Der Krieg beginnt
Am 28. November 1912 rückte ich als Berufsfreiwilliger zum k. u. k. Inf. Regiment Nr. 27 nach Laibach ein. Nach kurzer Ausbildung im Kompaniedienst gibt mich mein Komp. Komdt. Hptm Erich Muse in den 8 wöchentlichen Manipulantenkurs, nach Absolvierung des Kurses bleibe ich in der Komp. Kanzlei. Nach Beförderung zum Gefreiten und später zum Korporal komme ich mit Kps. Kmdos. Gesuch zur 12. Feldkompanie nach Graz, melde mich bei vorhergenannter Komp. als Frontunteroffz.
Nicht lange dauert die herrliche Friedenszeit in der Grazer-Garnison. Am 28. Juni 1914 wird durch ruchlose Mörderhand das Thronfolgerpaar in Sarajevo ermordet. Düstere Wolken zogen sich über die Monarchie. Überall die Rufe – Rache! Krieg!
26. Juli 1914
Der unglücklichste Tag der Geschichte Österreich-Ungarn, der Tag wo sich die Pforten allen Unglücks und Jammers öffneten.
Von 25. auf 26. Juli 1914 halte ich Thorordnungsdienst in der Dreihackenkaserne, noch am 25. um 10 h Nachmittag kommt das erste Telegramm von der Kriegserklärung Serbiens an Österreich -Ungarn. Am 26. 3 h Vormittag laufe ich in die Wohnung meiner Eltern, als Erstes gratuliere ich meiner Mutter zum Namensfest (Anna) gleich darauf sage ich ihr vom Kriegszustand, gar nicht im Einklang kommen die Namenstasgswünsche mit der erschütternden Nachricht vom Kriege.
Noch denselben Tag fassen wir unsere grauen Feldmonturen, geben die Bajonette in die Schleiferei, zuletzt werden noch scharfe Munition und die Reserve Portionen an jeden Mann verteilt. Vor dem Kasernentor stehen Tag und Nacht Gruppen von Neugierigen, Angehörige von Soldaten.
27. Juli 1914, II. Mobtag
Werde ich als Präsentierungs Unteroffz. für die bereits einberufenen Reservisten in den großen Hof der Dominikanerkaserne kommandiert. Tausende von jungen Männern zogen beim Kasernentor heran, geben ihre Militärpässe zur Präs. an den mit Jahrgängen bezeichneten Tischen ab, ich habe vollauf zu tun und kann mir kaum einige Minuten der Ruhe gönnen. Ziel- und planlos irrten die Reservisten herum, bis man sie in ihre betreffenden Unterabtlgn. einteilt. Bis zum 30. 7. dauert die Präsentierung hernach rückte ich wieder zu meiner Komp. ein.
31. Juli 1914
Werden noch die Tornister vorschriftsmäßig gepackt, das Verbandspäckchen in die linke Hosentasche genäht und das Legitimationsblatt mit Kapsel in die rechte Hosentasche befestigt. Mit Ungeduld harren wir schon der Abreise ins Feindesland.
1. August 1914
Tagwache um 5 h vorm. Um 10 Uhr 30 vorm. tritt das III. /27 Feldbaon in voller Marschadjustierung zur Inspizierung vor dem Baonskmdtn. Obstlt. Walland an. Nach einer begeisternden Ansprache treten wir ab.
2. August 1914
Stehe ich im Dienst als Korp. v. Tag um 8 Uhr vorm. findet unter Beteiligung der ganzen Garnison Graz eine Feldmesse statt. Nachm. freier Ausgang ich verbringe meine freie Zeit bei den Eltern zu, ordne meine Habseligkeiten und sonstig. Angelegenheiten vor dem Abgange ins Feld.
3. August 1914
Um 6 h vorm. Antreten im Hofe in Marschadjust. Züge und Schwärme werden eingeteilt, ich werde im 1. Zug als Schwarmkomdt. des II. Schwarmes bestimmt. Hernach werden vier Chargen zu unserem Zugskmdtn. Lt Schuppanzig gerufen und über das Verhalten vor dem Feinde belehrt. Gleich nach der Mittagsmenage werde ich mit 3 Mann zur Verkehrsbank am Bismarckplatz befohlen bekomme den Auftrag etwaige demonstrative Ansammlungen gewalttätige Andränge zur Bank mit der Waffe zu vereiteln. Auf dem Marsche zum Bankgeschäft ereignete sich ein kleiner Zwischenfall, auf der Albrechtsbrücke stehen 2 Männer in bessseren Civil, im Anmarschieren bemerke ich dass uns einer der Männer mit einem kleinen Fotoapparat fotographiert, ich hege sofort Verdacht und vermute in den beiden Männeren Spione. Kurz entschlossen verhafte ich beide Männer, was nicht ohne Menschenauflauf abgeht und bringe sie ins Grazer Rathaus am Hauptplatz. Eingedenk meines anzutretenden Dienstes in der Bank verhör ich sofort den verhafteten Fotographen. Nachdem sich der Mann als Musiklehrer einer hiesigen Musikschule legitimert und er seine Unwissenheit über das Verbot des Fotographierens von Militär in Felduniform nachweist, lasse ich die beiden Männer wieder laufen.
