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Madrid. Eine Stadt in Biographien

MERIAN porträts

AutorWolfhart Berg
VerlagMerian / Holiday, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783834217424
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Madrid. Eine Stadt in Biographien - Eine Stadt wird nicht nur von Gebäuden und Straßenzügen geprägt, die Identität von Madrid entsteht erst mit den Geschichten seiner Bewohner. Denn was wäre die Stadt ohne Felipe II, Francisco de Goya oder Javier Bardem? 20 ausgewählte Biographien zeichnen ein lebendiges, historisches wie auch aktuelles Bild der Stadt. Die Porträts werden durch Adressen ergänzt, die eine Stadterkundung auf den Spuren der porträtierten Personen ermöglichen. Dieser Band umfasst Porträts von: Isabel I, Carlos I, Felipe II, Miguel de Cervantes, Felix Lope de Vega, Diego Velazquez, Francisco de Goya, Cayetana de Alba, José Ortega y Gasset, Francisco Franco, Federico Garcia Lorca, Jorge Semprun, Alfredo di Stefano, Luis Miguel Dominguín, Cayetana Fitz-James Stuart, König Juan Carlos, Felipe Gonzalez, Tita Carmen Cervera von und zu Thyssen-Bornemisza, Pedro Almodóvar und Javier Bardem. Autor: Wolfhart Berg

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Leseprobe

ISABEL I DE CASTILLA


14511504

Sie wird als junge Königin in Madrid gekrönt. Das ist zu jener Zeit noch ein ziemlich trauriges Nest, erhebt sich aber zur Residenz des geeinten Spaniens, das immer mächtiger und reicher wird.

Es regnet Bindfäden auf das kastilische Dorf Madrigal de las Altas Torres, 150 Kilometer nordwestlich vom damaligen 4000-Seelen-Marktflecken Madrid gelegen. An diesem Donnerstagnachmittag des 22. April 1451 erblickt eine Prinzessin in einem heruntergekommenen Königspalast das Licht der Welt. Ihr Vater ist Juan II, König von Kastilien, ihre Mutter die Juan aus strategisch-friedlicher Absicht in zweiter Ehe angetraute Isabel von Portugal. Es ist eine lange Entbindung. Vater Juan schaut beim ersten Schrei von Isabel aus dem Fenster über den begrünten Innenhof hinüber zur Taufkirche San Nicolás de Bari, betet laut ein »Danket dem Allmächtigen« und ist zufrieden.

Schließlich hat er aus seiner ersten Pflichtehe (1419) mit Maria von Aragon schon einen Thronfolger, Enrique IV. Am Tag von Isabellas Geburt ist der schon 26 Jahre alt. Der im Volk ob seiner Homosexualität als »impotente« verschrieene intrigante Enrique lauert bereits auf die Macht und wird seiner Stiefschwester das Leben bis zu seinem Tod 1474 schwer machen.

Noch existiert kein Spanien auf der Iberischen Halbinsel. Das kleine väterliche Königreich Kastilien ist durch Korruption und Anarchie verarmt, durch Kleinkriege ausgeblutet und von vielen Provinzial-Königreichen umgeben. Im Norden Asturien und Navarra, im Nordosten die mächtige Königliche Grafschaft Cataluña. Dann die Königreiche Aragón und Valencia in östlicher Nachbarschaft sowie die Seemacht Portugal im Westen. Die eigentliche Bedrohung kommt aus dem Süden von dem Emirat Granada und dem Kalifat Córdoba. Spätestens nach der Vertreibung der Mauren aus Zentralspanien um 1212 wächst in Kastilien der Neid auf die Wirtschaftsmacht im Süden. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts beginnt die Rückeroberung, die »reconquista«.

Isabel wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Als ihr Vater 1454 stirbt, ist sie drei Jahre alt und muss mit ihrer Mutter und dem Bruder Alfonso in die Burg von Arévalo umziehen, die genau in dem Dreieck zwischen den kastilischen Königsresidenzen Segovia, Àvila und Valladolid steht. Dort aber sitzt nun ihr Stiefbruder Enrique auf dem Thron.

Das Mädchen mit den roten Haaren und den grünen Augen wird streng katholisch und zu persönlicher Bedürfnislosigkeit erzogen. Mit ihrem starken Körperbau fällt sie als Sportlerin auf, lernt früh das Reiten. Ihre Hauslehrer loben sie für ihre kastilische (spanische) Aussprache und ihre handwerkliche Begabung. Sie näht, stickt und webt sehr gern.

