Was ist Luna-Yoga? Körperkunst und Heilweise!
Luna-Yoga ist eine moderne Form des Hatha-Yoga.
Also ein Weg, sich das eigene Selbst über den Körper, über die Einheit von Körper, Geist und Seele bewusst zu machen. Bewegungen und Haltungen, Posen und Positionen werden meditativ eingenommen. Dadurch lernt man sich selbst besser kennen, entwickelt ein Gefühl für die eigene momentane Befindlichkeit. Im Innehalten entdeckt man sodann die Freiheit der Entscheidung. Denn wie ich mit dem, was ich gerade erlebe, umgehe, kann ich selbst bestimmen.
Luna-Yoga wurzelt in den alten indischen Weisheitssystemen Yoga und Ayurveda und geht über deren Menschen- und Gesellschaftsbild hinaus in unsere Zeit hier und jetzt.
- Wie leben wir hier im Westen? In Städten?
- Was ist uns wichtig?
- Welche Erkenntnisse fördert unsere Wissenschaft zutage?
- Welche Werte halten wir hoch?
- Welche Rolle spielt für uns der Körper?
- Und da ich Frau bin: Wie erlebe ich meinen weiblichen Körper?
Von diesen Fragen ausgehend entwickelte ich Luna-Yoga Anfang der 1980er Jahre.
Vieles am traditionellen Yoga, wie ich es in Indien und anderen asiatischen Ländern kennengelernt hatte, faszinierte mich. Doch immer wieder stieß mich das hierarchische Denken ab; hatte ich Mühe, mit der Rolle, die mir als Frau zugewiesen wurde; widerstrebte mir die Bindung an einen Guru.
Als Deutsche, so dachte und denke ich, sollten wir aus der Geschichte gelernt haben und nicht mehr einem Führer nachfolgen. Selbst denken wurde in den Ausbildungen zwar gepredigt, gleichwohl ging es häufig darum, alte Denkweisen zu repetieren, ohne sie zu hinterfragen.
So begann ich eigene Forschungen und schaute in all den Ländern, die ich als Journalistin bereiste, nach den Gesundheitssystemen der Menschen. Ich beobachtete Bewegungen, studierte Haltungen, ahmte nach, was ich an Bewegungsmustern, Tänzen, Trancen erlebte, und bildete mich in westlicher und östlicher Naturheilkunde weiter. Als Dolmetscherin auf ethnomedizinischen Kongressen kam ich mit Schamanen und Medizinfrauen in Kontakt, erlebte Diskussionen und Debatten, in denen Gesundsein und Kranksein von allen Seiten beleuchtet wurden.
Immer wieder beeindruckten mich Haltungen und Bewegungen. Haltungen des Körpers, doch auch innere Haltungen und Einstellungen – wie ich mich einem Geschehen gegenüber verhalte, einstelle – brachten mich zum Nachdenken und Nachsinnen.
Das wurde besonders deutlich, als zu Beginn meines experimentellen Unterrichtens von Luna-Yoga Anfang der 1980er Jahre die Psychotherapeutin Jutta Rühl-Thomas in meine Kurse kam. Neugierig und angeregt durch eigenes Üben wie auch durch Beobachtungen an anderen erörterten wir, wie sich die Hingabe an eine Übung auf das Befinden auswirkte und wie das Befinden auf das Üben wirkte. Daran wollten wir weiterforschen und riefen eine Frauengruppe zum Thema »Zyklusstörungen als Ausdruck weiblicher Lebenssituationen« ins Leben. Jutta Rühl-Thomas leitete den Gesprächsteil der Kurseinheiten, ich vermittelte Luna-Yoga-Übungen. Gemeinsam bauten wir kreative Elemente in unsere Kurseinheiten ein.
Den Mond schätzten wir als Symbol für Frauenrhythmen. Mit dem Namen Luna-Yoga hatten Rühl-Thomas und ich während unserer Besprechungen immer wieder gespielt. Die Wirkungen des Mondes auf die Gezeiten waren uns allen bekannt. Wir wollten herausfinden, wie stark unser Erdtrabant möglicherweise unsere Stimmungen beeinflusst, schließlich kommt das Wort Laune von Luna. Und wir wollten Stimmungen und Launen nicht länger in positiv und negativ einteilen, sondern frei hinschauen, was an Emotionen während eines Menstruationszyklus auftaucht und was sie bedeuten können.
So prägte sich der Name Luna-Yoga für diese besondere Methode ein. Rühl-Thomas’ ausführlicher Forschungsbericht über das Projekt »Luna-Yoga und Gesprächstherapie« wurde von der Universität München als Diplomarbeit in Psychologie anerkannt und veröffentlicht.
Eine meiner wichtigsten LehrerInnen ist Aviva Steiner, von deren Entdeckungen ich im übernächsten Kapitel berichten werde. Bei ihr lernte ich, der Weisheit meines Frauenkörpers zu vertrauen. Von ihr lernte ich eigenwillige Tänze zur Anregung von Fruchtbarkeit und Kreativität, die nun zum Schatz des Luna-Yoga gehören.
Als Symbol des Luna-Yoga wählte ich einen Baum:
Seine Wurzeln liegen im altindischen Yoga, mit dem ich mich seit den 1960er Jahren befasse und in dem ich Aus- und Weiterbildungen zur Yogalehrerin in Asien, Nordamerika und Europa absolvierte.
Den Stamm bilden die Übungen der israelischen Tänzerin Aviva Steiner, bei ihr ging ich seit 1980 immer wieder in die Lehre.
