Erfolgreiche Dienstleistungsinnovationen schaffen Wettbewerbsvorteile und ermöglichen den Unternehmen zukünftige Umsätze zu sichern. Innovationen sind allerdings mit großen Risiken und hohen Flopraten behaftet, so dass der Bedarf nach Strategien und Instrumenten zur Reduktion dieser Probleme offensichtlich ist. Kundenintegration ist eine Maßnahme, um diesem Dilemma vorzubeugen. Was kennzeichnet jedoch eine aktive Kundenintegration? Wer sind die geeigneten Kunden und welche Bedeutung werden diesen zuteil? Diese Fragen sollen in den folgenden Abschnitten näher betrachtet und die zentrale Funktion der Kunden im Entwicklungsprozess einer logistischen Dienstleistung herausgearbeitet werden.
3.1.1 Begriffliche Abgrenzung
Die Voraussetzung für eine generell enge Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Nachfrager besteht in einer allgemeinen Kundenorientierung des Unternehmens.[106] Dabei geht es um das Bemühen, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen und sich für entsprechende Lösungen einzusetzen. Die Kundenorientierung bezieht sich folglich auf die prinzipielle Ausrichtung aller Geschäftsabläufe auf den Kunden, die häufig über die Marktforschung realisiert wird. Sie verhilft dem Unternehmen, Informationen über allgemeine Anforderungen und Wünsche der Nachfrager zu erhalten und eine breite Marktakzeptanz sicherzustellen. Zur Entwicklung wirklich innovativer Leistungen bedarf es aber mehr als dem Wissen des Kundendurchschnitts.[107] Solches Wissen liegt häufig nur in impliziter – schwer übermittelbarer – Form beim Kunden vor und ist nicht allein über eine Kundenorientierung im Unternehmen greifbar zu machen. Ein generelles Commitment des Unternehmens zur Kundenorientierung dient jedoch als Plattform für eine konsequente Kundenintegration, die zusätzlich die Einbindung des Nachfragers in den Innovationsprozess vorsieht. Durch eine solche Maßnahme besteht seitens des Dienstleistungsanbieters die Möglichkeit, im Optimalfall den Nachfrager als Mitentwickler einzubeziehen und so dessen Wissenspotenzial voll nutzen zu können. Das Grundprinzip der Kundenintegration basiert daher auf einer gemeinsamen Zusammenarbeit zur Lösung von Problemen und zur Gestaltung des Innovationsprozesses.[108] Abbildung 6 verdeutlicht diese Vorgehensweise. Durch die Beiträge des Nachfragers werden dieser selbst oder seine anderen extern eingebrachten Faktoren in den Wertschöpfungsprozess des Herstellers integriert und mit den Potenzialen des Anbieters zu einer Problemlösung kombiniert.[109] Zur weiteren Begriffsbestimmung wird die Kundenintegration definiert als „die Mitwirkung und der Einfluss des Kunden bei der Leistungserstellung und die zielgerichtete Transformation der gewonnenen Informationen im Hinblick auf das gewünschte individuelle Leistungsergebnis.“[110]
Abbildung 6: Prinzip der Kundeneinbindung
Quelle: Reichart (2002), S. 25.
Das Ziel der Kundenintegration besteht demgemäß darin, das implizite Wissen – auch als sticky information bekannt[111] – der Kunden zu erschließen und mit den internen Faktoren im Unternehmen zu einer spezifischen Leistung zu verknüpfen.[112] Zur Einbindung des Know-hows respektive des Wissens der Kunden in die Unternehmensentwicklungsaktivitäten unterscheidet Walcher zwei Methoden, die auf dem Ort der Innovationsinitiative aufbauen.[113] In Abbildung 7 erfolgt die Darstellung beider Wege, an das Wissen der Kunden zu gelangen. Differenziert wird dabei zwischen der reaktiven und aktiven Kundenintegration. Der Grundgedanke der reaktiven Kundenintegration besteht in der Übernahme von Kundeninnovationen. Im Prinzip findet hier keine wesentliche Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Nachfrager einer Leistung statt, sondern die Aufgabe des Unternehmens liegt allein in der Suche bzw. dem Aufspüren der bereits vom Kunden entwickelten Innovationen. Diese werden im Anschluss mit den betrieblichen Parametern verknüpft und für Unternehmenszwecke verwendet. Die Integration des Kunden beruht in diesem Fall lediglich auf der Einbindung des vom Kunden bereits umgesetzten Wissens.
Abbildung 7: Aktive und reaktive Kundenintegration
Quelle: Walcher (2007), S. 27.
