Was ist Laktoseintoleranz?
Sie haben oft einen geblähten Bauch, spüren ein unangenehmes Drücken, Ziehen und Bauchgrummeln, leiden vielleicht sogar regelmäßig unter Bauchkrämpfen oder Durchfall? Sie vermuten es schon länger, und ein Besuch beim Arzt erbringt schließlich die Diagnose: Laktoseintoleranz. Sie vertragen Laktose (Milchzucker) nicht oder nur in geringen Mengen. Doch wodurch entstehen Ihre Beschwerden nach dem Genuss von Milchprodukten? Was bedeutet »Laktoseintoleranz« eigentlich?
Laktose und das Enzym Laktase
Laktose besteht aus zwei Bausteinen: Glukose (Traubenzucker) und Galaktose (Schleimzucker). Der Körper kann Laktose in Reinform nicht aufnehmen. Um sie verwerten zu können, muss er sie zunächst in ihre beiden Einzelbausteine aufspalten. Dafür ist das Enzym Laktase zuständig, das in der Dünndarmschleimhaut gebildet wird.
Der Zweifachzucker Laktose ist aus den Einfachzuckern Glukose und Galaktose zusammengesetzt. Mithilfe des Enzyms Laktase wird die Laktose in ihre beiden Bestandteile zerlegt.
DIE VERTRÄGLICHKEIT ÄNDERT SICH
Die Milch fast aller Säugetiere enthält 4 bis 7,5 Prozent Laktose, nur die von Seelöwen und Walrossen ist laktosefrei. Die menschliche Muttermilch enthält rund 7 Gramm Laktose pro Liter. Laktose versorgt den Säugling mit 40 Prozent der Energie, die er für Wachstum und Entwicklung benötigt. Zudem schafft sie ein saures Darmmilieu, in dem sich wertvolle Bifidobakterien ansiedeln können, und wirkt dem Wachstum von Fäulniserregern entgegen. Im Alter von 2 bis 5 Jahren beginnt das Absinken der Laktasetätigkeit. Je nach ethnischer Herkunft kann dies jedoch auch früher oder noch später geschehen (ab >).
Bei manchen Menschen ist die Laktasetätigkeit vermindert, sodass die Laktose nicht oder nur unzureichend aufgespalten in den Dickdarm gelangt. Weil im Dickdarm der Sauerstoffgehalt sehr gering ist, leben dort überwiegend anaerobe (nicht von Sauerstoff abhängige) Bakterien. Diese wandeln Laktose in Gase wie Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff sowie kurzkettige Fettsäuren wie Butter- oder Essigsäure um. Wasserstoff löst keine Beschwerden aus, dient aber als Indikator für die Diagnose (>). Kohlenstoffdioxid hingegen verursacht das typische Druckgefühl, einen aufgeblähten Bauch, eventuell Bauchkrämpfe und auch abgehende Blähungen. Bei manchen Menschen entsteht bei dieser Verstoffwechslung Methan, das besonders starke Winde produziert. Die kurzkettigen Fettsäuren wiederum sind dafür verantwortlich, dass vermehrt Wasser ins Darminnere gezogen wird. Dadurch wird der Stuhl sehr wässrig, und es können Durchfälle entstehen. Durch diese Prozesse können sich außerdem giftige Stoffwechselprodukte bilden. Diese werden teilweise in die Blutbahn aufgenommen und können zusätzliche Beschwerden wie Muskel- und Kopfschmerzen, eventuell auch Abgeschlagenheit oder eine erhöhte Neigung zu Herzrasen verursachen.
Schwankende Beschwerden
Die typischen Beschwerden der Laktoseintoleranz tauchen nicht immer zur gleichen Zeit auf, auch schwankt ihre Intensität. Es kann sogar sein, dass Sie ein Lebensmittel scheinbar manchmal vertragen und manchmal nicht. All das lässt sich damit erklären, dass verschiedene Faktoren auf die Verträglichkeit der Laktose einwirken:
- Milch(produkte) sind meist verträglich, wenn sie zusammen mit anderen Lebensmitteln im Rahmen einer Mahlzeit aufgenommen werden. So erreicht die Laktose den Dünndarm langsamer und in kleineren Portionen, kann besser gespalten und aufgenommen werden.
- Die insgesamt aufgenommene Laktosemenge wirkt sich ebenfalls auf die Stärke der Beschwerden aus.
- Die Restaktivität der Laktase (ab >) im Dünndarm beeinflusst die Verträglichkeit der Laktose.
- Auch die aktuelle Zusammensetzung der Darmflora (Darmbakterien) spielt eine Rolle.
- Angst, Stress und Rauchen aktivieren Botenstoffe, die den Transport des Speisebreis beschleunigen. So gelangt mehr Laktose in den Dünndarm.
