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Legitimierung, Regulierung und Kontrolle von Lobbying bei der Europäischen Union

AutorMarc Biedermann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783640472789
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Europäische Union, Note: 1,5 , Universität Basel (EuropaInstitut), Sprache: Deutsch, Abstract: Eine Ausgangsüberlegung im Vorfeld dieser Arbeit war die Frage, warum trotz ihrer Relevanz relativ wenig über die konkrete und alltägliche Lobbyarbeit in der Europäischen Union bekannt ist und warum immer noch dieses eher negative Image vorherrscht. Ein plausibler Grund dafür scheint zu sein, dass in diesem Bereich ein Mangel an Transparenz zu beobachten ist, der unter anderem die demokratische Legitimität solcher Machenschaften in Frage stellt. In dieser Arbeit soll einerseits untersucht werden, welche Funktionen Lobbying in der Europäischen Union erfüllen soll und erfüllen kann, und worin andererseits die möglichen Probleme in diesem Zusammenhang liegen können. Damit eng verknüpft ist die Frage der demokratischen Legitimierung organisierter Interessenvertretung: Wie kann gewährleistet werden, dass eine prinzipielle Chancengleichheit zwischen privaten und öffentlichen Interessen gegeben ist? Kann der 'Markt' die Vertreter und Adressaten von Interessen effektiv zusammen bringen, oder ist mit Wettbewerbsverzerrungen zu rechnen? Die Frage ist also nicht, ob organisierte Interessen vertreten werden sollen, sondern in welcher Form dies geschehen soll. Die Debatte über einer Form von Regulierung für den Bereich der Interessenvertretung wird auch immer dann wieder aktuell, wenn ein Fall von ungerechtfertigter Einflussnahme bekannt wird oder illegitime Verstrickungen z.B. zwischen Wirtschaft und Politik aufgedeckt werden. In Bezug auf die Europäische Union entwickelte sich etwa Anfang der 90er Jahre eine verstärkte Diskussion um die Reglementierung von Lobbying, die bis heute u.a. aufgrund der institutionellen Weiterentwicklung der EU nicht abgeschlossen ist. Ein vorläufiges Ergebnis dieser Diskussion ist der Ansatz der Regulierung durch Selbstverpflichtungen, wie er zur Zeit in der EU vornehmlich praktiziert wird. Die Kernfrage dieser Arbeit besteht darin, inwiefern diese Art der Regulierung in der Lage ist, die zuvor erarbeiteten Anforderungen an den Lobbyismus zu gewährleisten und wo eventuell weitergehende Maßnahmen in Erwägung gezogen werden müssen. In den Bereich dieser Fragestellung fällt nicht nur die Regulierung der Interessenvertreter, sondern auch der Adressaten von Lobbying. Da die Behandlung beider Seiten jedoch den vorgegebenen Rahmen sprengen würde, stehen im Folgenden die Lobbying-Akteure im Vordergrund der Betrachtungen.

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Leseprobe

2 Lobbying und Demokratie


 

2.1 Was ist Lobbying - Begriffbestimmungen und Abgrenzungen

 

Um die im ersten Kapitel dargelegte Fragestellung gewinnbringend zu bearbeiten, ist zunächst eine möglichst griffige Definition von Lobbying zu leisten. Nur wenn deutlich wird, welche Akteure und Verfahren Gegenstand der Betrachtung sind, kann eine sinnvolle Diskussion der Frage der Regulierung erfolgen. So wird denn auch das Definitionsproblem als eine der Ursachen für die Schwierigkeiten bei bisherigen Ansätzen der Regulierung auf europäischer Ebene genannt.[8] Fällt es schon auf nationalstaatlicher Ebene nicht immer leicht festzulegen, welche Aktivitäten als Lobbyismus betrachtet werden sollen, so liegt es auf der Hand, dass auf europäischem Niveau zusätzliche Probleme durch das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen nationalen politischen Kulturen entstehen. Dennoch soll im Folgenden versucht werden, eine für das Ziel der Arbeit hinreichende Eingrenzung vorzunehmen und vor allem auch eine Abgrenzung zwischen den verschiedenen Konzepten zu erreichen. Bleibt vorweg zu sagen, dass dies nicht immer in vollem Umfang möglich ist, da sich die Begriffe teilweise überlappen und sich in der Literatur in manchen Fällen konkurrierende Beschreibungen finden.

