Gefühlswelten
»Aime-toi fort« (dt.: liebe dich ganz fest) sagte meine Mentorin und Metamorphoselehrerin Violette Prod’hom vor zehn Jahren liebevoll zu mir. Ich verstand nichts und schaute sie mit großen Augen fragend an. Genau so wie meine Klienten mich später ansahen, als ich ihnen denselben Rat gab. Nimm dich an. Liebe dich selbst. Nie werde ich das leicht ratlose, verschmitzte Lächeln eines Klienten vergessen, welches mich klar wissen ließ, dass er unter Selbstliebe nur Selbstbefriedigung verstand.
Wenn wir uns ganz akzeptieren, mit all unseren Seiten, und uns so lieben, wie wir sind, werden wir heil, ganz. Bedingungslose Liebe heilt. Das durfte ich durch die Engel erfahren, denn sie haben mich mit Liebe überschüttet, egal wie es mir ging, egal was ich dachte oder angestellt hatte – sie liebten und lieben mich und dich bedingungslos.
Selbstliebe bedeutet, dass wir uns zuerst kennenlernen – lernen, was uns gefällt und was nicht und vor allem, wie wir wirklich, tief innen funktionieren. Wie wir sind. Dabei spielen unsere Gefühle eine ganz wichtige Rolle. Gefühle gibt es in allen Formen und Farben. Wir können uns glücklich fühlen, zermürbt, neidisch, ausgeglichen, müde, zufrieden, ärgerlich, freudig, wütend, eifersüchtig, verliebt, hoffnungsvoll, ruhig, deprimiert, euphorisch etc. Kein Wunder spricht man vom Wechselbad der Gefühle!
Wir werden in diesem Kapitel die Welt der Gefühle näher betrachten: welche Funktion sie füllen und wie wir anders mit ihnen umgehen können.
Angenehme Gefühle finden die meisten Menschen wunderbar: Wir schwelgen im Verliebtsein, sind stolz und voller Selbstvertrauen nach einem Erfolg im Beruf und genießen an einem freien, sonnigen Tag gerne das Leben. Das ist gut! Genieße es! Genieße bewusst dieses wunderbare Gefühl, diesen herrlichen Moment, feiere das Leben und fülle somit deine Batterien für schwierigere Zeiten. Denn diese kommen, wie wir alle wissen, immer wieder.
Doch was ist mit den schwierigen Gefühlen? Sie können scheinbar aus dem Nichts auftauchen und sich wie wilde Pferde benehmen, unmöglich zu kontrollieren. Oder wie eine Riesenwelle, welche über unserem Kopf bricht und uns in ihrem Strudel mitreißt, in die Tiefe zieht und uns herumwirbelt wie Wäsche in der Maschine. Die Welle können wir nicht aufhalten, das Meer der Gefühle können wir nicht beherrschen, aber wie meine Schwester mir schon vor vielen Jahren sagte:
»You can’t stop the waves, but you can learn how to surf.« (Dt.: Du kannst die Wellen nicht aufhalten, aber du kannst surfen lernen.)
Eine Botschaft von dir selbst
Gefühle gibt es in der gesamten Spannbreite und alle sind »okay«. Es gibt keine »schlechten« oder »guten« Gefühle, nur Gefühle. Die Differenzierung zwischen Gut und Böse macht unser menschliches Sein, unser Denken, unser Urteilen, welches auf unserem dualen Weltbild beruht. Doch eigentlich ist alles eins. Das heißt, wir machen diese Unterscheidung – es gibt sie eigentlich nicht. Ich habe noch nie wahrgenommen, dass ein Engel einen Teil von mir verurteilen oder irgendeines meiner Gefühle schlechtmachen würde. Zum Menschsein gehört alles dazu.
Gefühle sind reine Botschafter unseres Selbst an unsere menschliche Gestalt. Sie sind eine Hilfe, um zu erfahren, wie es uns wirklich geht. Stell dir einen Botschafter vor, der dringlich an deine Tür klopft. Er will hereingelassen werden, um dir seine Botschaft von deinem höheren Selbst zu überbringen. Doch die meisten von uns haben Angst vor starken, überwältigenden, »negativen« Gefühlen, weshalb wir die Tür zuhalten und den Botschafter zu ignorieren versuchen. Er klopft weiter. Je mehr du ihn ignorierst, desto intensiver wird er klopfen, rufen und schreien, bis er die Tür, welche du inzwischen verriegelt, mit Möbeln verstellt und mit aller Kraft zugehalten hast, aufbricht und mitsamt deiner Möbel und der kaputten Tür in deinem Zimmer landet. Ein Riesenchaos. Dabei wollte er dir nur eine Botschaft überbringen, und seine Aufgabe wird er erfüllen, koste es, was es wolle.
