2 LITERATURTEIL
Im Literaturteil gehe ich zunächst auf die jahrtausende alte Beziehung Mensch-Tier ein nach dem Buch „Mensch und Tier--Geschichte einer heiklen Beziehung.“ Dann folgt ein Kapitel nach Carola Otterstedt über heilsame und wohltuende Prozesse in der Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Anschließend schreibe ich aus dem Kapitel von Andrea Beetz über eine mögliche Erklärung der Mensch-Tier-Beziehung und ihrer positiven Effekte. Am Schluß zitiere ich Sprüche und Gedanken von Konrad Lorenz.
An den Anfang meines Literaturteils stelle ich einen Spruch des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Elias Canetti (1905-1994). Anschließend folgt eine kleine Reise in die Steinzeit und zum damaligen Mensch-Tier-Verhältnis. Dann verfolge ich überwiegend tierfreundliche Spuren von der Antike bis zur Neuzeit.
„Das Gedeihen der Welt hängt davon ab, dass man mehr Tiere am Leben erhält. Aber die, die man nicht zu praktischen Zwecken braucht, sind die wichtigsten. Jede Tierart, die stirbt, macht es weniger wahrscheinlich, dass wir leben. Nur angesichts ihrer Gestalten und Stimmen können wir Menschen bleiben. Unsere Verwandlungen nützen sich ab, wenn ihr Ursprung erlischt.“
Elias Canetti, Die Fliegenpein (zitiert nach Münch 2001, S. 19)
2.1 Freunde und Feinde –Tiere und Menschen in der Geschichte
Zu Beginn meines Literaturteils möchte ich eine kleine Reise in die Geschichte der Mensch-Tier-Beziehung bis in die Steinzeit unternehmen. Als Vorlage diente mir das Buch „Mensch und Tier, eine heikle Beziehung“ aus der Nachtstudio-Reihe des Zweiten Deutschen Fernsehens (2001).
Wir wissen heute, dass wir Menschen nicht vom Affen abstammen, aber dennoch sehr eng mit ihm verwandt sind und, wie es im Vorwort des Buches heißt, gewissermaßen Blutsverwandte, Brüder und Schwestern im Stammbaum der Primaten sind.
Der Mensch, der sich immer als Krönung der Schöpfung bzw. der Evolution versteht, kann sich wohl kaum vorstellen, dass es jemals eine Art geben könnte, die ihn so behandelt, wie Menschen die Affen und andere Tiere behandeln.
Die sogenannte „neolithische Revolution“, d.h. die Jungsteinzeit fand vor gut 10 000 Jahren statt, als die Menschen seßhaft wurden, Ackerbau betrieben und der Wolf als erstes „Haustier“ zu ihnen kam. – Zur Erklärung habe ich den folgenden Text nach dem Bertelsmann-Lexikon zusammengestellt:
„Die Jungsteinzeit brachte neben einer Reihe technischer und kultureller Neuerungen vor allem den Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise.“ (Bertelsmann Lexikon S. 590). Dies wird als „neolithische Revolution“ bezeichnet. Eine der wichtigsten Erfindungen ist der Pflanzenanbau und hier speziell der Getreideanbau mit Gerste, Hirse, später auch Weizen. In diese Zeit fällt auch die Domestikation vieler Tiere, z.B. von Schafen, Ziegen, Schweinen, später auch des Rindes. Diese Domestikation hängt eng mit dem Pflanzenanbau zusammen, da die Tiere ja Futter benötigten.
Neben diesen Ackerbau- und Viehzüchterkulturen blieben in großen Teilen Europas und Asiens die Jagd, der Fischfang und das Pflanzensammeln der einzige Nahrungserwerb in der neueren Jungsteinzeit (nach Bertelsmann Lexikon).
In uns Menschen ist das Tier immer gegenwärtig. Mit Körperbau, Sinnesorganen und Instinkten sind wir für diese Welt sehr gut angepasst und besonders mit den Leistungen unseres Gehirns sind wir wohl zur erfolgreichsten Art der Familie der Säugetiere in der Evolution geworden, aber ohne Tiere wären wir keine Menschen. (nach Münch 2001).
Tiere kommen in allen Religionen und Mythen vor, sie tummeln sich im Himmel der Götter und Fabeln, genauso tauchen Tiere in unserer Sprache auf. Allein die Bezeichnungen für die Menschen reichen von „dummer Gans“, „schlauem Fuchs“ bis hin zum „bunten Vogel“ und „blöden Affen“.
Volker Panzer schreibt im Vorwort des oben genannten Buches:
„Der Mensch ist Mensch erst da, wo er sich vom Tier abgrenzt und sich dennoch der Tiere vergewissert.
Die Höhle von Lascaux macht es augenfällig: Die Auto-Evolution des Menschen ist ohne Tiere nicht möglich. Als Jagdobjekte der Nomaden, als domestizierte Nutztiere der ersten Siedler, als Liebesobjekte in fortgeschrittenen Kulturen begleiten Tiere die Zivilisationsgeschichte der Menschen von Anfang an.
