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E-Book

Lehrbuch Gesundheitsförderung

AutorJane Wills, Jennie Naidoo
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl632 Seiten
ISBN9783456757445
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Da die gesundheitliche Aufklärung im Interesse staatlicher Gesundheitspolitik liegt, wird sie in Deutschland als eine übergreifende Daueraufgabe von allen staatlichen Ebenen unter Einbindung der Betroffenen durchgeführt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nimmt hierbei auf Bundesebene als Fachbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit diese Aufgabe wahr. Die deutsche Ausgabe des Werkes wird von der BZgA herausgeben. In diesem Rahmen wurden die Inhalte nicht nur übersetzt sondern auch von Experten geprüft und an sinnvoller Stelle für eine deutsche Zielgruppe adaptiert oder sinnvoll ergänzt. In dem erfolgreichen Lehrbuch zur Gesundheitsförderung werden die Grundlagen und Konzepte zur Gesundheit, Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung sowie die ethischen und politischen Aspekte für die Praxis in leicht verständlicher Form erläutert. - Welche Strategien zur Gesundheitsförderung gibt es und wie können konkrete Maßnahmen und Interventionen z.B. in Krankenhäusern, Kommunen oder Schulen umgesetzt werden. - Ausführliche Fallbeispiele helfen dem Leser, die ganze Bandbreite der Gesundheitsförderung kennenzulernen und die Evidenz für unterschiedliche Gesundheitsförderungen zu identifizieren. - Zahlreiche Lernübungen (Lösungsansätze an Kapitelende) helfen, Fragenstellungen besser zu verstehen und das eigene Wissen zu überprüfen.

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Leseprobe

1 Verständnis und Sichtweisen der Gesundheit


Lernergebnisse

Nach dem Lesen dieses Kapitels werden sie in der Lage sein,

  • die Konzepte Gesundheit, Wohlbefinden, Krankheit und Erkrankung sowie deren Unterschiede zu verstehen,
  • über das Wesen von Gesundheit und Wohlbefinden zu diskutieren und darüber, wie Kultur und Laienverständnis unsere Sichtweisen beeinflussen,
  • die wesentlichen Bestandteile des medizinischen Modells der Gesundheit und dessen Einflüsse auf die Praxis der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Schlüsselkonzepte und Definitionen

Biomedizin: Legt den Schwerpunkt auf die körperlichen Ursachen von Krankheit, ist eng verknüpft mit der medizinischen Praxis und steht im Gegensatz zum sozialökologischen Modell der Gesundheit.

Krankheit: Ist der medizinische Begriff für eine Störung der Gesundheit, die es dem Einzelnen nicht mehr ermöglicht, seine volle körperliche Funktionsfähigkeit zu erreichen.

Gesundheit: Ist der Zustand des vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein die Abwesenheit von Krankheit.

Erkrankung: Ist ein Zustand schlechter Gesundheit durch irgendeine Krankheit oder Beeinträchtigung, die aber in der Regel nicht ernst genug ist, um alle Aktivitäten einzuschränken.

Wohlbefinden: Ist das positive Gefühl, das mit dem Fehlen einer Krankheit oder Erkrankung einhergeht und mit einen Gefühl des sich Gut- und Wohlfühlens verknüpft ist.