Hätten wir von Anfang an unsere Tür geöffnet, den Botschafter hereingebeten und ihn nach seiner Botschaft gefragt, wäre alles viel leichter von der Hand gegangen, doch unsere Angst steht uns oft im Weg. Zudem passen einige Gefühle nicht in unser Selbst- oder Weltbild. Wir dürfen nicht wütend oder geizig sein, nicht egoistisch, keine schlechten Tage haben oder gewisse Gedanken haben. Doch jeder Mensch trägt alles in sich, jeder Mensch kann hassen und lieben, das gehört dazu. Sobald du anfängst, einen Teil, ein Gefühl von dir zu verneinen, drängst du es in eine Ecke, wo es sich verkriecht, ungewollt, ungeliebt fühlt und mit Bitterkeit wächst. Selbstliebe ist ein Akt des Annehmens, des Umarmens all deiner Teile. Selbstliebe kann all das heilen, was in der Vergangenheit zerstört oder verletzt worden ist, doch es braucht deinen Willen, all das anzunehmen, was du früher bewusst oder unbewusst zur Seite gedrängt hast.
Alles darf sein. Meine Mentorin Violette hat es so formuliert: »Accepte ce qui est.« (Dt.: Akzeptiere das, was ist.) Wenn du dich nicht dagegen wehrst und es nicht unter den Teppich kehrst, sondern es annimmst, es dir anschaust und dir anhörst, was es dir sagen will, dann wird auch das unangenehmste, scheinbar hässlichste Gefühl dein Freund, ein Verbündeter.
Dies bedeutet aber nicht, all unsere Gefühle ungefiltert zu einem beliebigen Zeitpunkt, an irgendeinem Ort und an irgendeiner Person (her-)auszulassen. Der Autofahrer, welcher soeben »deinen« Parkplatz zuerst erwischt hat, kann nichts dafür, dass du heute Morgen einen fürchterlichen Streit mit deiner Frau hattest!
Wie können wir denn mit all diesen starken, widersprüchlichen Gefühlen umgehen, welche in uns brodeln und manchmal in krassem Gegensatz zu unserem rationalen Denken stehen?
Dampf ablassen
Es tut so gut, angestaute Gefühle herauszulassen! Es baut den Druck ab, der sich über eine Zeit lang aufgebaut hat, und lässt alles wieder fließen. Wie ein Dampfkochtopf, welcher bei Überdruck durch das kochende Wasser zu pfeifen beginnt – irgendwie muss er ja Dampf ablassen! Sonst explodiert er eines Tages.
Elohim Johannes: Ihr lieben Menschen, ihr sammelt in eurem Leben so viel angestaute Energie an – kein Wunder tun euch der Nacken, der Rücken, die Knie weh, kein Wunder habt ihr Migräne, verspannte Kiefer usw. Da tut ein reinigendes Gewitter ganz gut! Das heißt natürlich nicht, dass ihr die angestaute Energie zu irgendeinem Zeitpunkt an irgendeinem anderen Wesen (Haustiere, Kinder, euer Partner etc.) auslassen sollt, das nichts mit der angestauten Wut zu tun hat. Natürlich nicht. Aber es ist sehr wichtig, den Kochtopf regelmäßig zu reinigen, sonst schäumt er über vor Wut und explodiert eines Tages.
Liebe Leserin, lieber Leser, du findest in diesem Buch viele Ideen, Vorschläge und einige Übungen. Alles, was du hier vorfindest, ist FREIWILLIG! Bitte mach dir keinen Stress, kein schlechtes Gewissen oder sonst etwas, wenn du überhaupt gar nichts davon umsetzt – vielleicht brauchst du es nicht. Du musst nichts. Du darfst. Tu, was dir guttut im Leben, und lass den Rest (soweit es möglich ist) beiseite. Das ist eigentlich das Einzige, was ich dir raten kann.
Du kannst an einem Ort, an welchem du dich ungestört fühlst, am besten Druck abbauen, sei es zu Hause, im Auto oder z. B. im Wald. Zu fluchen, zu stampfen, zu weinen, zu schreien, auf Kissen einzuschlagen, wild herumzuhüpfen und zu tanzen, zu singen, zu malen, zu schreiben etc. – all das hilft dir, die Energie freizusetzen – egal ob du weißt, was das »Problem« ist, oder nicht.
Es ist gar nicht nötig zu wissen, was diese Turbulenz verursacht, oft geht es darum, angestaute Energie loszulassen, und oft kehrt die Klarheit erst im Nachhinein ein. Also zerbrich dir bitte nicht den Kopf darüber, sondern lass deinen Gefühlen freien Lauf. Wenn du vor Liebeskummer zu zerbrechen scheinst und das Ende des Tunnels nicht mehr siehst, lass es heraus. Gib deinen Gefühlen wie einem Pferd lange Zügel und lass es laufen, statt »stark« sein zu wollen. Du bist stark. Sonst wärst du nicht hier. Lass deine Tränen fließen, höre Herzschmerzlieder und singe voller Inbrunst, wenn du Lust hast – je mehr du deine Gefühle befreist, desto schneller verebben sie.
Die Alternative, unsere Gefühle zu beherrschen und sie rational zu entkräften, bringt uns meiner Meinung nach nicht weiter. Früher oder später ist das Maß voll, und ein kleiner, unbedeutender Tropfen bringt das Fass zum Überlaufen. Das kann verheerende Folgen haben.
Unterdrückt
Viele Menschen jedoch haben ihre Gefühle so lange unbewusst unterdrückt, dass...