben, dass Sie es auch anders, »nach den Regeln der Kunst«, können.
Abgesehen davon gibt es vor allem zwei Möglichkeiten, den kamerainternen Blitz zu nutzen: Sie können ihn zum leichten Aufhellen verwenden. Da er dafür aber oft zu hart und zu stark ist, sollten Sie ihn mit einem Tuch abdecken. Wenn farbneutral geblitzt werden soll, wählen Sie ein helles, dünnes Tüchlein, das Sie notfalls auch mehrlagig verwenden können. Sie können den Blitz auch halbseitig stark abdecken, um dem Licht etwas mehr Richtung zu geben. Achten Sie darauf, dass vor dem Model keine Objekte stehen, die zu viel Licht abbekommen würden.
2-2: Zu wenig Licht, und weder Lichtanlage noch Stativ an Bord. Einen Ausweg schaffte der kamerainterne Blitz, der halb abgedeckt wurde.
Noch schwieriger ist das Umlenken des Blitzes, mehr dazu unter »Reflektierendes«.
Billiges
Kennen Sie Muskatnüsse? Im alten Ägypten fand man sie als Grabbeigabe. Später gelangte die Nuss über Händler nach Europa. Einer Preisliste aus dem Jahr 1393 zufolge entsprach ein Pfund Muskat dem Wert von sieben fetten Ochsen. Ab 1512 importierten die Portugiesen von den Banda-Inseln Muskatnüsse, auch das Gold Ostindiens genannt. Später wurden sie von den Niederländern verdrängt. Im Kampf um das Muskatnuss-Monopol tauschten die Niederländer 1667 ihre Insel Manhattan gegen die kleine ostindische Insel Run ein. Heute gibt es Muskatnussgewürz für 2–3 Euro, nichts Besonderes. Ähnlich erging es der Ananas, die sich lange weder in europäischen Breiten anpflanzen noch gut aus der Ferne importieren ließ. Damals hochbegehrt, heute auf jeder billigen Pizza Hawaii, die man sich rasch »auf die Hand« kauft, wenn die Zeit knapp ist. Dennoch schmecken Muskatnuss und Ananas nicht anders als zu den Zeiten, als sie noch immens teuer und selten waren.
Bewegen wir uns mehr Richtung Ästhetik. An Orten und zu Zeiten, in denen das Essen knapp ist, werden füllige Körper gewürdigt. Wenn jedoch fettiges Essen und ein lethargischer Lifestyle weit verbreitet sind, bevorzugen wir schlanke, durchtrainierte Körper.
2-3: Tiefenunschärfe, Dynamik und »der richtige Moment« sind Zutaten für einen recht kostengünstigen Stil.
Was reichlich und günstig verfügbar ist, werten wir ab, das Seltene, Teure zieht uns in seinen Bann.
Wie ist es in der inszenierten Menschenfotografie?
Es gibt Genres, bei denen die Aura des Luxuriösen, Teuren den Look ausmacht. Hier sind nicht nur die typischen Magazin-like-Fotos zu nennen, die gerne mit besonders teurer Fashion an tollen Locations geshootet werden, sondern auch romantische Fantasiefotos, die nicht ohne aufwändig genähte Kostüme und Headdresses auskommen, sowie all jene Bilder, die eine besondere Lichtsetzung erfordern. In der Lifestyle-inspirierten Fotografie hingegen braucht es all das nicht. Das Alltägliche wird inszeniert: ein Mädchen in Jeans, eine Straße entlang laufend, Wind in den Haaren. Oder in der Modern-Boudoir-Richtung: ein Model, sich in Dessous oder nackt im Bett räkelnd oder sich an einen Türrahmen lehnend. Gerne sieht man dynamische Momente, Tiefenunschärfe ist erwünscht, Bewegungsunschärfe kein K.-o.-Kriterium. Die inszenierte Fotografie zelebriert Authentizität.
Available Light
Als »Available Light« bezeichnet man das natürlich vorhandene, ohnehin verfügbare Licht. In erster Linie bezieht sich der Begriff in der Fotografie auf das durch die Sonne entstehende Tageslicht. Man kann aber auch Licht von Straßenlaternen, Autoscheinwerfern, Leuchtreklamen etc. zum Available Light rechnen. Widmen wir uns aber dem durch die Sonne entstehenden Licht: Dies wird in weiches und hartes Licht unterteilt, hartes entsteht bei direkter Sonneneinstrahlung, weiches bei diffusem Licht.
Typischerweise empfinden viele Fotografen hartes Licht als schwierig für die Menschenfotografie, denn es erzeugt harte Schatten im Gesicht und am Körper des Models. Diese harten Schatten und den damit verbundenen Eindruck von starker Sonne machen sich Fashion-Fotografen zunutze, die damit auf das Reisen in südliche Länder und den damit verbundenen Luxus anspielen. Da sich Modelle verständlicherweise mit dem Blick in die Sonne schwertun und die Augen zusammenziehen, sind Sonnenbrillen hier gleich in mehrfacher Hinsicht ein sinnvolles Accessoire: als ein Symbol für Urlaub, Wohlstand und Prominenz, zugleich eine angenehme Abschattung für die Augen, die je nach Tönung der Brille sogar geschlossen bleiben können. Bei sehr hoch stehender Sonne wirft aber auch die Brille im Gesicht eines stehenden oder sitzenden Models zu starke, unvorteilhaft wirkende Schatten. Das heißt aber nicht, dass Sie bis zum Abend warten müssen: Ändern Sie einfach die Position des Models! Im Liegen ist hohe Sonne keineswegs so unvorteilhaft. Außerdem findet man auch immer wieder schattige Plätzchen. Apropos Schatten: Wenn Sie sich fotografisch schon sicher fühlen, können Sie das harte Sonnenlicht auch wunderbar für Schatteneffekte nutzen, die Sie sonst oft nur mit teureren, fokussierbaren Lampen oder Blitzen erzielen. Es gilt also keineswegs: »Zwischen zwölf und zwei hat der Knipser frei.«
Tatsächlich ist aber weicheres Licht etwas vielfältiger nutzbar. Detailreiche Outfits oder mimikreiche Gesichter werden hiermit tendenziell besser inszeniert. Den genauen Hintergrund brauchen Sie nicht nach Lichtrichtung auszuwählen, sondern können rein auf seine Eignung für das Bildmotiv schauen. Bei geplanten Teilmontagen lässt weiches Licht mehr Möglichkeiten offen; wenn Sie dem Model zum Beispiel in der Bildbearbeitung einen Hut aufsetzen oder ein wehendes Tuch in die Hand geben möchten, müssen Sie viel weniger darauf achten, dass diese Elemente bei exakt gleicher Lichtrichtung und -intensität aufgenommen wurden.
2-4: Available Light an einem bedeckten Wintertag
Weicheres Licht findet man an Sonnentagen im Schatten, bei bedecktem Himmel überall.
Bei Sonnenlicht müssen Sie sich – sofern Sie keine Lichtformer wie Reflektoren einsetzen – viel stärker der Lichtrichtung beugen. Eine den meisten Gesichtern gut stehende Lichtrichtung ist das Licht von frontal...