Äste und Zweige des Luna-Yoga Baums wachsen auf meinen Reisen. Auf den schönen Kontinenten unserer Erde, in allen besuchten Ländern und Regionen halte ich Ausschau nach Tänzen, Riten, Heilweisen, Körperkünsten, Bewegungsformen. Gern lasse ich mir erläutern, wie sich Tänze und Rituale im Laufe der Zeit geändert haben, welchen symbolischen Charakter bestimmte Bewegungsmuster haben. Spannend dabei finde ich immer wieder, wie unterschiedlich der Körper betrachtet wird, welche Wertschätzung er erfährt. Hier wird er als Tempel der Seele angesehen, anderswo als Maschine, die zu funktionieren hat, betrachtet. Dort wird seine Grenze ausgelotet, da geht man sorgsam und liebevoll mit dem Leib um. Lebenslust und Freude werden über den Körper ausgedrückt, lassen jede Zelle strahlen. Leid und Trauer darf in manchen Kulturen getanzt und beklagt werden. Mit unserem Körper leben wir in dieser Welt, begreifen dieses Leben, erfahren es. Im täglichen Üben stellen wir fest, wie es uns gerade geht.
Blüten und Blätter meines Luna-Yoga-Baums wachsen immer wieder neu: Bei jedem Üben werden frische Empfindungen geweckt, bei jedem Unterricht knospen andere Erfahrungen bei mir wie bei den Teilnehmenden.
Die Früchte dieses Baums trägt jede Person in sich, mit sich. Mit jedem Üben kann ich die Wirkungen, die Früchte meines Tuns genießen. In den Körperübungen erfahre ich mich und meine Stimmungen, lerne über das Empfinden mein Befinden besser zu deuten. Durch mein eigenes Üben gelange ich in den Augenblick.
So beschrieb ich Anfang der 1990er Jahre der Berner Künstlerin Esther Lisette Ganz mein Luna-Yoga. Inspiriert zeichnete sie daraufhin die Baumfrau, die seither mein Logo, das Symbol für Luna-Yoga ist.
Eine indische Gouache von 1730 drückt gleichfalls aus, wie ich Luna-Yoga sehe: Das darauf abgebildete Fabelwesen fügt sich aus verschiedenen Tieren sowie einem Menschenarm und einer Blume zu einer Figur zusammen. Das Wesen – so hörte ich in Indien – soll die vielfältigen Anteile, Anlagen und Aspekte unserer Existenz darstellen. Es weist uns darauf hin, dass wir eine Fülle an Fähigkeiten in uns tragen, und wir dürfen sie alle verwirklichen, solange wir niemandem – auch uns selbst nicht – schaden.
Beispielsweise steht die Schlange, der Schwanz, für Schnelligkeit und Schläue; dem Tiger werden Geschmeidigkeit und Kraft zugeschrieben; die Gazelle symbolisiert Grazie und Geschwindigkeit. Das Schneckenhaus auf dem Rücken vermittelt Geborgenheit und Schutz, Bedächtigkeit und Langmut. Der Elefant verkörpert Energie und Eifer, laut indischer Tradition räumt er alle Hindernisse beiseite. Feine Pracht porträtiert der Pfauenhals. Die Blume verströmt bestimmt einen betörenden Duft. Die Hand des Menschen ist geschmückt und verweist auf Handlungsfähigkeit und Geschicklichkeit, sie bietet die Blume dar, schenkt sie, gibt sich dem Leben in seiner vollen Schönheit hin.
Um diese Vielfalt und Wandlungsfähigkeit geht es mir im Luna-Yoga.
Das Fabelwesen symbolisiert die vielfältigen Fähigkeiten des Menschen
Flexibilität suche – und finde – ich nicht nur im körperlichen, sondern auch im seelisch-geistigen Bereich.
Im Verändern sich treu bleiben – dafür steht auch der Mond in seinem Lauf am Himmel. Sein Zyklus von Zunahme hin zu Fülle und Abnahme hin zu Leere, aus der das Neue beginnt, sein Auf- und Absteigen, seine Erdnähe und seine Erdferne, sein Weg durch die Sternbilder, all dies zeigt Wandel und Wiederholung, Veränderung und Beständigkeit. Der Mond wendet uns und der Erde nämlich immer dieselbe Seite zu.
Im Symbol der sich wandelnden Mondphasen finden wir ein Gleichnis unserer wechselnden Stimmungen
Die Sanskritsilbe OM gilt nach einigen alten Schriften Indiens als Urlaut der Menschheit, sie soll Ursprung und Unendlichkeit ausdrücken. Wahrscheinlich stammt das im christlichen Gebet an den Schluss gesetzte Amen von dieser Wortwurzel ab. Jüdische oder islamische Gottesanrufungen werden mit Amin beschlossen. Der Musikjournalist und Produzent Joachim Ernst Berendt nannte OM die Schwingung der Erde.
OM: Klang und Kosmogramm unserer Schöpfung
OM in seiner Zeichnung deutete einer meiner Yogalehrer, Swami Vishnudevananda in der Tradition seines Gurus Swami Sivananda folgendermaßen:
- Die untere längere Kurve bezeichnet den Zustand des Träumens.
- Die obere Kurve benennt den Zustand des Wachens.
- Die aus der Mitte entspringende Kurve symbolisiert den traumlosen Tiefschlaf.
- Der Halbmond oben steht für Maya, den Schleier der Illusion.
- Der Punkt darüber ist das Tor zur Transzendenz.
Tritt das Individuum durch den Schleier von Unwissenheit, Blendung oder Täuschung in den einen Punkt, der alles enthält, in die...