Zur Bedeutung des Themas

Alle, die sich aktiv für die Förderung der Gesundheit einsetzen, haben eine bestimmte Sichtweise von Gesundheit. Es gibt jedoch eine Vielzahl solcher Sichtweisen oder Konzepte von Gesundheit. Deshalb ist wichtig, sich von Anfang an darüber im Klaren zu sein, was man selbst unter Gesundheit versteht und wie sich dieses Verständnis von dem der Kollegen und Kolleginnen oder Klienten und Klientinnen unterscheidet. Ansonsten wird man sehr schnell in Auseinandersetzungen über Strategien und Maßnahmen verwickelt, die in Wirklichkeit nur auf ein unterschiedliches Verständnis von Gesundheit zurückzuführen sind. Dieses Kapitel stellt verschiedene Konzepte der Gesundheit vor und geht deren Ursprüngen nach. Das medizinische Modell der Gesundheit ist zwar noch die dominierende Sichtweise, wird aber zunehmend von den gesundheitswissenschaftlichen und ganzheitlichen Modellen der Gesundheitsförderung infrage gestellt. Wenn Sie dieses Kapitel durchgelesen haben, werden Sie in der Lage sein, ihr eigenes Verständnis von Gesundheit im Kontext der verschiedenen Sichtweisen zu überprüfen und einzuordnen.

1.1
Definition von Gesundheit, Wohlbefinden (Well-being), Krankheit und Erkrankung


1.1.1
Gesundheit


Gesundheit ist ein allgemeiner Begriff mit einer sehr großen Bandbreite von Bedeutungen, die von den rein fachlichen Inhalten bis hin zu den allumfassenden moralischen oder philosophischen Bedeutungsinhalten reichen können. Das englische Wort für „Gesundheit“ (health) ist abgeleitet von dem altenglischen Wort für heilen (hael), was „vollständig“ bedeutet und ausdrückt, dass mit Gesundheit die Integrität, Unversehrtheit oder das Wohlbefinden der ganzen Person gemeint ist. Es gibt allgemein verbreitete Sichtweisen von Gesundheit, die über Generationen als Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes weitergegeben wurden. Diese werden als „Laienkonzepte“ der Gesundheit bezeichnet und im Zuge der Sozialisation erworben. Unterschiedliche Gesellschaften oder Gruppen haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, was gemeinhin unter Gesundheit zu verstehen ist.

1.1
Was bedeutet für Sie Gesundheit?

  • Ich fühle mich gesund, wenn …
  • Ich bin gesund, weil …
  • Um gesund zu bleiben, brauche ich …
  • Ich werde krank, wenn …
  • Meine Gesundheit verbessert sich, wenn …
  • Eine Person hat meine Gesundheit beeinflusst durch …
  • Ein Ereignis hat meine Gesundheit beeinflusst durch …
  • Eine bestimmte Situation hat meine Gesundheit beeinflusst durch …
  • … ist verantwortlich für meine Gesundheit.

Im alltäglichen Umgang wird Gesundheit entweder negativ oder positiv interpretiert. Die negative Interpretation versteht Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit oder Leiden. Dies ist das Gesundheitsverständnis des medizinischen Modells, auf das wir in diesem Kapitel noch näher eingehen werden. Eine positive Interpretation versteht Gesundheit als einen Zustand des Wohlbefindens, der in der Satzung der WHO als „Zustand des umfassenden körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Behinderung“ definiert wurde (World Health Organization, 1946).

Das grundlegende Problem für die fehlenden Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen Gesundheit und Krankheit liegt offenbar darin, dass es keine eindeutigen und allgemein akzeptierten Definitionen für diese beiden „Zustände“ gibt (Franke, 2012). Gesundheit ist ein vielschichtiger normativer Begriff, dessen Definition grundsätzlich nicht „objektiv“ erfolgen kann, sondern das Ergebnis sich wandelnder gesellschaftlicher Gruppeninteressen und Auseinandersetzungen ist (Trojan, 2002; S. 195). Aufgrund des hohen Stellenwertes der Gesundheit in unserer Gesellschaft ist eine stetige kritische Auseinandersetzung mit dem Gesundheits- und Krankheitsbegriff unerlässlich. Nur so lassen sich Fehlentwicklungen im persönlichen wie öffentlichen Bereich rechtzeitig erkennen und vermeiden (Kickbusch & Hartung, 2014).