4. August 1914
Von 6 h früh bis 12 h mittag halte ich mit meinen 6 Mann Wache, der Dienst ist sehr angenehm. Den ganzen Tag über kommen Leute, besichtigen unsere feldmäßige Ausrüstung fragen um dies und jenes, fortwährend bringen uns gute Leute Cigretten, Mehlspeisen und Geld welches ich als Wachkommandant unter meinen Leuten aufteile. Die enorme Augusthitze zwingt uns in dienstfreien Stunden, in den kühlen Hofraum zu flüchten. Vom 3. Stockwerk lassen uns Bewohner mit Stricken Flaschenbier und Pakete mit Cigarren und Cigretten herunter, sogar Kopfpölster und gepolsterte Möbel bringt man uns; ich kann den guten Leuten nicht genug danken.
5. August 1914
Habe meinen letzten Dienst bei der Bank, unerträglich die Hitze, wohl sitz ich gemütlich im Bankgewölbe bei einigen Flaschen Bier, vor mir steht eine Schachtel Damen-Cigretten, liehs soeben die Sonderausgabe „Kriegserklärung-England an Deutschland. “
6. August 1914
Um 5 h 30 vorm. Ausrücken auf das Exerzierfeld (Göstinger Au) dort bis 11 h vorm. Übung im Zeltaufschlagen und im Entwickeln zum Angriff. Nachmittag bis 5 h Schule über Kriegsartikel. Abends besuch ich meinen Freund Glatz.
7. August 1914
Im Rgmtsverband Marschübung nach Liebenau, Petersbergen und Waltendorf.
8. August 1914
Vorm. Schule über Palamentäre, Feldwachen etc. nachm. Schießübung am Feliferhof, ich bin Zieler…
9. August 1914
Vorm. am Lazarettfelde feierlicher Fahneneid des ganzen Rgmts.
10. August 1914
Bin ich im Dienst als Kpl. vom Tag.
11. August 1914
Treffen die letzten Vorkehrungen für die Abreise ins Feld. Das I. /27. Feldbaon zog bereits in der früh unter klingenden Spiel und unter Jubel der Bevölkerung zum Bahnhof, nachm. folgten der Stab und das IV. /27. Feldbaon.
12. August 1914
Mein Baon hat bereits den Abmarschbefehl erhalten, in aller früh beginnen wir schon zu packen, die Gewehre und den Tornister mit Blumen dekorieren. Die Stunde des Abschieds aus der Heimat rückt immer näher, um 6 h nachm. sammeln sich die Kompanien des III. /27. Feldbaons im Hofe, dichtgedrängt stehen Civilleute, Frauen und Kinder im Kasernhofe, auch meine Mutter mit Schwester Greti stehen an meiner Seite. Um 8 h abends erschallt das Signal „habt acht“ unser Baon Komm. Obstlt Wallana hält uns vor dem Abmarsche eine Ansprache mit den Schlußworten „Wir wollen nicht erobern, wir wollen uns nur verdeitigen.“ Dann wird zum Gebet geblasen und mit Hurra! geht’s unter klingendem Spiel zum Kasernentor hinaus, wohl halt mich meine Mutter fest an der Hand und weint - leider es muss geschieden sein. Bis zum Bahnhof begleitet mich mein Bruder Hans. Um 11 h 30 nachts dampfen wir unter Hurrarufen aus der Bahnhofshalle Graz – hinaus ins blutige Feld.
13. August 1914
Bei Tagesanbruch gelangen wir in die ungarische Tiefebene, auf jeden Bahnhof empfing uns die Bevölkerung mit Elysenrufen, bekommen Cigaretten, Brot und Getränk.
14. August 1914
Um 3h 30 vorm. fahren wir langsam in die Bahnhofhalle von Budapest ein. Leider kann man infolge des dichten Nebels nichts sehen von der Stadt Budapest. Um 4 h früh passieren wir die große Donaubrücke und fort geht es hinein ins tiefe Ungarland, unübersehbar Tabak, Zuckerrüben und Getreidefelder lagen beiderseits der Strecke, in den Waggons mit 30 Mann war eine unausstehliche Hitze auf jeder Station bitten wir die Leute um Wasser einige meiner Kameraden platzieren sich auf dem Dache des Waggons, ich setze mich an die Waggonrampe und lasse meine Füße hinunterhängen nicht achtend welche böse Folgen dies bringen könnte. Um 8 Uhr abends erreichen wir Debrecen. Der ganze Bahnhof ist mit Neugierigen und Labepersonal überfüllt wir haben eine Stunde Rast, dies nützen unsere sangeslustigen Steirer aus und gaben einige Heimatlieder zum Besten, wir werden reichlich bewirtet – leider kann ich nicht so lustig sein wie meine Kameraden. Durch die lange Fahrt und das ständige sitzen an der Waggonrampe sind meine Füße so dick angeschwollen, das ich bei jeden Schritt schreien möchte. Zum Glück entdecke ich am Bahnhof einen Eiswaggon und mache mir Eisumschläge, um 9 h nachts geht die Fahrt weiter gegen Galizien.
15. August 1914
Bei herrlichen Wetter seh ich schon die grünen Föhren der Karpathen, pustend und schnaubend arbeiten unsere Lokomotiven die schwere Zugsgarnitur über die Höhe hinauf. Passieren 4 Tunelle...