Gezähmt und gezüchtet, gehütet und verzehrt, verehrt und gefürchtet – was wäre der Mensch ohne das Tier? Allein und hilflos. Wir brauchen Tiere: als Nahrungsmittel, als Sportgerät, zur Unterhaltung und zum Schutz – und seit neustem als Ersatzteillager.
Zwischen den Extremen der modernen Massentierhaltung mit allen apokalyptischen Vorzeichen und der Forderung nach Menschenrechten für Primaten bewegt sich also unser ambivalentes, heikles Verhältnis zum Tier.“ (Panzer S. 11)
Am Schluß des Vorwortes schreibt er:
„… Und zum anderen freue ich mich über das Nachwort unseres ZDF-Kulturchefs Hans-Helmut Hillrichs, der uns zeigt, dass das Verhältnis Mensch-Tier vor allem auch ein Verhältnis zwischen Individuen ist.“ (Panzer S. 14)
Im Nachwort schreibt Hans-H. Hillrichs, der sich auch kritisch zu grausamen Massentierhaltungen äußert, über seinen Dackel, den er als Kind von seinem Onkel geschenkt bekam. Er fand damals im Blick des Hundes etwas, das er später auch in den Augen vieler anderer Tiere, denen er begegnete, wiedergefunden hat: „Ein grenzenloses Urvertrauen, das einem keine andere Wahl lässt , als es sich zu verdienen“ (Hillrichs S.313).
Heute dankt er seinem Dackel für sein anregendes „Tierleben“. Denn der Blick seines Dackels hat seine Wirkung nicht verfehlt: Seit damals schlägt das Herz des Autors für die Tiere in seiner Umgebung, und er fühlt sich mitverantwortlich für sie. So zeichnet er auch Patenschaften für Sibirische Tiger, die letzten ihrer Art und wie er meint, vielleicht die schönsten Geschöpfe auf dieser Erde.
Zurück zu Paul Münch, Autor des 1. Abschnitts des Kapitels I „Koevolution – Das Leben mit Tieren“, „Freunde und Feinde, Tiere und Menschen in der Geschichte“
Er schreibt, dass Menschen und Tiere sehr eng miteinander verwandt sind, betrachtet man evolutionsbiologische Hypothesen, ethologische Beobachtungen und natürlich die genetischen Befunde. So ist es eine Tatsache, dass es ohne Tiere keine Menschen gäbe, aber zwischen den Arten liegen große Distanzen.
Auch wer heute Fähigkeiten der Tiere (wieder-) entdeckt, die ursprünglich nur dem Menschen zugedacht waren, z.B. Werkzeuggebrauch, ausgeprägte psychische Anlagen oder vernünftig erscheinende Denkweisen bis hin zu moralischen Entscheidungen, kann kaum die Unterschiede übersehen. Tiere können vielleicht nicht über sich selbst reflektieren und vernünftig vorausplanen. Und weil die enge biologische Verwandtschaft nicht über die kulturellen Unterschiede hinwegtäuschen kann, die der Mensch in seiner Entwicklung zwischen sich und die anderen Tiere gelegt hat, zeigt die Geschichte des Mensch-Tier-Verhältnisses in unserem westlichen Kulturkreis von Anfang an tiefe Ambivalenzen. Sie zeigen uns viel Gemeinsames und Trennendes, und die Verhältnisse gehen von empathischer Vertrautheit bis zur Feindschaft.
Tiere haben seit der Antike einerseits eine Aufwertung erfahren, die sie näher zum Menschen bringt, teilweise über ihn stellt, andererseits aber auch eine verächtliche Herabstufung zu „Sachen“ und „seelenlosen Maschinen“.
So glaubte der erst nach seinem Tod zu Ruhm gelangte Pfarrer Jean Meslier (18. Jh.), dass die Bauern und die Kinder seines Dorfes in Gelächter ausbrächen, wenn jemand Tiere als Automaten bezeichnete.
So waren aber auch für Immanuel Kant vernunftlose Tiere nichts anderes als Sachen, so dass sie von jeglicher Moral ausgeschlossen sein mussten.
Johann Gottfried Herder jedoch sah in den Tieren „ältere Brüder» des Menschen. Ihm erschien jede Geschichte mangelhaft, die das Verhältnis des Menschen zu seinen „älteren Brüdern“ mißachtete (nach Münch 2001). Ich möchte jetzt tierfreundliche Spuren in der Geschichte verfolgen:
Seit der „neolithischen Revolution“ sind die Menschen sesshaft und begannen, Landwirtschaft zu treiben.
Als jetzt Wolfsjunge und andere Wildtiere domestiziert wurden, erlangten die Menschen eine gewisse Dauerherrschaft über manche Tierarten. So hielten sie sich Hunde, Schafe, Ziegen, Schweine und Rinder, viel später auch Pferde, noch später Hühner und Gänse und andere Tiere als Haus- und Nutztiere.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier blieb lange eng. Dies wird durch viele Zeugnisse seit der frühen Antike belegt. So galten Tiere mit unterschiedlichen Begründungen als nächste Verwandte des Menschen, als Mitgeschöpfe, als Freunde und Helfer, und diese Beziehungen ziehen sich als tierfreundliche Spuren durch die Geschichte.
- In vielen mythologischen Erzählungen erscheint die...