1. Limonadenrezepte für Zitronentage – Jeder Tag verdient seine Chance
Weicher Meeressand unter den Füßen, eine kühle Brise streicht über die Haut. Das Tiefblau des Pazifiks erstreckt sich vor mir. Sanft rollen die Wellen ans Ufer. Ein paar Möwen kreischen und segeln im Wind. Am Horizont zeichnen sich einige palmenbewachsene Inseln ab.
Ein Morgen zum Genießen. Und genau an einem solchen Morgen schreibe ich dieses Buch. Da kommt mir der Gedanke, dass es nicht schwer ist, einem solchen Tag eine Chance zu geben – wenn er wie dieser beginnt! Ich sinke zurück in den Liegestuhl, falte die Hände hinter dem Kopf und schließe die Augen.
Gerade in diesem Augenblick entschließt sich ein Vogel dazu, mein T-Shirt als Zielscheibe zu nutzen. Ganz ohne Vorwarnung. Keine Sirene, kein Fliegeralarm. Nein, einfach nur: Platsch!
Ich sehe sie noch fortfliegen – diese schadenfrohe Möwe.
Bäh! Dreimal ziehe ich mein T-Shirt durchs Wasser und rücke meinen Liegestuhl von den Bäumen weg. Ich versuche alles, um den Zauber dieses Morgens aufs Neue zu spüren, aber es will mir nicht gelingen. Ich bekomme die Möwe nicht mehr aus dem Kopf.
Eigentlich müsste es mir doch leichtfallen. Noch immer rollt die Brandung, die Wolken gleiten so gemächlich wie vorhin, das Meer ist noch ebenso blau und der Sand genauso weiß. Aber der „Möwenplumpser“ will mir nicht aus dem Sinn!
Dieses blöde Vieh!
Typisch für diese Biester! Immer wieder bringen sie alles durcheinander. Lassen gerade da was fallen, wo ich sitze oder stehe! Auf eines kann man sich (immerhin) verlassen: Es vergeht kein Tag an dem man nicht einem Möwenplumpser zum Opfer fällt.
Der Verkehr kriecht, Flüge haben Verspätung, Freunde vergessen Verabredungen.
Ehepartner meckern.
Und dann diese besonders düsteren Tage, an denen kein Lichtstrahl der Zuversicht durchzudringen scheint. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt angekommen: Das Krankenbett oder der Rollstuhl wird wohl zum ständigen Begleiter! Das Gefängnis der eigenen, erdrückenden Gedanken nimmt einen erneut gefangen. Die Friedhofserde ist noch frisch, die Entlassungspapiere stecken noch in der Tasche, die andere Seite des Bettes ist noch immer verwaist. Wer erwartet schon etwas Positives von einem solchen Tag?
Nicht viele ... aber sollten wir es nicht dennoch versuchen? Auch solche Tage haben eine Chance verdient. Wer weiß, vielleicht treffen wir ja doch noch ins Schwarze und werden genommen, wenn wir zum Vorsingen gehen! Hat nicht jeder Tag die Chance verdient, im Guten zu enden?
Immerhin. „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein“ (Psalm 118,24). Bei den ersten beiden Worten kratzen wir uns womöglich am Kopf und runzeln zweifelnd die Stirn: Wie? Selbst diesen Tag? Die Feiertage, ja, die hat der Herr wohl gemacht. Oder Hochzeitstage. Ostersonntag. Die Tage unseres Urlaubs – die hat er gemacht. Aber diesen Tag?
Ja, Gott schuf auch diesen Tag! Der Vers aus dem Psalm bezieht sich auf alle Tage: Scheidungstage, Prüfungstage, OP-Tage, Steuerprüfungstage und Abschiedstage, wenn die Älteste auszieht, um von Stund an auf eigenen Füßen zu stehen.
Wie mitgenommen hat mich damals der Abschied von unserer Tochter Jenna! So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt. Wir packten Jennas Sachen und luden sie ins Auto, und dann ließen wir ein Leben hinter uns – so, wie wir es 18 Jahre kannten. Wieder einmal war ein Kapitel unseres Lebens zu Ende. Von nun an stand ein Teller weniger auf dem Tisch, es kehrte große Stille im Haus ein und es gab kein Kind mehr zu beherbergen. Dieser Tag war gewiss unumgänglich. Er war lange geplant und vorausgesehen – und dennoch zerriss dieser Tag mich innerlich.
Ich war nicht mehr ich selbst. Bei einer Tankstelle fuhr ich mit der Zapfpistole im Stutzen los und riss dabei den Schlauch aus der Säule. Ich verfuhr mich in einer Kleinstadt, die wir passierten. Und die ganze Zeit über blies ich Trübsal. Angekommen, packten wir aus, und ich schluckte einen Kloß nach dem anderen, der mir die Kehle zuzuschnüren drohte. Langsam füllte sich das kleine Zimmer meiner Tochter, und ich schmiedete Pläne, sie zu kidnappen, um sie dorthin zu bringen, wo sie hingehörte, nämlich nach Hause. Aber dann, während wir all die Sachen vom Auto durch die Flure in Jennas neues Zimmer schleppten, ging ich an einem Schwarzen Brett vorbei, und da hing ein Zettel, auf dem stand:
Dies ist der Tag, den der Herr gemacht.
Lasset uns freuen und fröhlich sein!
