Bedingt lauffähig: Muster – das menschliche Betriebssystem
Der Mensch steht im Mittelpunkt – und somit sich und allem im Wege.
Bernhard Trenkle
Meine Ahnung von EDV und anderen technischen Dingen lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Fehlanzeige. Ich bin ein typischer Endverbraucher. Sie können mir auf diesem Gebiet alles verkaufen, und ich glaube, was immer Sie mir erzählen. Trotzdem wage ich, Ihnen etwas über Betriebssysteme zu erzählen.
Muster steuern
Wenn ich das mit den Computern richtig verstanden habe, dann bezeichnet man das Gerät als Hardware, und die braucht Energie (Strom), damit sie funktionieren kann. Aber wenn Sie der Hardware nur Strom geben, passiert erst einmal nicht viel. Etwas fehlt noch, und zwar Programme (Software). Grundsätzlich unterteilen wir Software in das Betriebssystem, das ist das Steuerungsprogramm, und in Anwendungsprogramme. Ohne Betriebssystem läuft gar nichts; es ist essenziell. Es regelt die grundlegenden und strukturellen Vorgänge, steuert die einzelnen Hardwarekomponenten sowie deren Miteinander und bildet die Basis für die vorhandenen Anwendungsprogramme. Aber mit einem funktionierenden Betriebssystem allein würde der Computer nicht weit kommen. Was Sie unbedingt noch brauchen, sind Anwendungsprogramme. Diese müssen zum Betriebssystem passen, damit Sie sie erfolgreich nutzen können. In der EDV-Sprache heißt das „kompatibel“; so steht es jedenfalls immer auf der Softwareverpackung. Das Betriebssystem entscheidet also, welche Programme auf dem Computer laufen können. Und obgleich das Betriebssystem die wichtigere Instanz ist, wären Sie an einem Computer ohne Anwendungsprogramm ziemlich aufgeschmissen, denn nur das Anwendungsprogramm deckt den individuellen Bedarf und nützt im Alltag.
Ihre Muster sind das Steuerungsprogramm Ihres Verhaltens.
Nicht viel anders verhält es sich auch beim Menschen. Also das Ganze noch mal von vorne. Wenn ich das mit den Menschen richtig verstanden habe, dann bezeichnet man das Äußere als Körper, und der braucht Energie und Antrieb (Motivation), damit er funktionieren kann. Aber wenn Sie dem Körper nur Motivation geben, passiert erst einmal nicht viel. Etwas fehlt noch, und zwar Programme (Persönlichkeit). Grundsätzlich unterteilen wir die Persönlichkeit in das Mustersystem, das ist das Steuerungsprogramm, und in Verhalten(sprogramme) (siehe „Strategie 10“, Seite 163). Ohne Muster läuft gar nichts, sie sind essenziell. Sie regeln die grundlegenden und strukturellen Vorgänge, steuern die einzelnen Komponenten Ihres Körpers (z. B. Ihre Sprache, Ihre Mimik, Ihre Gestik) sowie deren Miteinander und bilden die Basis für die vorhandenen Verhaltensprogramme. Aber mit einem funktionierenden Mustersystem allein würde Ihr Körper nicht weit kommen. Was Sie unbedingt noch brauchen, sind Verhaltensprogramme. Diese müssen zum Mustersystem passen, also kompatibel sein, damit Sie sie erfolgreich nutzen können – leider steht das bisher nirgendwo. Das Mustersystem entscheidet, welche Verhaltensprogramme bei Ihnen laufen können. Und obgleich das Mustersystem die wichtigere Instanz ist, wären Sie in Ihrem Körper ohne Ihr Verhalten ziemlich aufgeschmissen, denn nur das Verhalten deckt den individuellen Bedarf und nützt im Alltag.
Die Richtung bleibt immer dieselbe
Muster scheinen Ihnen das Leben zu erleichtern, denn Sie müssen nicht ständig dazulernen.
Sie sind ein Mensch mit bestimmten Motivationen, die Ihren individuellen Mustern die nötige Energie liefern. Das Mustersystem lenkt die Motivationen in geregelte Bahnen und steuert damit Ihr Verhalten. Alle Muster bilden eine Art hierarchisches Netzwerk. Muster, die in dieser Hierarchie weit oben stehen, können mithilfe persönlicher Glaubenssätze sogar Ihr gesamtes Verhaltensprogramm direktiv steuern. Mehr noch, sie wirken fundamental auf Ihre Gefühle, Gedanken und Emotionen. Muster sind maßgeschneidert und standardisiert zugleich, zudem auf Ihre Grundmotivationen abgestimmt. Sie ermöglichen uns, in jeder Situation reagieren zu können, ohne ständig dazulernen zu müssen.