»Im Urlaub war ich beschwerdefrei, zu Hause kehrten die Symptome gleich wieder zurück!«, berichten viele Menschen, die Milchzucker nicht vertragen. Das liegt zum einen sicher an der Entspannung. Zum anderen ist Laktoseintoleranz in beliebten Reiseländern wie im Mittelmeerraum, in Asien oder Afrika sehr verbreitet, sodass Milchprodukte in der landestypischen Küche kaum eine Rolle spielen.
KEINE ALLERGIE
Laktoseintoleranz hat nichts mit Allergien zu tun. Eine Allergie ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems, bei dieser Nahrungsmittelintoleranz hingegen ist nicht das Immunsystem schuld, sondern fehlende Enzyme im Darm.
Individuelles Empfinden
Ebenso individuell wie der Verlauf der Laktoseintoleranz ist auch die empfundene Intensität sowie die Toleranz der von ihr verursachten Beschwerden. Manche Menschen nehmen Schmerzen stärker wahr und fühlen sich schwerer durch sie beeinträchtigt als andere. Deshalb kann es vorkommen, dass die subjektiv empfundene Symptomstärke nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der aufgenommenen Laktosemenge steht.
DIE BESCHWERDEN IM ÜBERBLICK
Beschwerden, die nach dem Verzehr laktosehaltiger Speisen und Getränke auftreten können:
- Blähungen, abgehende Winde, unangenehm aufgeblähter, angespannter Bauch
- Bauchschmerzen und Bauchkrämpfe
- Durchfall, selten auch Verstopfung
- Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen
- deutlich vernehmbare Darmgeräusche
Treten bakterielle Stoffwechselprodukte (Gase, Säuren) in die Blutbahn, können außerdem auftreten:
- kalter Schweiß
- Kopfschmerzen
- Gelenkschmerzen oder Muskelschmerzen, eventuell in Kombination mit Schwellungen oder Steifheit
- Benommenheit, Schwindelgefühl
- Abgeschlagenheit, anhaltende Müdigkeit
- Konzentrationsschwäche, Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses
- Herzrhythmusstörungen
- Mundgeschwüre
(Quelle: Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention FET e. V., Dipl. troph. Christine Langer, 2009)
Drei Formen von Laktoseintoleranz
Dieser Kompass richtet sich an Menschen, die Milchzucker aufgrund des natürlichen Zurückgehens des Enzyms Laktase (ab >) nicht mehr vertragen. In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten primären Laktasemangel. Es gibt aber noch zwei weitere Formen des Laktasemangels, die wiederum eigene Maßnahmen erforderlich machen.
Primärer Laktasemangel
Der Mensch hat, wie alle Säugetiere, grundsätzlich die Anlage dazu, Laktose verdauen zu können. Denn Laktose kommt natürlicherweise in Milch vor, und Milch dient als Babynahrung. Doch nach dem Abstillen beginnt die Abnahme der Laktaseaktivität (>). Es handelt sich um einen physiologischen, also ganz normalen Prozess und nicht um eine Krankheit.
Das natürliche Absinken der Laktaseaktivität wird auch als erworbener oder primärer Laktasemangel bezeichnet. Es beginnt im Alter von zwei bis fünf Jahren, je nach der ethnischen Herkunft jedoch auch früher oder später. Diese natürliche Reduktion der Laktase ist mit großem Abstand die häufigste Form der Laktoseintoleranz.
REGIONALE UNTERSCHIEDE
Die Verbreitung des primären Laktasemangels unterliegt großen geografischen Unterschieden. Während zum Beispiel in Asien über 90 Prozent der Menschen Laktose nicht vertragen, ist in Europa ein deutliches Nord-Süd-Gefälle zu beobachten, von rund 2 Prozent in Skandinavien bis hin zu rund 70 Prozent in Italien. In Deutschland sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung von einer Laktoseintoleranz betroffen.
Sekundärer Laktasemangel
Die Konzentration des laktosespaltenden Enzyms Laktase im Dünndarm kann auch als Folgeerscheinung einer Krankheit abnehmen. Wenn durch eine akute oder chronische Erkrankung im Magen-Darm-Bereich die Dünndarmschleimhaut beschädigt wird, kann dort oftmals nicht mehr genügend Laktase gebildet werden. Zusätzlich sinkt die Größe der Oberfläche im Darm, über die Laktose aufgenommen werden kann. Dies ist zum Beispiel bei einer Gastroenteritis (Magen-Darm-Entzündung), bei Zöliakie/Sprue (Glutenunverträglichkeit) sowie bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa der Fall. Aber auch eine lang andauernde Antibiotikabehandlung kann die Darmwand entsprechend schädigen.
Wenn in solchen Fällen die Grunderkrankung mithilfe des Arztes konsequent behandelt wird, trägt dies in der Regel auch zu einer Verbesserung der Laktosetoleranz bei. Der sekundäre Laktasemangel ist also reversibel, das heißt, er kann geheilt...