2.1 | Bedeutung von Durchlaufzeiten und Termintreue |
Der Faktor Zeit ist für zahlreiche Unternehmen von herausragender Bedeutung. Dienstleistungsunternehmen haben in den vergangenen 20 Jahren gewaltige Fortschritte dabei erzielt, ihre Leistungen schneller dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Versicherungen haben das Ausstellen von Policen drastisch beschleunigt. Das Vergeben von Krediten in Banken dauert nur noch einen Bruchteil der Zeit. Die Aktivierung eines Telefonanschlusses ist innerhalb kürzester Zeit möglich. Selbst in manchen Behörden können Verbesserungen festgestellt werden. In Produktionsbetrieben wurde die Zeit für die Fertigung der Produkte ebenfalls erheblich reduziert. Der Hauptfokus lag dabei allerdings zumeist auf den rein wertschöpfenden Prozessen. Sieht man sich hingegen die administrativen Prozesse in vielen produzierenden Unternehmen an, so kann man feststellen: Es existiert ausreichend Potenzial, um zahlreiche Abläufe wesentlich zu beschleunigen. Die mangelnde Beachtung des Themas Durchlaufzeiten der administrativen Prozesse in vielen Betrieben zeigt sich darin, dass diese kaum gemessen werden.
Der Faktor Durchlaufzeit rückt in diesem Umfeld erst allmählich ins Bewusstsein vieler Manager und Mitarbeiter. Qualität, Kosten und Produkteigenschaften stehen höher im Kurs. Je mehr Konkurrenzunternehmen bei diesen drei Faktoren aufholen, umso mehr gewinnt die Zeit an Bedeutung. Es geht nicht nur darum, wie schnell ein Produkt geliefert werden kann. Auch spielt die Zeit eine Rolle, wie lange ein Unternehmen braucht, um Produkte an spezielle Anforderungen einzelner Kunden anzupassen oder notwendige Änderungen umzusetzen.
Durchlaufzeit
Prinzipiell geht es um die Zeit zwischen einem Start- und einem Endpunkt. Diese Punkte sind immer Ereignisse, die eine Reihe von Aktivitäten umschließen. Ein Startpunkt im Auftragsbearbeitungsprozess könnte der Eingang einer Kundenanfrage sein, der Endpunkt der Versand der Rechnung. Wichtig bei dieser Betrachtung sind nicht nur die gesamte Durchlaufzeit, sondern auch deren einzelne Zeitabschnitte. Die Durchlaufzeit muss demnach auf jeden einzelnen Prozessschritt im Ablauf aufgeteilt werden (Bild 2.1).
Für produzierende Unternehmen wurden im ersten Abschnitt zwei Kernprozesse erwähnt, der Produktentwicklungs- und der Auftragsbearbeitungsprozess.
2.1.1 | Produktentwicklungsprozess |
Beim Produktentwicklungsprozess geht es um die Frage, wie lange die Zeitdauer von der Idee eines neuen Produktes bis zum Start der Produktion ist. Wie viel Zeit vergeht, um aus einer Idee ein konkretes Konzept zu machen? Wie lange dauert es vom Konzept zum Prototypen? In dieser Phase werden zudem sehr viele Einflussfaktoren auf die Durchlaufzeit im Auftragsbearbeitungsprozess definiert. Die Faktoren, die unmittelbar die Fertigungszeit betreffen, wurden ausführlich in „Lean Production: Praktische Umsetzung zur Erhöhung der Wertschöpfung“ (Brenner 2016) behandelt. In diesem Kapitel werden die Auswirkungen auf den administrativen Prozess thematisiert.
