ÜPPIGE PRACHT AUF TISCH UND BEET
Die Schöngeister
Cüneyt Yilmaz, 47 Jahre, Marketingmanager und Dozent für Online-Marketing, und Tobias Völker, 49 Jahre, Turkologe und Islamwissenschaftler
In Hamburg-Wilhelmsburg liegt der verwunschene Garten von Cüneyt und Tobi – ein verstecktes Kleinod von kontrollierter Wildheit am Rande einer sonst eher gradlinigen, aber durchaus multikulturellen Kolonie. Seit vier Jahren ist dieser Schrebergarten für die beiden ein Rückzugsort, in dem sie die Natur genießen. Am liebsten entspannt auf ihrer Latte-Macchiato-Wiese. Und demnächst vielleicht auch im »Mojito-Teich« ...
KLEINGARTENVEREIN KIRCHDORF E .V., HAMBURG
Für spontane Besuche oder ein Fachgespräch über den Gartenzaun sind Tobi und Cüneyt immer zu haben. Die Inneneinrichtung der Laube, vor allem einige besondere Stücke wie die antike Madonna, stammen aus der Auflösung des Flohmarktladens einer Freundin. Der Schlafplatz ist – wie in vielen Schreberlauben mit gesetzlich begrenzter Grundfläche – als zweite Ebene unters Dach gelegt.
Wer auf die Terrasse von Tobi und Cüneyt gelangen möchte, muss zunächst seine Beweglichkeit unter Beweis stellen und unter der üppig blühenden Kletterrose hindurchkriechen. Aber der Sport lohnt sich, denn auf der anderen Seite wartet ein opulent gedeckter Tisch voll frischer Blumen, Kerzen, feinem Kuchen und einem leckeren Latte Macchiato. Wem danach ist, der bekommt dazu selbstverständlich ein kühles Gläschen Crémant serviert – der darf bei Cüneyt und Tobi nicht fehlen.
Wie seid ihr beiden auf die Idee gekommen, einen Schrebergarten zu pachten?
»Also eigentlich gar nicht. Der Garten kam auf uns!«
Wie das denn?
»Wir haben eine sehr schöne Wohnung im Karolinenviertel, aber nach Norden und ohne Balkon. Im Winter ist die Wohnung toll, aber im Sommer will man raus. Wir sind dann immer zum Frühstück mit einer Decke in den Botanischen Garten »Planten und Blomen« gegangen. Diese Lösung hat für uns gut funktioniert.«
Eine Kollegin von Cüneyt, selbst begeisterte Gärtnerin, fand irgendwann, dass sie auf Dauer doch ein Stück eigene Natur bräuchten.
»Als wir den freien Garten dann spontan mit ihr besichtigt haben, haben wir uns sofort in ihn verliebt und ohne lange Überlegung beschlossen: Den nehmen wir! Zum Glück hat auch der Vorstand sofort zugestimmt und wir konnten die Parzelle ohne lange Wartezeit übernehmen.«
Kontrollierte Wildheit
Cüneyt und Tobi begannen, das schlichte Gartengrundstück mit dem schwedenroten Holzhaus nach ihrem Stil zu gestalten. Kontrollierte Wildheit – so lautet das Konzept der beiden. Tobi setzt gern Akzente mit Bäumen und Büschen, das lenkt den Blick auf die höheren Pflanzen – und das Beet darf dann ruhig etwas wilder aussehen. Der schönste Blickfang ist der dunkelrote Judasbaum, den die beiden aus Istanbul kennen, wo Tobi momentan lebt und an seiner Doktorarbeit schreibt. Laut einer Legende hat sich Judas an einem solchen Baum erhängt, und die Blätter färbten sich vor lauter Scham dunkelrot. Auf Türkisch heißt der Judasbaum übrigens Erguvan.
Cüneyt ist gebürtiger Türke, aber in Deutschland aufgewachsen. Tobi hat sein Turkologie-Studium erst nach einer langen Krankheit durch seine Liebe zu Cüneyt begonnen. Es fing damit an, dass Tobi Türkisch lernen wollte, um sich mit der Familie seines Freundes verständigen zu können. »Inzwischen spricht Tobi besser Türkisch als ich!«, sagt Cüneyt und lacht.
Weil Tobi momentan sehr viel Zeit in Istanbul verbringt, lastet die Gartenarbeit hauptsächlich auf Cüneyt, der aber beständig versucht, alles im Griff zu behalten. Er war es auch, der Rosen wollte – unbedingt! »Rosen machen einen Garten erst edel!« Cüneyt beschneidet sie radikal, aber nach Bauchgefühl. Das ist offensichtlich nicht schlecht, denn die Rosen danken es ihm mit einer immer üppigeren Blüte. »Manche Rosen blühen bei uns sogar dreimal im Jahr.«
Vom klassischen Schwedenrot werden sich Tobi und Cüneyt in 2017 verabschieden – sie wollen die Hütte taubenblau streichen.
Wenn man die von außen eher unscheinbare, rote Laube betritt, fühlt man sich sofort wie am Mittelmeer: Weiß und Türkis sind die dominierenden Farben. Das sorgt für eine angenehme Frische. Über eine weiße Holzleiter gelangt man in einen gemütlichen Schlafboden, wo auch Platz für Gäste ist. Hier schlafen Cüneyt und Tobi gerne mal am Wochenende – die frühe Morgensonne kitzelt die beiden durch das kleine Fenster wach. Im Wohnraum finden sich antike Möbel, gemixt mit modernen Elementen – man spürt sofort, dass Ästhetik hier eine große Rolle spielt.