Im Rahmen der aktiven Kundenintegration wird seitens des Unternehmens eine enge Kollaboration angestrebt. Im Gegensatz zum reaktiven Ansatz wird hier die Innovation gemeinsam entwickelt, so dass erst bei dieser Methode von einer wirklichen Integration des Kunden in den Innovationsprozess gesprochen werden kann. Durch die Verknüpfung von internen Erfahrungen und Potenzialen mit dem vom Kunden bereitgestellten Wissen, können Innovationen generiert werden, die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit den Bedürfnissen der Nachfrager entsprechen. Zur Unterstützung der Kundenintegration können im Unternehmen verschiedene Methoden und Instrumente zum Einsatz kommen, von denen einige in den Ausführungen des Abschnittes 4 näher erläutert werden.
Zur Beurteilung der reaktiven und aktiven Kundenintegration auf ihre Verwendungsmöglichkeit im Hinblick auf die Entwicklung von Dienstleistungsinnovationen kann festgehalten werden, dass wohl nur eine aktive Kundeneinbindung den gewünschten und von Kundenseite geforderten Erfolg herbeiführen kann.[114] Nach Reckenfelderbäumer/Busse sollte eine Dienstleistung nicht unabhängig vom Leistungsempfänger entwickelt werden, da das spätere Leistungsangebot bereits im Innovationsprozess genauer spezifiziert wird.[115] Nur durch eine frühzeitige Zusammenarbeit – gemeint ist hier bereits die Integration der Kunden in einem frühen Stadium der Entwicklung – kann eine nachhaltige Marktakzeptanz sichergestellt werden. Es gilt, die Integrativität, also die intensive Einbeziehung externer Faktoren, die für die Erbringung einer Dienstleistung unumgänglich ist, auf den Innovationsprozess zu übertragen und den Kunden als Informationsquelle mit Problemlösungsqualitäten aufzufassen. Die Umsetzung einer aktiven Kundenintegration kann demnach in einer Wertschöpfungspartnerschaft münden, in der beide Parteien Vorteile aus der Arbeitsgemeinschaft ziehen.[116] Der Kunde sollte daher als besondere Resource behandelt werden, dessen Interesse auf der Hervorbringung einer individuellen Leistung beruht, allerdings auch den Anstoß für die Entwicklung weiterer Services geben kann.
3.1.2 Organisatorische Voraussetzungen
Die zunehmende Ausrichtung der Leistungen eines Unternehmens auf die Kundenbedürfnisse und die Erkenntnis, auf dynamischen Märkten nicht mehr alles selbst entwickeln und erstellen zu können, bedarf ein Umdenken zu einer stärkeren Integration der Kunden in die betrieblichen Belange. Eine grundsätzliche Voraussetzung für eine konsequente Kundeneinbindung ist die Sicherstellung eines offenen Innovationssystems.
Abbildung 8: Gegenüberstellung von geschlossenem und offenem Innovationsprinzip
Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Chesbrough (2006), S. 31, 44.
Abbildung 8 verdeutlicht durch eine Gegenüberstellung die Grundüberlegungen zweier Innovationsprinzipien. Eine Entwicklung ausschließlich mit internen Ressourcen und ohne die Einbindung von externem Know-how ist charakteristisch für ein geschlossenes Innovationssystem.[117] Damit eine Dienstleistungsinnovation nicht am Kunden vorbei generiert wird, sollte dieses eher traditionelle Vorgehen gemieden und das offene Innovationsprinzip umgesetzt werden. Auf diese Weise können externe Einflüsse während des gesamten Innovationsprozesses mit in die Entwicklung einfließen und im Ergebnis schließlich auch neue Märkte erschlossen werden. Kunden haben die Möglichkeit, ihre Ideen und Erwartungen zu äußern, während die Integration in den Entwicklungsprozess auf unterschiedliche Weise und Intensität erfolgen kann.[118] Neben den Kunden können ebenso Informationen von weiteren externen Stakeholdern wie Universitäten, Forschungsinstituten oder Lieferanten in das Unternehmen eingebracht und zur Leistungsentwicklung verwendet werden. Damit muss nicht alles benötigte Wissen selbst entwickelt oder identifiziert werden, um davon zu profitieren. Letztendlich sollte eine Innovationskultur geschaffen werden, die zwar externe Einflüsse in Form von Bedürfnis- und Lösungsinformationen entsprechend berücksichtigt, den Prozess der Entwicklung jedoch übersichtlich und beherrschbar für den Anbieter gestaltet.[119]
3.2.1 Die richtigen Kunden zur Integration
Zur Entwicklung kundennaher bzw. individueller Dienstleistungsinnovationen sind die Nachfrager in die internen Prozesse zu integrieren. Dazu müssen die spezifischen Anforderungen der...