3 Qualitätsmessung im Rahmen des P4P Ansatzes
In den vorherigen Kapiteln wurde vereinzelt auf die Problematik der objektiven und angemessenen Qualitätsmessung von Versorgungsleistungen hingewiesen. Die Auswahl der richtigen Bewertungsparameter unter Berücksichtigung der Erfordernisse im Gesundheitswesen stellt hierbei eine große Herausforderung dar. Bevor auf das klassische Modell von Qualitätsindikatoren nach Avedis Donabedian eingegangen werden kann, werden zunächst die Voraussetzungen und Strukturen von Bewertungsgrößen in ihrer allgemeinen Art beschrieben.
Im Jahr 1990 veröffentlichte das „Institute of Medicine“ einen Bericht über die Qualitätssicherung im amerikanischen Medicare[67] Programm und definierte darin die Begrifflichkeit der Qualität im gesundheitsökonomischen Verständnis. Darin wird Qualität als ein Grad definiert, mit dem die Wahrscheinlichkeit erwünschter Behandlungsergebnisse bei der Gesundheitsversorgung von Leistungsempfängern steigt.[68] Um diese Qualität ermitteln, vergleichen oder sogar verbessern zu können, werden spezifische Messgrößen benötigt. Im Rahmen zahlreicher Interpretationsansätze haben sich die so genannten „Qualitätsindikatoren“ als praxistaugliche Bewertungs- und Darstellungsinstrumente herauskristallisiert. Qualitätsindikatoren sind somit Kennzahlen, mit deren Hilfe Versorgungsleistungen durch Zahlen oder Zahlenverhältnisse indirekt abgebildet werden können.[69] Sie können damit Aussagen über die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität treffen und unterstützen zudem das Feld der Qualitätsförderung. Eine ausführliche Erläuterung dieser drei Perspektiven ist Gegenstand des Kapitels 3.2.
Die Qualitätsmessung im Gesundheitswesen unterliegt gewissen Voraussetzungen, damit überhaupt auf Grundlage eines solchen Systems eine genaue Bewertung von Versorgungsleistungen vorgenommen werden kann. Zu Beginn muss daher ein Konsens darüber gefunden werden, „was“ und „wie“ gemessen werden soll. Das „was“ umschreibt hierbei die Festlegung der zu bewertenden Zielgrößen. Dabei geht es vornehmlich um die Auswahl von ökonomischen Effizienzgrößen, auf deren Grundlage die zusätzliche Vergütung berechnet werden kann.[70] Aus der Sicht des Qualitätsmanagements geschieht dies mit Hilfe von „Sensoren, die an neuralgischen Punkten (..) betrieblicher Prozesse angebracht sind“[71] und kontinuierlich Informationen über den Outcome liefern. Solche Sensoren sind zumeist patientenbezogene Parameter wie beispielsweise, Zufriedenheit der Leistungsempfänger, spezifische Behandlungskosten oder zeitlicher Umfang einer bestimmten Indikation.[72] Des Weiteren muss auch der dynamische Gesichtspunkt bei der Bestimmung der Zielgrößen beachtet werden. So müssen determinierte Kennzahlen regelmäßig analysiert und periodisch evaluiert werden, um eine reliable Bewertung des Outcomes im Zeitablauf möglich zu machen.
Der zweite entscheidende Aspekt ist die Beantwortung der Frage, „wie“ die erbrachte Leistung gemessen werden kann. Bei dieser Fragestellung gibt es im Allgemeinen fünf Methoden, mit deren Hilfe der Grad einer Versorgungsleistung ermittelt werden kann. Die folgende Übersicht stellt diese Möglichkeiten zusammenfassend dar.
Abbildung 3: Messmethoden[73]
Unabhängig von der Wahl der Messmethode müssen humanbedingte und soziodemografische Einflussfaktoren berücksichtigt werden, die eine Verfälschung des medizinischen Handlungsbedarfes einer Person suggerieren. Hierbei besteht die Möglichkeit harte und weiche Faktoren bei der Datenerhebung in Betracht zu ziehen. Um eine mögliche Varianz ökonomischer Zielparameter zu beseitigen, müssen neben der technischen Kennzahlenerhebung, auch individuelle und regelmäßig auftretende Patientenbefragungen in die Bewertung von Gesundheitsleistungen mit einfließen.[74]
Die zentrale Schwierigkeit bei der Qualitätsmessung stellt die objektive Bestimmung von passenden Qualitätsindikatoren dar. Auf Grund der Herausforderung der Datensparsamkeit ist es schwierig mit nur wenigen Indikatoren aussagekräftige Bewertungen über Versorgungsleistungen machen zu können. Daher ist es wichtig, dass unter Anderem, Aspekte wie Patientensicherheit, Vorhersagbarkeit oder Anpassungsfähigkeit bei der Festlegung und Entwicklung von Qualitätsindikatoren berücksichtigt werden.[75] Ein erfolgreicher Versuch, der sektoren- und indikationsübergreifenden Bestimmung von Messgrößen stellt das Modell von Avedis Donabedian dar. Im nachfolgenden Kapitel wird dieses klassische Modell mit seinen Eigenschaften erläutert.