»Manche Rosen
blühen bei uns
sogar dreimal
im Jahr.«
In der kleinen, hellen Küchenecke findet sich alles, was man zum Kochen braucht – selbstverständlich auch eine typisch italienische caffettiera. Ansonsten kommt die meiste Dekoration aus dem Garten selbst. Im Innern ihrer Hütte nutzen die beiden dazu im Sommer gern frisch gepflückte Margeriten. Auch die Rosen, Cüneyts Lieblingsblumen, setzen nicht nur Akzente im Beet, sondern finden sich auch als Teil seiner schmuckvollen Inszenierung auf der Terrasse wieder.
Die Hütte ist innen ein Traum – habt ihr das alles selbst gemacht?
»Nein, wir haben einen tollen Maler gehabt, der erst mal innen alles geweißt hat.
Und dann, genau im richtigen Moment, hat eine Freundin ihren Laden für Flohmarktmöbel aufgegeben und wir haben ihr fast alles abgekauft, was du hier siehst, zum Beispiel den Schrank und die Madonna! Das war natürlich super!«
Wer ist denn der Dekorateur von euch beiden?
»Das bin eigentlich eher ich. Am Anfang gab es eine klare Arbeitsteilung: Ich bin für das Haus zuständig und Tobi für den Garten das sind eigentlich jeweils unsere Lieblingsbereiche. Wir haben aber schnell gemerkt, dass das unfair ist, also bin ich jetzt zusätzlich auch der Mann für Rasen und Rosen.«
Der Garten nahe Elbe und Autobahn ist für Cüneyt, Tobi und ihre Freunde längst kaum noch aus der Wochenendplanung wegzudenken. Einer ihrer Lieblingsplätze ist die »Latte-Macchiato-Wiese« mit Blick auf Wasser und Weiden. Der Garten grenzt dort an einen kleinen Bach, die nebenan grasenden Gallowayrinder schauen den beiden zu bei ihrem »Nuttenfrühstück«, wie sie das selbst nennen: Kaffee mit Zigarette in der Morgensonne. »Hier liegen wir dann so lange im Liegestuhl, bis sich einer aufrafft, um Brötchen zu holen.« Manchmal werfen sie Blumensamen auf die andere Seite, damit es auch bei den Rindern schön bunt blüht.
Lange hat Tobi nach dem seltenen, dunkelroten Judasbaum gesucht und wurde in einem spezialisierten Gartenfachhandel tatsächlich fündig. Nun wird das Bäumchen sorgsam gepflegt. Aber für Cüneyt und Tobi sollen sich im Garten Arbeit und Entspannung bitte die Waage halten – denn wozu hegt und pflegt man wohl all diese Pflanzen? Damit man so oft es geht mit Kaffee oder Crémant mitten unter ihnen sitzen kann!
Ist eure Gartengestaltung eigentlich abgeschlossen oder habt ihr noch Projekte in Planung?
Cüneyt: »Ich will unbedingt einen kleinen Schwimmteich, in dem man auch sitzen kann. Am Rand soll frische Minze wachsen – so können wir uns dann direkt im Teich einen Mojito mixen.«
Und wenn in Hamburg öfter Schnee fiele, würden Tobi und Cüneyt ihren alten Schuppen gern zur Sauna aufrüsten. Dem steht aber zur Zeit noch die Regel des Gartenvereins entgegen, dass das Wasser auf allen Parzellen den ganzen Winter über abgestellt sein muss. Und Sauna ohne Duschen geht ja nicht wirklich.
So wird wohl ein neuer Mojito-Teich das Highlight des nächsten Gartenfestes mit Freunden.
»Die Latte-Macchiato-Wiese mit
Blick in die freie Natur ist definitiv
einer unserer Lieblingsplätze.«
TOBIS TIPP
Pflanzen mögen es, beschnitten zu werden. Wenn man bei bestimmten Blumen die Blüten nach der Blühzeit herunterschneidet, blühen sie ein zweites Mal. Geeignete Pflanzen sind zum Beispiel Ziersalbei, Katzenminze oder Phlox.
Beim Kauf darauf achten, dass man keine Pflanzen wählt, die sich unterirdisch vermehren, zum Beispiel Topinambur, Minze oder Goldrute. Wenn man diese Pflanzen schön findet, braucht man eine sogenannte »Wurzelsperre«. Solche Pflanzen also lieber in Töpfe oder in im Boden eingelassene, unten offene Gefäße setzen, damit sie sich nicht im ganzen Garten ausbreiten.
DAS KREATIVE RANDGEBIET VON KÖLN-KLETTENBERG
Die Komiker
Gabi Weiss, Schauspielerin und Komikerin, 56 Jahre, Winni Rau, Musiker und »Stunker«, 57 Jahre, und Simonetta Dibbern, Journalistin, 53 Jahre
Können Komiker unter Kleingärtnern glücklich werden? Gabi Weiss (vorheriges Bild), Winni Rau und Simonetta Dibbern zeigen: Das geht sogar sehr gut. Ihr Freundeskreis, zu dem viele Schauspielerinnen und Künstler gehören, hat am Rand einer weitläufigen Kölner Gartenkolonie einen kreativen Seitentrieb gebildet, in dem alle ein bisschen unter sich und dennoch Teil der großen Gemeinschaft sind.
KLEINGARTENVEREIN KÖLN-KLETTENBERG E .V. VON 1923
Auch Gabis Chinesische Schopfhündin Finja hat im Garten einen Lieblingsplatz. Am schönsten sind für sie die Tage, wenn ihr...