5 Facebook und das Gefühl der Verlorenheit
Vor meinem Bildschirm ist eine junge attraktive Frau aus München, die weinend ihre Nicht-Selbstliebe in einer geschlossenen Facebook-Gruppe in einem Video bekundet. Sie findet sich nicht schön und versteht nicht, wie immer wieder Männer / Probleme mit Männer in ihr Leben treten. Ihr Video bezeichnet sie als „Mutausbruch“. Sie möchte sich einfach so zeigen, wie sie ist, verheult, Haare nicht gemacht...so gerne möchte sie mit sich im Reinen sein, sie findet sich furchtbar, auch äusserlich...und sie spricht darüber, wie schwer es ihr fällt, sich bei einem Mann fallen zu lassen. Sie erzählt darüber, dass sie sich noch nicht selbst liebevoll anschauen kann, mit all ihren Macken und ihren Rötungen im Gesicht, wie soll sie denn dann ein Mann liebevoll anschauen?
Sie spricht von verschütteten Themen, die aufgearbeitet werden wollen, es geht um ihren Körper, in der Sexualität liegt soviel Unerlöstes, sie bezeichnet sich als eine „Komplettbaustelle“. Sie möchte sich selbst liebevoll betrachten können, sie trägt so eine Sehnsucht in sich, ihr wahres Gesicht zu zeigen und...sie will sich nicht mehr mit irgendetwas betäuben müssen, nur damit ein Mann sie berühren kann...“ich möcht sagen, hey das bin ich, mit all dem, das bin ich...ich möchte keine Angst mehr haben, mir nicht zu genügen...ich möchte mein Heimathafen sein, ganz tief in mir drin möcht ich den finden und...und nicht diese Anerkennung im Aussen suchen und ja, verdammt ich mach es noch, ich suche diese verdammte Anerkennung im aussen...ich bin noch weit davon entfernt, ich muss zu mir...
Die bildhübsche Ashley aus San Diego meldet sich per Video zurück, sie hat schon seit ein paar Wochen nichts mehr von sich hören lassen, sie kommt gerade zurück von einer Behandlung bezüglich ihrer Essstörung, sie nimmt ihr Video im Auto auf, sie atmet tief durch, sie spricht von der Suche nach der Heilung, sie spricht davon, wie ein Mechanismus sie in ihrer Kindheit immer geschützt hat, genährt hat und jetzt als erwachsene Frau einfach nicht mehr dient, sie spricht von den Herausforderungen des Lebens, wie sie hineinforscht in ihr Drama, ihren Schmerz, da stellt sich eine Frau ihren tiefsten Abgründen und tiefsten Schatten in sich selbst, sie spricht von Wut, von Selbstregulation, vom Umgang mit ihren Emotionen, der sie immer schön tief unten gehalten hat, und nie wirklich tief gefühlt hat, sie spricht davon wie ihre Wut im aussen getriggert wird, und wie ihre Wut in ihr befreit werden möchte, sie spricht von der Erlaubnis, sich selbst völlig und ganz zu erlauben, gerade mit solchen Emotionen, sie spricht von einer wirklichen intensiven Erfahrung, die sich mit sich gemacht hat, unglaublich kraftvoll, die bedankt sich für all die Menschen die sie unterstützt haben, angefangen bei ihrem Ehemann, sie erzählt davon, wie Menschen für sie aufgestanden sind, sie erinnert daran, wie sie beschützt und bestätigt wurde, sie bedankt sich, dass sie einfach so akzeptiert wurde, wie sie einfach ist, wie sie dafür dankbar ist, dass Menschen dafür gesorgt haben, wieder in ihr Gleichgewicht zu kommen, sie bedankt sich dafür einen Mann zu haben, sie bedankt sich bei ihrer Schwester, wie sie gibt, unterstützt und liebt.
Sie wertschätzt ihre Tochter, und wie viel sie von ihr lernen kann, sie spricht unzählige Namen auf, Menschen für die sie dankbar ist, und unter all dieser Dankbarkeit, beginnt sie zu weinen, sie schämt sich fast für ihre Emotionen und hält sich die Hand vors Gesicht, sie spricht von dieser bedingungslosen Akzeptanz, die ihr Menschen gegenüber aufbringen, definiert den Wert von Freundschaft, vertrauen egal was passiert, urteilsfrei, jemanden zu lieben egal was passiert, sie spricht sogar von tiefem finanziellen Stress, durch die ganze Familie gegangen ist, wie es ist, keine Arbeit zu haben, und weniger als die Hälfte zu haben um noch irgendwie durchzukommen, wie verletzlich ihr Mann ist, ohne Arbeit zu sein, der nun doch jetzt eine Arbeit wieder gefunden hat, sie spricht davon, wenn man real und authentisch ist, wie sehr einen das Leben dafür danken würde, sie offenbart sogar, ihre Geldsorgen, die sie in jener Gruppe, aus der sie gerade kommt geteilt hat, eine Frau dieser Gruppe fragte sie, ob sie offen genug dafür wäre, Geld anzunehmen, eine Frage die ihr bis in die Knochen geht, als wollte sie dieser Frage Widerstand entgegenbringen, unter Tränen und weinend erzählt sie ihre Geldsorgen, sie erzählt davon, dass sie von ihr einen Briefumschlag erhalten hat, der 2000US Dollar enthalten hat. Als sie diese Zahl ausspricht, kann sie nicht mehr sprechen und heult nur noch, Gott ist so gut, dass sie es kaum glauben kann, sagt sie, sie kann es nicht glauben, wie der Kühlschrank wieder voll ist und ihre Tochter Freude hat, sie fordert die Viewer auf, ehrlich zu sein und nach Hilfe zu fragen, wie wichtig das wäre. Da sind Menschen die helfen wollen, da sind Menschen, die zurück geben, was du gegeben hast, sie erzählt von Non-Profit-Arbeit in der sie sich engagiert, es ist diese Fähigkeit, Liebe anzunehmen...erzählt sie live in ihr Handy.
