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E-Book

Lob der Vielfalt

Jahrbuch Ökologie 2009

VerlagS.Hirzel Verlag
Erscheinungsjahr2010
ReiheJahrbuch Ökologie 
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783777617190
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,00 EUR
Das Jahrbuch Ökologie informiert über die ökologische Situation und die Belastungstrends in den verschiedenen Bereichen der natürlichen Umwelt analysiert die staatliche und internationale Umweltpolitik bringt einen Disput zu einem wichtigen umweltpolitischen Thema dokumentiert historisch bedeutsame, umweltbezogene Ereignisse und Initiativen beschreibt positive Alltagserfahrungen und entwirft Visionen für eine zukunftsfähige Welt wendet sich an eine sensible Öffentlichkeit, die sich der Umweltkrise bewusst ist und nach tragfähigen Alternativen im Umgang mit der Natur sucht ist einem breiten Ökologiebegriff verpflichtet, der im Alltag verankert ist und das Verhältnis von Mensch und Natur, von Gesellschaft und Umwelt umfasst.

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Leseprobe

II. Schwerpunkt Biologische Vielfalt


Jochen Flasbarth

Erhalt der biologischen Vielfalt: Um was es dabei geht


Trendwende erforderlich


Der globale Schutz der biologischen Vielfalt hat 2008 eine besondere Aufmerksamkeit gefunden. Bei der 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) im Mai 2008 in Bonn ging es darum, den anhaltend dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt endlich entschlossener anzugehen als in den 16 Jahren seit Verabschiedung des Vertrages in Rio de Janeiro im Jahr 1992. Wunder hat die Bonner Konferenz nicht erbracht, doch ganz sicher eine Reihe zukunftsweisender Beschlüsse, die eine Trendwende bewirken können. Und die ist dringend nötig.

Die Staats- und Regierungschefs hatten beim Weltgipfel über Nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg vereinbart, die Verlustrate an biologischer Vielfalt bis 2010 signifikant zu reduzieren. Wahrlich kein klares und auch kein besonders ehrgeiziges Ziel, müsste es doch eigentlich darum gehen, das Artensterben und die Zerstörung von Ökosystemen gänzlich zu stoppen. Tatsächlich ist die Welt noch auf dem falschen Weg: Jahr für Jahr geht eine Waldfläche in der dreifachen Größe der Schweiz verloren, 16 000 der untersuchten Arten sind vom Aussterben bedroht, 35 % aller Mangroven sind bereits zerstört und 80 % der karibischen Korallenriffe; die ausbeuterischen Fischereipraktiken führen bei unveränderter Fortführung dazu, dass ab 2050 keine kommerzielle Meeresfischerei mehr möglich sein wird, weil es dann keine befischbaren Bestände mehr geben wird.

Auch in Deutschland sieht die Situation nicht gut aus: 72 % aller Biotoptypen gelten als bedroht, 36 % der 48 000 heimischen Tier- und 27 % der 9500 Pflanzenarten stehen auf den Roten Listen der gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Arten. Es gibt allerdings auch erste positive Entwicklungen: Die Populationen einiger Arten nehmen wieder zu – Seeadler, Kormorane und Biber; andere Arten kehren nach Deutschland zurück – Wölfe, Luchse und auf mittlere Sicht auch Bären. Auch im Gebietsschutz gibt es Fortschritte: 14 % der terrestrischen Fläche Deutschlands und ein knappes Drittel der marinen Fläche in der Ausschließlichen Wirtschaftszone stehen unter dem europäischen Schutzregime „Natura 2000“. Der erste Bericht zu Natura 2000 hat gezeigt, dass ein Viertel der europäisch geschützten Arten und Lebensräume in Deutschland einen günstigen Erhaltungszustand aufweist.

Der Weg nach Bonn


Die CBD hat seit ihrer Vereinbarung einiges auf den Weg gebracht. Es gibt Arbeitsprogramme und Leitlinien zu allen Bereichen der Konvention und zu einer Vielzahl von Unterthemen. Vielfach haben Staaten Anstrengungen unternommen, CBD-Beschlüsse umzusetzen und mit konkreten Projekten zu unterlegen. Auch internationale Umsetzungen sind auf den Weg gebracht worden, wie zum Beispiel die Einrichtung des „Sustainable Tourism Support Center“ der Welttourismusorganisation zur Umsetzung der CBD-Guidelines über Tourismus und Biodiversität. Gleichwohl ist der Verhandlungsrhythmus weiterhin zu zäh und sperrig, um in angemessenem Tempo die Herausforderungen des globalen Biodiversitätsverlustes bewältigen zu können.

Das Bundesumweltministerium hatte deshalb gleich nach der 8. Vertragsstaatenkonferenz in Curitiba entschieden, zur Vorbereitung der Bonner Konferenz zusätzliche Impulse für den Verhandlungsprozess zu setzen. Im Dezember 2006 fand dazu in Potsdam ein internationaler Experten-Workshop zu Fragen der Globalen Biodiversitätspolitik statt. Eingeladen waren Einzelpersönlichkeiten, die über herausragende Expertise im CBD-Prozess verfügen, aber gegenwärtig nicht als „Mandatsträger“ auftreten. Es ging darum, Rat zu erhalten, in welcher Weise und mit welchen Themen Deutschland als Gastgeber und als CBD-Präsidentschaft von 2008 bis 2010 der Konvention neue Dynamik verleihen könnte. Wichtigste Diskussionsergebnisse waren, dass für die Anliegen der CBD ein höheres Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit organisiert werden müsse, dass die Themen auf eine höhere politische Ebene gehoben werden müssen und dass die Governance-Struktur der CBD einer Überprüfung bedarf.