Wie angewurzelt blieb ich stehen, starrte auf den Zettel und ließ die Worte auf mich wirken. Gott hatte also auch diesen Tag gemacht? Er hatte diesen herzzerreißenden Augenblick mit allen Details geplant? Wenn uns etwas tief berührt und beunruhigt, geschieht dies nicht, weil Gott gerade Urlaub macht! Er hat keineswegs den Dirigentenstab aufs Pult gelegt und sich in den Pausenraum verzogen. Nein, er hält den Steuerknüppel fest in der Hand und sitzt noch immer auf dem einzigen Thron des Universums. Jeder einzelne Tag ist übers Zeichenbrett Gottes gegangen – auch dieser!
Und so entschloss ich mich, dort im Studentenwohnheim, auch diesem scheinbar so verdorbenen Tag noch eine Chance zu geben. Ich war bereit, meinen Blickwinkel zu ändern und in den Gesang des Psalmisten einzustimmen, auch wenn es mir unsäglich schwerfiel: Ich will mich freuen und fröhlich sein!
Aber ist da nicht noch eine andere Stelle in diesem Vers, die uns „unbequem“ erscheint?
„Lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein“, heißt es.
Ist das nicht auch eine Aussage, bei der wir gerne den Rotstift zücken würden, um das an ihm durch ein nach ihm zu ersetzen? Die Idee uns zu freuen und fröhlich zu sein ist ja gut und schön, aber jetzt gleich? Noch an diesem Tag? Nicht lieber erst morgen? Wenn wir alles überstanden haben? Das würde doch reichen, oder? Aber nein. Dies ist der Tag! Gott ermuntert uns mit diesem Wort, uns mittendrin zu freuen. Paulus freute sich im Gefängnis. David schrieb seine Psalmen in der Wüste seines Lebens. Jona betete im Bauch des Fisches. Paulus und Silas sangen im Gefängnis. Die drei Männer blieben im Feuerofen unverzagt. Johannes sah den neuen Himmel auch während er im Exil auf der Insel Patmos war. Und Jesus betete im Garten seiner größten Angst. Aber wie gelingt es uns, an Tagen wie diesen vergnügt zu sein?
Wie anders sähe die Welt aus, wenn es uns gelänge!
Stellen wir uns vor, wir steckten ganz tief drin in einem schrecklichen, grässlichen, unschönen, ja sehr schlechten Tag. Und dann fassen wir den Entschluss, ihm dennoch eine Chance zu geben. Wir nehmen uns vor, ihn nicht länger zu vergeuden, indem wir uns betrinken, bis zum Umfallen arbeiten oder die Zeit mit Sorgen totschlagen. Stattdessen vertrauen wir darauf, dass alles gut werden kann. Wir fahren den Stress herunter, spüren jedem Funken von Dankbarkeit nach, lassen alles Nörgeln verstummen. Über kurz oder lang haben sich die Wogen geglättet und der Tag verläuft eigentlich überraschend ordentlich.
Wow! Das macht Eindruck – so sehr, dass Sie sich entschließen, auch dem nächsten Tag dieselbe Chance zu geben. Er fängt vielleicht wieder ebenso mies an – mit „Möwenplumpsern“ und kleinen und großen Schicksalsschlägen. Und doch verdient auch dieser Tag eine Chance! Und am darauffolgenden Tag kann es so weitergehen. So werden aus Tagen Wochen, aus Wochen Monate und schließlich aus Monaten Jahre – eine endlose Reihe guter Tage.
So lässt sich ein gutes Leben führen. Einen guten Tag nach dem anderen.
Eine Stunde ist zu kurz und ein Jahr zu lang. Es sind die Tage, die unserem Leben erfahrbar Struktur verleihen. Sie sind die von Gott geschaffene Ordnungseinheit, die uns hilft, unser Leben zu handhaben.
Ein Tag – das sind:
Vierundachtzigtausend Herzschläge.
Eintausendvierhundertvierzig Minuten.
Eine komplette Erdumdrehung.
Eine Runde auf der Sonnenuhr.
Vierundzwanzig Mal die Sanduhr gedreht.
Ein Sonnenaufgang und ein Sonnenuntergang.
Ein jeder Morgen ist nagelneu, wie aus dem Ei gepellt, unberührt und ohne Gebrauchsspuren!
Ein Geschenk von 24 Stunden, ungelebt und zur freien Verfügung.
Und wenn Sie dann einen guten Tag an den anderen heften, so ergibt das zusammen – ein gutes Leben.
Aber Folgendes gilt es dabei zu beachten:
Aufs Gestern ist der Zugriff verweigert! Er entglitt Ihnen während Sie schliefen. Gestern ist Schall und Rauch. Sie können einen Einfluss geltend machen. Versuchen Sie mal, nach Rauch zu haschen. Gestern ist nicht mehr greifbar, es lässt sich nichts dran ändern, nichts nachträglich verbessern. Ein zweiter Versuch für denselben Tag ist leider nicht möglich. Der Sand einer Sanduhr rieselt nun mal nicht nach oben. Der Sekundenzeiger einer Uhr läuft nun mal nur vorwärts. Ist ein Kalenderblatt abgerissen, so lässt sich dies nicht mehr rückgängig machen. Gestern ist gestern und nicht heute.
Und auch auf das Morgen lässt sich nicht unmittelbar zugreifen. Selbst wenn Sie die Erdumdrehung beschleunigen könnten, oder die Sonne dauernd überzeugen könnten zweimal auf-, aber nur...