Menschen, junge Leute gehen heute mit ihren Emotionen ins Internet. Was wir früher in Familien geteilt haben, teilen wir heute auf Social Media. Doch wie sehr können wir uns auf unsere „Facebook-Freunde“ verlassen? Arun Gandhi schreibt in seinem Buch Wut ist ein Geschenk "Von Freunden, die man nur vom Facebook-Foto her kennt, ist weder Trost noch Hilfe zu erwarten. (...) Diese Beziehungen tragen nicht zum Zusammensein der Gesellschaft bei." Das mag zu grossen Teilen zutreffen, kann aber auch anders sein, nämlich dann, wenn man z.B. in einer geschlossenen Gruppe ist, wo sich Menschen entweder gegenseitig unterstützen oder sogar von Zeit zu Zeit auch persönlich kennenlernen und treffen, wie ich es neuerdings erlebt habe. Ich bin mir sicher und denke es gibt beides. Und doch sind Menschen im persönlichen Leben, scheuer, zurückhaltender, weniger kontaktfreudig als das uns in der virtuellen Welt zu sein scheint. Es ist leichter einen Beitrag zu „liken“ als auf jemanden zuzugehen z.B. Und obwohl, wir in der heutigen Zeit alle, eine gewisse Abhängigkeit von smartphone und Facebook beobachten können, ist eine gewisse Isoliertheit und Einsamkeit trotz alledem in der Atmosphäre zu spüren.
Der Zugang zu sozialen Medien und die Verfügbarkeit von immer schnelleren Internetverbindungen und den dazugehörigen smartphones hat unsere Gesellschaft innerlich nicht wirklich reich gemacht, im Gegenteil, sie macht uns ärmer und dazu kommt, dass wir uns auch immer abhängiger machen, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Doch was bedeutet es wirklich, wenn Menschen ihre emotionalen Themen via Iphone und Facebook mit der Menschheit teilen? Oft mit Menschen, die sie nicht einmal kennen. Das Hineinstellen von Videos wird ein echter Hype und nimmt ständig zu. Wir zeigen uns vielleicht mehr und bekommen von mehr Menschen eine „virtuelle Zuwendung“ die jedoch eine persönliche Anteilnahme nie ersetzen kann. Doch schon liebevolle Kommentare scheinen den ‚Postern’ zu helfen. Es bleibt abzuwarten, wohin uns alle diese neuen und modernen Möglichkeiten führen und ob sie einen wirklichen Beitrag in unserer persönlichen und spirituellen Entwicklung beitragen können oder ob sie in sich in ihrer eigenen Begrenzung stehen bleiben.
Anna Breytenbach spricht in ihrem Interview (https://www.youtube.com/watch?v=nlpzvE6u5ZE) davon, dass die Welt in einem unverbundenen Zustand ist, vor allem wir Menschen, von der Natur immer mehr getrennt sind und was wir ihr antun oder nicht für sie tun. Sie spricht darüber, wie wir an einer grossen Getrenntheits-Krankheit leiden würden. Dieses Phänomen von Unverbundenheit und Getrenntheit, scheint etwas zu sein, was man als moderne „Krankheit“ bezeichnen könnte. Als ob wir auf einer Reise der Getrenntheit wären, in einer Welt der Dualität. Die Frage, die sich stellt ist, wie wir unsere eigene Polarität / Getrenntheit in uns heilen können. Breytenbach spricht darüber, wie sie immer wieder überrascht wäre, wie wir von nichtmenschlichen Wesen mit Mitgefühl behandelt würden, wie Tiere z.B. so ein grosses Mitgefühl für Menschen hätten, die ihre eigenen Wege verloren hätten. Und mit welcher Präsenz Tiere in der Wahrnehmung uns gegenüber ständen, mit einer gewissen Qualität der Passion, als eine spirituelle Qualität. Und manchmal denke ich, dass dieses Gefühl der Verlorenheit, der Nicht-Verbundenheit und auch Getrenntheit allgegenwärtig zu spüren ist.
Vor einem halben Jahr, habe ich zum ersten Mal etwas von Lea Hamann gehört, auf einem online-Kongress, wo wo sie von der Getrenntheit mit unserer Quelle sprach, von der Getrenntheit mit unserem Ursprung, unserer Getrennheit zu Gott, unserer Getrenntheit zur Liebe. Leben wir heute in einer gefühlten schmerzlichen Getrennheit, wie Anna Breytenbach erwähnt?
In beiden Interviews konnte ich eine Resonanz in mir spüren, egal ob sich die eine mit Tier-Kommunikation und Telepathie mit Tieren fokussierte oder die andere online-Angebote zur Verfügung stellte, um an die eigenen Berufung heran zu kommen, die etwas mit unserer Verbindung zu tun hat, die Schwingung, die Energie war die Gleiche.
Ich selbst empfinde eine Getrenntheit zu dem, wie ich ursprünglich hier auf dieser Erde angekommen bin. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind, vielleicht war ich 4 oder 5 Jahre alt, von so einer unschuldigen bedingungslosen Liebe durchdrungen war. Die mir nach und nach abhanden kam und ich mich immer mehr an der Welt der Erwachsenen anpasste. Heute sehne ich mich so sehr wieder nach diesem verloren gegangenen Teil in mir, weil ich mittlerweile um seine Kostbarkeit weiss. Unbewusst wünschen und suchen...