 

2.1.1 Lobbying / Interessenvertretung

 

Über den Ursprung der heutigen Bedeutung des Begriffs „Lobbying“ gibt es in der Literatur verschiedene Angaben, als gesichert gilt jedoch die sprachliche Herkunft des Wortes: „Lobby“ leitet sich ab vom lateinischen „labium“ und bedeutet soviel wie Vorhalle bzw. Wartehalle.[9] Gemeinhin wird angenommen, dass die heute geläufige Bedeutung des Begriffs Lobbying als die interessengeleitete Beeinflussung von politischen Entscheidungsträgern im 19. Jahrhundert in den USA entstanden ist und auf die Interessenvertreter zurück geht, die in der Lobby des amerikanischen Kongresses auf die Abgeordneten warteten.[10] Es bleibt zu betonen, dass sich unabhängig von der Begriffsbildung das Phänomen der gezielten Beeinflussung von Politikern wesentlich weiter zurückverfolgen lässt und sich vermutlich parallel mit der Entstehung von politischen Systemen entwickelt hat. Van Schendelen (2003: 302) vermutet, der Grund für diese langandauernde Namenlosigkeit könnte darin bestehen, dass Lobbyismus so etwas wie die Crux der Politik sei, für die man keine eigene Bezeichnung brauchte. Unbestritten ist die Entfaltung einer Sogwirkung von Machtzentren, und dies nicht erst in der modernen Demokratie, wie wir sie heute kennen.[11]

 

Eine aktuelle und brauchbare Definition der verschiedenen Kriterien von Lobbying liefert Köppl:

 

„Beeinflusst werden legislative Entscheidungen von Behörden und offiziellen Institutionen und zwar

 

durch Personen, die selbst nicht Teil des Entscheidungsprozesses sind.[12]

 

Diese Beeinflussung muss gewollt und beabsichtigt sein und wird

 

über spezielle Kommunikationsinstrumente bewerkstelligt.

 

Lobbying zielt auf die punktuelle Beeinflussung spezifischer Sachentscheidungen ab, nicht jedoch auf anhaltende Mitgestaltung der (staats-)politischen Rahmenbedingungen“ (Köppl 1998: 2f., zit. n. Teuber 2001: 117).

 

Eine prägnantere aber zugleich offenere Definition liefert Fischer (1997: 35). Für ihn ist Lobbying schlicht „der Versuch der Beeinflussung von Entscheidungsträgern durch Dritte“. Ungeachtet der genauen Definition lässt sich beobachten, dass der Begriff des Lobbyismus im Laufe der Zeit eine Erweiterung und Verschiebung seiner Bedeutung erfahren hat. Ehemals bezog er sich auf verdeckte, eher illegitime Formen der Einflussnahme von undurchsichtigen Interessenvertretern auf einzelne Abgeordnete. Heute hingegen umfasst der Begriff - und dies im angloamerikanischen Raum stärker als etwa in Europa, wo die ältere Bedeutung noch häufiger zu erkennen ist - professionalisierte und legale Arten der Entscheidungsbeteiligung.[13] „Er [der Begriff, M.B.] oszilliert insofern zwischen legitimen, institutionalisierten und verborgenen Formen der Beeinflussung von AmtsträgerInnen“ (Schunter-Kleemann 2003: 194).

 

Im deutschen Sprachraum wird im Zusammenhang von Lobbying oft die etwas neutraler klingende Bezeichnung „Interessenvertretung“ verwendet, vor allem, wenn von der politischen Arbeit von Verbänden die Rede ist. Etwas unspezifischer wird dann manchmal auch von „Verbandsmarketing“[14] gesprochen, nicht zuletzt, um damit eine steigende Professionalisierung in diesem Bereich zu betonen. Auf die (Neo-)Korporatismus-Debatte, die sich mit der Beteiligung von Verbänden an der Formulierung und Ausgestaltung staatlicher Politik befasst, kann hier nicht näher eingegangen werden.[15]

 

Grundsätzlich können drei Arten von Lobbying unterschieden werden:[16] Erstens gibt es „legislatives Lobbying“ (Gesetzgebungs-Lobbying), bei  dem es darum geht, die gesetzlichen Normen und somit die Rahmenbedingungen im Sinne der Auftraggeber zu beeinflussen. Beim „anwendungsorientierten Lobbying“ (Vollzugs-Lobbying) ist das Ziel die Beeinflussung von spezifischen Einzelentscheidungen von öffentlichen Instanzen, z.B. bei Fragen der Wettbewerbspolitik. Drittens gibt es das „Fonds-Lobbying“ (Subventions-Lobbying), bei dem Interessengruppen versuchen, die Verteilung von Subventionen und Unterstützungsprogrammen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Hierbei sind marketing-ähnliche Strategien verbreiteter als bei den anderen Lobbyingarten.