Professor Avedis Donabedian wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Libanon geboren[76] und studierte dort an der American University of Beirut, Medizin. Nach dem 2. Weltkrieg ging er, auf Grund der Unruhen im Mittleren Osten, ins Exil in die Vereinigten Staaten und kam dort erstmalig mit der Thematik der Versorgungsqualität in Kontakt. An der University of Michigan bekam er von Dr. Rosenfeld die Forschungsaufgabe, die bisher veröffentlichten Studien zum Qualitätsbegriff zu untersuchen. Nach einer sechsmonatigen Bearbeitungsphase veröffentlichte Avedis Donabedian 1966 seine Ergebnisse im „Milbank Memorial Fund Quarterly“ und definierte darin den Begriff der Qualitätsmessung als den Übereinstimmungsgrad zwischen Zielen des Gesundheitswesens und der tatsächlich erbrachten Versorgungsleistung.[77] In diesem Modell differenziert Avedis Donabedian die Qualität in drei Dimensionen, um sie dadurch besser darstellen und definieren zu können. Diese Gliederung in Form von
Strukturqualität
Prozessqualität und
Ergebnisqualität[78]
gilt als klassisches Modell der Qualitätsmessung und ist auf Grund seiner guten und logischen Argumentationssystematik allgemein akzeptiert und anerkannt.[79] Diese drei Qualitätsindikatoren sind verlässliche Parameter, mit denen eine Versorgungsleistung gemessen und bewertet werden kann, um sie anschließend entsprechend erfolgsabhängig vergüten zu können. Neben diesen klassischen Indikatoren gibt es zahlreiche Weiterentwicklungen im Bereich der Qualitätsmessung, mit dem Ziel einer objektiven und fairen Operationalisierung der Versorgungsleistung. Ausgewählte Indikatorenprogramme und ihre Anwendung im Bereich der ambulanten Versorgung sind Gegenstand des anschließenden Kapitels. In Deutschland prüft beispielsweise der „Medizinische Dienst der Krankenversicherung“ (MDK) auf Grundlage des Qualitätsmodells nach Avedis Donabedian, jährlich ausgewählte Einrichtungen im Rahmen der Qualitätssicherung. Hierbei legt der MDK seinen Fokus vor allem auf den Indikator der Ergebnisqualität, um Einrichtungen der ambulanten Pflege zu akkreditieren oder zu rezertifizieren.[80] Bevor die Eigenschaften der Ergebnisqualität weiter dargestellt werden können, werden zuvor die beiden anderen Qualitätsmerkmale in ihren Eigenschaten beschrieben.
Strukturqualität
Die Strukturqualität umfasst die organisatorischen und physischen Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, damit etwas regelgerecht und adäquat bewerkstelligt werden kann.[81] Die Merkmale dieses Indikators umfassen personelle, materielle und systematische Elemente der Gesundheitsversorgung. Dabei werden die Leistungserbringer beispielsweise anhand des Ausbildungsstandes, der zusätzlichen Qualifikationen oder anhand ihrer Ausstattung an medizinischen Gerätschaften bewertet. Finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen, wie verwaltungstechnische Betriebsmittel oder die Art der Trägerstruktur werden ebenfalls evaluiert.[82] Hierbei kann ein niedergelassener Arzt eine hohe Bewertung erhalten, wenn er zum Beispiel medizintechnisch auf dem neusten Stand ist oder EDV-spezifische Ressourcen für die elektronische Gesundheitskarte vorhält. Im Rahmen des P4P Ansatzes ist dieser Indikator als „Pay for Quality“ zu verstehen und unterstreicht damit die Prämissen einer optimalen Patientenversorgung.[83] Die Elemente der Strukturqualität sind einfach zu operationalisieren, da sie größtenteils technisch und widerspruchsfrei evaluiert und abgebildet werden können. Da innovative Gerätschaften, hochqualifizierte Leistungserbringer und optimale infrastrukturelle Ressourcen positiv mit dem Behandlungsergebnis korrelieren, ist die Strukturqualität als rahmenspezifischer Grundindikator zu verstehen.[84] Einer Verbesserung dieser medizinischen Voraussetzungen folgt idealerweise eine Verbesserung des Behandlungserfolges, sodass die beiden anderen Qualitätsindikatoren erst im Nachzug eruiert werden können.
Prozessqualität
Die Prozessqualität ist unter dem Verständnis des P4P Ansatzes als „Pay for Transparency“ zu verstehen und bezieht sich auf die Messung und Bewertung von Abläufen.[85]...