1 Lernen – wie es sein könnte und wie es ist
Lernen bedeutet oft Stillsitzen und Zuhören. Aber es ist effektiver und macht mehr Spaß, wenn neben Augen und Ohren auch die anderen Sinne angesprochen werden.
Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht hören oder lesen, wie groß der Stress in Schulen mittlerweile geworden ist und dass dringend etwas dagegen getan werden müsste. Kinder verweigern sich, Eltern sind genervt und Lehrer wissen kaum noch, wie sie all die Probleme, die täglich anstehen, meistern können. Bis jetzt gibt es in den Schulen trotz zahlreicher Reformen kein Konzept, das überzeugt. So bleibt Eltern nicht anderes übrig, als selbst nach Lösungen zu suchen, was auch wieder Nerven und Zeit kostet.
Sicher kennen Sie das auch: Neben der eigenen Arbeit und dem Haushalt steht noch der tägliche Kampf um die Hausaufgaben an. Die Kinder sind müde und unkonzentriert. Bei einfachen Aufgaben machen sie jede Menge Flüchtigkeitsfehler, weil sie mit ihren Gedanken nicht bei der Sache sind.
Mit diesem Ratgeber möchte ich Ihnen helfen, dass wieder etwas mehr Ruhe in Ihren stressigen Alltag einkehrt. Ich stelle Ihnen Übungen vor, die sehr effektiv sind und nicht nur Entspannung in das Lernen bringen, sondern auch eine Menge Spaß. Alle Übungen sind leicht anzuwenden und lassen sich sehr gut in den Alltag integrieren.
Die Grundlage meiner Arbeit ist das Lernen mit allen Sinnen. Diese Art des Lernens ist – wie die Hirnforschung zeigt – dem traditionellen Lernen, wie es bisher an den meisten Schulen praktiziert wird, überlegen. Die Fähigkeit, mit allen Sinnen zu lernen, bringt jedes Kind von Geburt an mit. Sobald sich Kinder eigenständig bewegen können, erkunden sie ihre Umgebung mit großer Neugier auf Basis der sinnlichen Wahrnehmung. Sie sind auf spielerische Weise in der Lage, sich Wissen hoch konzentriert anzueignen. Dazu brauchen sie nur unsere Unterstützung.
1.1 Was bedeutet »Lernen mit allen Sinnen«?
Alle Informationen, die uns erreichen, werden über unsere Sinne aufgenommen und von unserem Gehirn verarbeitet. Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und auch Schmecken ermöglichen diese Verarbeitung auf der bewussten und der unbewussten Ebene. Diese sensorischen Systeme sind die Kanäle, durch die wir wahrnehmen, Verhaltensweisen ausbilden und auch lernen.
Wenn Sie sich an ein Erlebnis aus Ihrer Vergangenheit erinnern, werden Sie feststellen, dass alle Ihre Sinne beteiligt waren und dass sich diese »Sinnes-Erinnerungen« wieder hervorholen lassen. Erinnern Sie sich an die Zeit, als Sie verliebt waren? Alles war rosarot, die ganze Welt sah wunderschön aus und natürlich ganz besonders der Mensch, der all diese Gefühle in Ihnen hervorgerufen hat. Vielleicht gab es auch ein gemeinsames Lied. Wenn Sie später einmal dieses Lied gehört haben, waren wahrscheinlich auch alle anderen Erinnerungen wieder präsent. Auch der Geruch und Geschmack eines Essens, das wir als Kind geliebt haben, kann die Atmosphäre von einst wieder hervorrufen.
Intensive Erlebnisse und solche, die sich wiederholen, werden im Langzeitgedächtnis gespeichert. Das, was uns nicht so berührt oder interessiert oder nur flüchtig ist, landet im Kurzzeitgedächtnis. Dieses Wissen um die »Speicherorte« können wir uns zunutze machen, um das Lernen zu erleichtern.
Damit das Gelernte im Langzeitgedächtnis gespeichert werden kann, sollte es möglichst viele Sinne ansprechen. Wir benutzen beim Lernen meist nur den visuellen und den auditiven Sinneskanal. Die bieten dem Gehirn aber wenig Anregung. Es schaltet schnell gelangweilt ab oder lässt die Informationen im Kurzzeitgedächtnis, wo sie bald vergessen sind. Haben wir aber die Möglichkeit, etwas mit allen Sinnen zu erfahren, es zu berühren und vielleicht sogar zu schmecken oder zu riechen, wird es interessant und kann später über viel mehr Sinneskanäle wieder abgerufen werden. Nun geht es auch in das Langzeitgedächtnis. Kinder, die Geschichte nicht nur über Jahreszahlen lernen, sondern eine spannende Erzählung darüber hören und in einem Museum eine interessante Ausstellung über die Zeit sehen, in der sie sogar noch etwas ausprobieren können, werden Geschichte nun ganz anders speichern. Denn jetzt sind alle Sinne angesprochen.