> Gesundheits-/Krankheits-Kontinuum; > Gesundheit; > systemische Anforderungs-Ressourcen – Modell in der Gesundheitsförderung; > Prädiktive und individualisierte Medizin

Ein Weg zum besseren Verständnis von Gesundheit führt über die Betrachtung seiner unterschiedlichen Dimensionen. Ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit bedeutet, dass die unterschiedlichen Einflüsse aller Dimensionen und ihrer Wechselwirkungen untereinander berücksichtigt werden müssen. Abbildung 1-1 zeigt ein Diagramm dieser Dimensionen der Gesundheit. Der innere Kreis bezieht sich auf die Gesundheitsdimensionen des Einzelnen:

  • Die physische Gesundheit betrifft den Körper, z.B. Fitness, nicht krank sein.
  • Die psychische Gesundheit bezieht sich auf ein positives Lebens und Selbstwertgefühl, z.B. „gut drauf zu sein“, „die Sache im Griff zu haben“.
  • Die emotionale Gesundheit bezieht sich auf die Fähigkeit, Gefühle auszudrücken und Beziehungen zu entwickeln und aufrechterhalten zu können, z.B. das Gefühl, geliebt zu werden.
  • Die soziale Gesundheit bezieht sich auf das Gefühl der sozialen Unterstützung durch die Familie und Freunde, z.B. Freunde zu haben, mit denen man sich aussprechen kann, oder das Gefühl, nicht abseits zu stehen.
  • Die spirituelle Gesundheit ist das Erkennen und die Fähigkeit, moralische oder religiöse Grundsätze und Überzeugungen in die Praxis umsetzen zu können, sowie das Gefühl, im Leben etwas Sinnvolles und Nützliches zu tun.
  • Die sexuelle Gesundheit betrifft die Bereitschaft und Fähigkeit, seine eigene Sexualität befriedigend erleben zu können.

Die drei äußeren Kreise stellen die Einflüsse des weiteren Umfeldes auf die Gesundheit des Einzelnen dar. Die gesellschaftliche Dimension betrifft den Zusammenhang zwischen der Gesundheit und den Strukturen einer Gesellschaft. Sie umfasst die grundlegenden Infrastrukturen für Gesundheit (wie z.B. Unterkunft, Frieden, Nahrung, Einkommen) und den Grad der gesellschaftlichen Integration oder Ausgrenzung. In Kap. 2 werden wir sehen, wie solche strukturellen Ungleichheiten die Gesundheit bestimmter gesellschaftlicher Gruppen beeinflussen können. Die Umweltdimension bezieht sich auf die Qualität solcher Bereiche wie Wohnung, Verkehr, die Hygiene und Versorgung mit Trinkwasser. Zur globalen Gesundheit gehört die Sorge um den Planeten Erde zur Sicherung einer künftigen nachhaltigen Entwicklung.

Abbildung 1-1: Dimensionen der Gesundheit.

1.2
Ganzheitliches Modell der Gesundheit

Was bedeutet ein ganzheitliches Modell der Gesundheit für die Praxis der im Gesundheitswesen Tätigen?

1.1.2
Wohlbefinden (Well-being)


Wohlbefinden ist ein häufig genutzter Begriff zur Beschreibung „was ein gutes Leben ausmacht“. Zugleich wird er auch in der Gesundheitsversorgung verwandt zur Erweiterung der Sichtweisen, was über die Abwesenheit von Krankheit hinaus zur Gesundheit gehört. Sich wohlfühlen und geistig fit zu sein sind wichtige Merkmale psychischer Gesundheit. Dies führt zugleich zu einer besseren physischen Gesundheit, höherer Produktivität, weniger Kriminalität und mehr Beteiligung am Gemeinschaftsleben (Department of Health, 2010). Die Stiftung „New Economics Foundation“ hat einen „Happy Planet Index“ mit Schlüsselkennzahlen entwickelt, um Länder dahingehend miteinander zu vergleichen, inwieweit sie ihren Bürgerinnen und Bürgern ein langes und glückliches Leben ermöglichen. Im Jahr 2012

  • waren acht der neun Länder mit einem hohen und nachhaltigen...
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