Zur Umsetzung dieser Ratschläge war es hilfreich, dass Deutschland 2007 die G8-Präsidentschaft innehatte und im ersten Halbjahr auch die EU-Präsidentschaft. In der EU-Triple-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien wurden das Thema Biologische Vielfalt und die Vorbereitung der COP-9 zum roten Faden der gemeinsamen umweltpolitischen Arbeit. Im Umweltministerrat wurden bereits im Juni 2007 erste Verhandlungseckpunkte für die Europäische Union festgelegt, so früh, wie man sich zuvor noch nie auf eine Verhandlungslinie geeinigt hatte. Portugal hatte das Thema dann weiter bearbeitet und mit einer Konferenz über „Business and Biodiversity“ im November 2007 in Lissabon in einer besondern Weise befördert.

Von großer Bedeutung für den weiteren Prozess war die Potsdamer Konferenz der G8 + 5-Umweltminister: Erstmals diskutierten die Umweltminister der acht Industrieländer (USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland, Deutschland) und der fünf großen Schwellenländer (China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika) über Strategien, dem Verlust an biologischer Vielfalt wirksam entgegenzutreten. Ihre „Potsdam-Initiative“ führte zu zehn Eckpunkten für einen globalen Ansatz zum Schutz der Biodiversität (siehe Kasten 1).

Potsdam-Initiative zur biologischen Vielfalt 2010

1) Die wirtschaftliche Bedeutung des globalen Verlusts biologischer Vielfalt

In einer globalen Studie werden wir den Anstoß für einen Prozess zur Untersuchung des globalen wirtschaftlichen Nutzens der biologischen Vielfalt, der Kosten ihres Verlusts und der Nichtergreifung von Schutzmaßnahmen im Vergleich zu den Kosten einer wirksamen Erhaltung geben.

2) Wissenschaft

Wir werden die wissenschaftliche Basis für die biologische Vielfalt verstärken und sind entschlossen, die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik zu verbessern. In diesem Zusammenhang werden wir den laufenden Beratungsprozess über einen internationalen Mechanismus zur wissenschaftlichen Politikberatung in Biodiversitätsfragen (IMOSEB) unterstützen.

3) Kommunikation, Aufklärung und Bewusstseinsbildung

Aufbauend auf bestehenden Bemühungen werden wir die Entwicklung eines „Globalen Arteninformationssystems“ untersuchen, dessen Ziel die Erfassung und Bereitstellung von Informationen über alle bekannten Arten der Erde ist und das als Instrument für die Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit sowie für eine bessere wissenschaftliche Zusammenarbeit dient.

4) Produktions- und Konsummuster

Wir werden die Integration von Maßnahmen, in die Staat, Industrie, gesellschaftliche Gruppen und Verbraucher einbezogen sind, verbessern und ein breit gefächertes Bündel wirksamer Mechanismen zum Einsatz bringen, namentlich:

  • ordnungspolitische Maßnahmen
  • Marktanreize und -zugangsmöglichkeiten
  • Verhaltensregeln
  • Zertifizierung
  • öffentliche Beschaffung
  • Umweltverträglichkeitsprüfungen

In diesem Zusammenhang werden wir konkrete Maßnahmen unter besonderer Berücksichtigung von Holz und Biomasse ergreifen, wie etwa die freiwillige Harmonisierung von Beschaffungsverfahren und Standards zur Erleichterung des Handels mit nachhaltigem Holz, und dabei auf der 2005 in Derbyshire gestartete Initiative zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags aufbauen.

5) Illegaler Handel mit freilebenden Tieren und Pflanzen

In Anerkenntnis der ernsten Bedrohungen für die biologische Vielfalt durch den illegalen Handel mit freilebenden Tieren und Pflanzen werden wir unsere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung illegaler Aktivitäten im Rahmen von CITES und durch wirksame Partnerschaften zwischen Regierungen sowie internationalen und nichtstaatlichen Organisationen (wie etwa der Coalition Against Wildlife Trafficking) intensivieren.

6) Invasive nichtheimische Arten

Angesichts der zunehmenden Bedrohung der biologischen Vielfalt durch invasive nichtheimische Arten werden wir unsere Bemühungen um die Identifizierung und Kontrolle solcher Arten und die Verhinderung ihrer Einschleppung verstärken und unsere Zusammenarbeit durch die Entwicklung von Frühwarnsystemen, die Erstellung von Artenlisten und den Austausch von Informationen intensivieren.

7) Globales Netz mariner Schutzgebiete

Wir werden unsere Forschung im Bereich der Hohen See intensivieren und unsere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet verbessern, um besonders schutzwürdige Lebensräume zu identifizieren und ihren Schutz zu gewährleisten.

8) Biologische Vielfalt und Klimawandel

Wir werden eine bessere Verknüpfung der Politik im Bereich Klimaschutz und biologische Vielfalt anstreben. Wir werden sicherstellen, dass Aspekte der biologischen Vielfalt im Rahmen der Abschwächung des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel (unter Einbeziehung von Biomasse) sowie der Reduzierung von Emissionen aus der Waldrodung gleichermaßen berücksichtigt werden.

9) Finanzierung

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