 

Eine andere Unterscheidung aus den USA bezüglich des Ansatzpunktes von Lobbying findet auch in Europa zunehmend Verbreitung, jene zwischen Inside-, Outside- und Grass-roots-Lobbying.[17] Unter Inside-Lobbying versteht man das direkte Lobbying bei den politischen Entscheidungsträgern und ihren Mitarbeiterstäben. Outside-Lobbying dagegen zielt auf das Umfeld der politischen Entscheidungsträger oder auf relevante Meinungsführer aus Wissenschaft, Medien und anderen Bereichen und wird oft unter dem Begriff Public Affairs subsumiert (s. nächster Abschnitt). Eine Unterform des Outside-Lobbying ist das sogenannte Grass-roots-Lobbying, bei dem versucht wird, mit Hilfe von Basis-Kampagnen großflächige Mobilisierung zu erreichen und dadurch Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.

 

2.1.2 Public Affairs

 

Wird schon unter Lobbying nicht immer das gleiche verstanden, trifft das in noch größerem Maße für den Begriff „Public Affairs (Management)“ zu, nicht zuletzt deshalb, weil er noch relativ neu ist. Wertet man die vorhandene Literatur aus, so fällt auf, dass nicht selten eine Abgrenzung zum klassischen Lobbying versucht und diesem Betätigungsfeld ein moderner Anstrich gegeben wird, um es vom manchmal etwas verstaubt anmutenden Lobbying abzuheben.[18] Generell wird unter Public Affairs (PA) Management eine umfassende (politische) Kommunikationstätigkeit verstanden, die Elemente der Öffentlichkeitsarbeit mit solchen der Interessenvertretung verbindet. Folgende Beschreibung von PA ist hilfreich:

 

„Das aktive Management der externen Beziehungen eines Unternehmens oder einer Organisation, vor allem mit Regierungen, Behörden, Parlamenten und gesellschaftlichen Gruppen vom Umweltschutzverband bis zur Nachbarschaftsinitiative, aber auch der Medien abseits der Produkt- und Marken-PR oder Investor Relations. Ziele: a) Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen Klimas durch die Beeinflussung von Politik und Öffentlichkeit. b) Begrenzung negativer Auswirkungen der Aktivitäten der Politik. Public Affairs wenden sich anders als das Lobbying nicht nur an Politiker und Beamte, sondern auch an eigene Arbeitnehmer, Nachbarn, Verbraucher und örtliche Interessengruppen“ (Althaus 2001: 368).

 

Ein wesentliches Merkmal von PA im Unterschied zum klassischen Lobbying besteht darin, dass dieses oft von eigenständigen Agenturen betrieben wird, die für verschiedene Auftraggeber arbeiten und daher unterschiedliche (und unter Umständen auch konkurrierende) Interessen vertreten (Auftragslobbying). Althaus spricht von „Söldnern der Politik“ (Althaus 2002: 236), deren Loyalität nur solange andauert, wie das Honorar fließt. Für Unternehmen und Organisationen kann ein Outsourcing der Interessenvertretung an eine PA-Agentur lohnenswert sein, da so Spezialisierungs- und Kostenvorteile genutzt werden können.

 

2.1.3 Politikberatung / Political Consulting

 

Im deutschsprachigen Raum wird unter Politikberatung ursprünglich die wissenschaftliche Beratung politischer Entscheidungsträger verstanden. Die Träger von Politikberatung, in erster Linie Experten aus Forschungs- und Beratungsinstituten, unterstützen ihre Adressaten bei der Vorbereitung und Evaluierung von politischen Programmen und erfüllen dadurch vor allem zwei Funktionen: Information und Legitimation.[19] Zunehmend wird mit Politikberatung aber auch solche Zusammenarbeit bezeichnet, die sich auf unspezifischere Formen der Expertise und Erfahrung stützt oder auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis basiert. Es ist offensichtlich, dass eine neutrale, rein wissenschaftliche Beratung...

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