Im ersten Kapitel wurde bereits erwähnt, dass die Betrachtung des Produktentwicklungs-prozesses auch erweitert werden kann. Ein bedeutender Teilprozess, für den Zeit ebenfalls sehr kritisch ist, wäre das Änderungsmanagement nach der eigentlichen Produkteinführung. Hier kommen zwei Anwendungsgebiete zum Tragen, die in diesem Buch thematisiert werden:
Änderungen als Teil der Produktentwicklung: Zahlreiche Gründe können dazu führen, dass ein bereits in den Markt eingeführtes Produkt geändert werden soll oder sogar muss. Intern kann eine Änderung angestoßen werden, um z. B. Kosten zu reduzieren, indem Komponenten oder die Montage vereinfacht werden. Extern kann eine Änderung durch den Kunden, Lieferanten oder neue Vorschriften und Gesetze gefordert werden. Zumeist ist die Zeit dafür kritisch, wie lange es vom Antrag zu einer Änderung bis hin zur eigentlichen Einführung dauert. Einerseits können Kosteneinsparungen schneller realisiert werden. Andererseits können Verzögerungen zu tatsächlichen Problemen führen, wenn es z. B. ein Qualitäts- oder sogar Sicherheitsproblem mit der alten Version des Produktes gibt.
Änderungen als Teil des Auftragsbearbeitungsprozesses: Diese Änderungen können als Schnittstelle zwischen den zwei Kernprozessen gesehen werden. Ein Kunde möchte ein bereits existierendes Produkt, allerdings mit einer Modifikation. Eigentlich ist dies Teil eines Auftragsbearbeitungsprozesses, viele der Prozessschritte fallen thematisch in die Produktentwicklung. Je schneller dieser Prozess gestaltet werden kann, umso schneller kann auch ein Kundenauftrag abgeschlossen werden.
2.1.2 | Auftragsbearbeitungsprozess |
Bei der Durchlaufzeit des Auftragsbearbeitungsprozesses geht es darum, wie lange ein Unternehmen braucht, um den Auftrag eines Kunden zu bearbeiten. Dies kann Aufgaben wie Bearbeiten einer Kundenanfrage, Kalkulation eines Preises, Erstellen der Auftragspapiere bis hin zum Verbuchen des Zahlungseinganges beinhalten. Neben der eigentlichen Durchlaufzeit spielt die Termintreue eine besondere Rolle. Es geht nicht nur darum, wie schnell ein Auftrag bearbeitet wird, sondern ob dies auch pünktlich erledigt wird.
Beim Auftragsbearbeitungsprozess liegt für die meisten Firmen der Schwerpunkt bei der Reduzierung der Durchlaufzeit innerhalb der Produktion. Es wird versucht, die Zeit vom Start eines Produktionsauftrages bis zu seinem Abschluss zu verkürzen. Damit können und wurden bereits in vielen Fertigungen hervorragende Ergebnisse erzielt. Zwei wichtige Faktoren werden außer Acht gelassen:
Die gesamte Durchlaufzeit beinhaltet wesentlich mehr als nur die Produktionsdurchlaufzeit. Auf der einen Seite ist die Zeit von der Kundenanfrage bis zur Erstellung eines Fertigungsauftrages in zahlreichen Unternehmen nicht zu unterschätzen. Auf der anderen Seite ist nach Abschluss eines Fertigungsauftrages die Ware noch nicht ausgeliefert und zumeist kein Zahlungseingang verbucht. Letztendlich ist ein Auftrag erst abgeschlossen, wenn man von folgenden Serviceleistungen absieht, wenn die Ware bezahlt wurde.
Der Einfluss von administrativen Prozessen auf die Produktionsdurchlaufzeit sollte nicht unterschätz werden. Dies wurde bereits in Kapitel 1 erläutert.
Nur auf die Zeit in der Produktion zu blicken, lässt viele Potenziale unangetastet. Um den gesamten Prozess zu definieren, könnte das SIPOC folgendermaßen aussehen:
Tabelle 2.1 Beispiel SIPOC für einen Auftragsbearbeitungsprozess
Auftragsbearbeitungsprozess |
Lieferant | Input | Prozess | Output | Kunde |
Kunde | Kunden-anfrage | Erstellen der Auftragsbestätigung | Versand-bestätigung | Vertriebs-innendienst |