Als Ergänzung und zur Vertiefung gehört zu diesem Ratgeber eine CD mit Fantasiereisen. Sie werden sicher nicht immer Zeit finden, mit Ihrem Kind zusammen die anstehenden Themen zu bearbeiten, aber Ihr Kind kann die Fantasiereisen auch allein unternehmen. Durch die entspannte Situation beim Hören wird das Gelernte zusätzlich verankert. Auf der CD werden die Themen aufgegriffen, die im Buch beschrieben sind. Alle Übungen sind so gestaltet, dass Ihr Kind ihnen leicht folgen kann. Ab ▶ »Fantasiereisen« finden Sie Vorschläge, wie Sie die einzelnen Übungen im Alltag noch praktisch ergänzen können, doch sie wirken auch für sich.
Als zusätzliche Unterstützung finden Sie auf der CD eine Entspannungsübung, die für Sie selbst gedacht ist. Viele Anregungen, wie z. B. in den Kapiteln über die ▶ Ernährung und über die ▶ Düfte, eignen sich übrigens auch gut für Erwachsene.
1.2 Warum an Schulen häufig falsch gelernt wird
Kinder lernen von Natur aus gern. Sie sind neugierig und offen. In dem Moment aber, wo Druck entsteht, Angst geschürt wird oder etwas einfach nur langweilig ist, verweigern sie sich.
Unser staatliches Schulsystem lässt den Lehrern für neue Lernmethoden leider noch nicht viel Spielraum. Es gab viele Versuche, in diesem Schulsystem Veränderungen vorzunehmen, doch vieles hat sich als nicht so gelungen herausgestellt.
Ein Beispiel dafür ist das Schreibenlernen: In den ersten Klassen bleibt es den Kindern selbst überlassen, wie sie ein Wort schreiben. Rechtschreibung nach Gehör kann aber nicht wirklich gut funktionieren, weil auch das Sehen wichtig ist, um sich die richtige Schreibweise einzuprägen. Viele Wörter, die sich gleich anhören, werden unterschiedlich geschrieben. Wie sollen Kinder das hören? Besonders Kinder mit Migrationshintergrund haben hier große Schwierigkeiten. Mittlerweile erkennt man zunehmend, dass es durch diese Methode zu mehr Fehlern kommt, und will nun in einigen Bundesländern die alte Methode wieder einführen.
In den Schulen dominiert zudem häufig noch ein Unterrichtsstil, der Ohren und Augen einseitig anspricht. Leider ist es immer noch die Ausnahme, dass Kinder sich einen Unterrichtsstoff durch eigene Kreativität erarbeiten und dass beim Lernen alle Sinne angesprochen werden. Die Lehrpläne lassen den Lehrern einfach zu wenig Spielraum.
Kinder, die nach der 4. Klasse auf die Realschule oder das Gymnasium gehen möchten, sind einem besonders großen Stress ausgesetzt, da hier die Noten natürlich ein starkes Gewicht bekommen. So steht anstelle eines ganzheitlichen Lernens meist das reine Pauken auf dem Programm.
Auch Mathematikprofessoren plädieren mittlerweile für ein ganzheitliches Lernen. Sie bedauern zudem, dass es zu wenig Nachwuchs im naturwissenschaftlichen und mathematischen Bereich gibt, und sind der Meinung, dass dies mit der oft trockenen Vermittlung dieser Themen in der Schule zu tun habe. Sie wünschen sich, dass im Mathematikunterricht das Gefühl mehr angesprochen wird. Die Lehrer müssten den Schülern auch die Gelegenheit geben, sich mit dem Unterrichtsstoff zu identifizieren. Sie sollten mit ihnen in die Natur gehen oder in die Stadt, um dort zum Beispiel Symmetrisches zu entdecken. Dies wäre eine Möglichkeit, mit allen Sinnen zu lernen.
Neurowissenschaftler vertreten sogar die Meinung, dass Lehrer viel mehr über die Funktionsweise des Gehirns wissen müssten, denn jeder Lernvorgang geht auch mit einer Veränderung der Verschaltungen im Gehirn einher.
1.2.1 Am besten lernen Kinder, wenn alle Sinne angesprochen werden
Inzwischen ist es erwiesen, dass Kinder sehr unterschiedlich lernen. Werden alle Sinne einbezogen, können alle Kinder erreicht werden. Jeder Lehrer bewegt sich natürlich in seinen bevorzugten Sinneskanälen und wird so unbewusst immer eine bestimmte Gruppe Schüler bevorzugt ansprechen. Als vielleicht visuell geprägter Mensch erreicht er durch seine Sprache und seine auch visuell geprägten Unterrichtsmethoden die Schüler, die sich ebenfalls mehr in diesem Sinneskanal bewegen, deutlich leichter als zum Beispiel die auditiven. Es mag auch sein, dass er irritiert auf einen auditiven Schüler reagiert, wenn dieser ihn nicht ansieht, sondern an ihm vorbeischaut, um konzentriert zuhören zu können.
An diesem Beispiel lässt sich erkennen, wie wichtig es ist, das Wissen über ganzheitliches Lernen in die Schulen zu bringen, um dort einen ganzheitlichen Unterricht einzuführen, bei dem alle Sinne angesprochen werden.
Sie können hier einen Ausgleich schaffen und Themen, die in der Schule durchgenommen werden, aufgreifen und zu Hause in...