Auch wenn unsere Reaktionen und unser Verhalten im Detail von Mal zu Mal etwas anders ausfallen, das Muster selbst steht meist unverrückbar, was durchaus nachteilig sein kann, uns jedoch die Arbeit erheblich erleichtert. Der Preis für diese Rationalisierungsmaßnahme ist eine gewisse Starrheit, die sich nach außen unter dem Deckmantel der scheinbaren Variabilität unseres Verhaltens versteckt. Und wieder sind wir beim Computer gelandet, dessen Betriebssystem nämlich ähnlich starr und unflexibel ist. Versuchen Sie einmal, ein UNIX-Programm unter Windows ablaufen zu lassen: Es wird nicht funktionieren. Nachfolgendes Szenario verdeutlicht, wie Muster unsere geistige Beweglichkeit und unseren Handlungsspielraum einschränken können.
Eva erzählt aus ihrer Kindheit: Sie ist neun Jahre alt und leidet extrem unter ihren abstehenden Ohren. Sie wird gehänselt und ist nicht so recht glücklich in ihrem Leben. Sie ist längst nicht alt genug, um anderen Grenzen aufzuzeigen. Auch wagt sie es nicht (aufgrund welchen Musters auch immer), offen mit ihren Eltern darüber zu sprechen. Die sind aber weder taub noch blind und erkennen ihre missliche Lage zumindest ansatzweise. Schließlich die entscheidende Situation: Die Eltern bauen sich vor ihr auf. Der Vater spricht: „Wir haben mitbekommen, dass du wegen deiner etwas abstehenden Ohren von anderen aufgezogen wirst. Schön ist das sicher nicht für dich. Wir könnten das operieren lassen. Aber ich weiß nicht, ob du das wirklich willst. Weißt du, jede Operation hat Risiken. Und garantieren können dir die Chirurgen nicht, dass alles gut geht und es danach besser ist und anders aussieht. Was meinst du denn, willst du dich wirklich operieren lassen?“ Und da stehen sie nun: die „Großen“ auf der einen Seite, die kleine Eva auf der anderen. Eva denkt und fühlt: „Es belastet mich so sehr. Ich bin so verzweifelt. Ich will so gerne, dass es anders wird.“ Und dann sagt sie ihren Eltern: „In Ordnung, dann lasse ich die Ohren eben nicht operieren.“
Diese Reaktion mag erstaunen. Aber Eva sagt das genau so, weil sie spürt, dass sie als Kind für eine so wichtige und weit reichende Entscheidung weder das Recht noch die Ausdauer hat. Beides hätte sie sich von ihren Eltern gewünscht. Die aber liefern eine schwache Vorstellung und lassen sich von eigenen Ängsten vor Ärzten und Operationen zu ihrer Aussage verleiten. Letztlich haben sie mehr Angst als Eva und können ihr Kind nicht führen, was sie aber sollten. Eva muss also akzeptieren, dass es hier und jetzt mit diesen Eltern nicht funktioniert. Eine andere Entscheidung zu treffen hieße, sich groß machen und die Eltern klein, sich also über die Eltern zu erheben. Dieses Verhalten ist in solch einer Lage für ein „normales“ Kind sehr unwahrscheinlich. Das geschilderte Erlebnis ist für Eva aber so schwer wiegend, dass sie in dieser Situation ein Muster bildet.
Übung: Muster erkennen
Versetzen Sie sich in die Geschichte von Eva. Welcher allgemein gültige Satz könnte dahinter stecken, unabhängig von dem, was konkret geschehen ist? Entscheiden Sie sich für eine der folgenden Möglichkeiten.
Mit ihrem neuen Muster – Niemand hilft mir – hat Eva einen entscheidenden Anteil ihres lebensbestimmenden Betriebssystems auf den Weg gebracht. Durch die persönliche Brisanz des Themas ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich das Muster in Evas Leben zunehmend Raum verschaffen wird. Und genau so ist es.
Bei der inzwischen 51-jährigen Eva zeigt sich nach wie vor das Muster Niemand hilft mir. Mit Mitte 20 hatte sie übrigens selbst die Entscheidung getroffen, ihre abstehenden Ohren operieren zu lassen; ein schönes Beispiel dafür, dass Menschen durchaus in der Lage sind, nicht nur ihre Ohren, sondern auch Fehlentscheidungen ihrer Eltern zu korrigieren. Die Operation verlief komplikationslos, und nichts lässt mehr auf den ehemaligen Makel schließen. Ihr Muster half ihr, diese wichtige Entscheidung recht früh im Erwachsenenleben zu treffen. Aus dem Muster entstand große Selbstständigkeit, und dies vermochte erst recht nichts an dem ursprünglichen Muster zu ändern.
Mit Mitte 40 standen bei Eva viele berufliche Veränderungen und Entscheidungen an. Monate vergingen, und sie bemerkte eine zunehmende Traurigkeit, die sich wie ein Nebel um sie herum ausbreitete. Sie merkte, dass sie keine eigene Entscheidung treffen konnte. Ihr Muster hatte sie wieder eingeholt. Eva fühlte sich immer schwächer und hilfloser. Sie schlief schlecht und wälzte sich nachts von einer Seite auf die andere. Nachdem sie...