Mit elf Jahren endet ihre unbeschwerte Kindheit. Ihr Stiefbruder hat sich mehr und mehr nach Madrid orientiert. Er lässt dort, wo heute die Almudena-Kathedrale und der Palacio Real (Königlicher Palast) stehen, die alte maurische Festung oberhalb des Flusses Manzanares zur neuen Residenz ausbauen.

DIE URZELLE DER STADT

Man muss sich das im heutigen imperialen Stadtbild von Madrid so vorstellen: Da ist der Alcázar, das ehemalige maurische Burgschloss, daneben die Almudena-Kathedrale, die aus einer arabischen Zitadelle hervorgegangen ist und sich heute im neugotischen Stil präsentiert. Im Schatten der beiden Großbauten stehen Bauernhütten mit Misthaufen. Wo sich heute elegante Straßenzüge erstrecken, wird zu Isabels Zeiten noch gepflügt, gesät, geerntet. In den Sommermonaten liegt eine unerträglich riechende Dunstglocke über den Häusern. Und auf dem damals noch recht wilden Fluss Manzanares, der einem 2000 Meter hohen Schneefeld in der Sierra de Guadarrama entspringt und schließlich Madrid durchquert, werfen Fischer ihre Netze aus für ein billiges Essen.

Der Fluss ist heute durch Wehre gezähmt, und von der Puente de Segovia bis zur Ermita de San Antonio de la Florida bildet sein Ufer eine gepflegte Flaniermeile, für Spaziergänger, Jogger, Skater, Radfahrer, mit eleganten Bars und Cafés. Jenseits dieser Urzelle von Madrid ist man zu Isabels Zeiten in wenigen Schritten im Brachland außerhalb der Stadtmauern; heute sind es 25 Kilometer bis an die Peripherie der 3,2-Millionen-Metropole.

Hier also hat der missgünstige Stiefbruder seine Stiefschwester Isabel und ihren Bruder Alfonso unter seiner Kontrolle. König Enrique fürchtet die Konkurrenz um die Thronfolge, da er ungeachtet seiner Scheinehe selbst keine Kinder hat. Der »Impotente« ist auch als Feldherr unfähig, kassiert bei Kreuzzügen gegen die Mauren Niederlagen. Sein Hof ist verschuldet und wird von korrupten Günstlingen beherrscht. Das Treiben mit Knaben im Schloss ist Stammtischthema in den Bodegas von Madrid.

Das dekadente Leben bekommt die sittsame Isabella durchaus mit. Und sie ist erschüttert über den moralischen Niedergang Kastiliens. Immer mehr Granden, Bischöfe und ritterliche Hidalgos (Junker) rebellieren gegen den König. Sie wollen lieber Isabellas Bruder, den 15-jährigen Alfonso, auf dem Thron sehen. Der aber stirbt 1468 an einer vergifteten Forelle.

König Enrique versucht jetzt, seine Halbschwester in andere Königreiche zu entsorgen, also zu verheiraten. Doch seine Kandidaten, der 30 Jahre ältere Prinz von Navarra und danach auch Herzog Pedro Girón, als Wüstling verschrien, sterben jeweils vor den Hochzeitsterminen.

Isabel hat genug von den Intrigen des Stiefbruders. 1469 bittet sie oppositionelle Granden um Beistand und ihren Berater, einen jüdischen Finanzier, dem Prinzen Fernando de Aragón einen geheimen Heiratsantrag zu übermitteln. Den kennt sie als gutaussehenden Thronfolger und tapferen Krieger. Fernando hat zwar schon zwei Kinder von einer Mätresse, aber das ist der zielstrebigen Isabel egal.

Fernando verkleidet sich und reist als Eselstreiber auf Schleichwegen am Río Duero entlang von Aragóns Hauptstadt Zaragoza nach Valladolid. Fernando und Isabel dürfen schon drei Tage vor ihrer Vermählung im Haus der befreundeten Adelsfamilie Viveros in einem Zimmer schlafen. Isabel muss Schmuck versetzen, um die Hochzeit zu finanzieren. Am 18. Oktober 1469 werden die beiden mit dem Segen des mächtigen Kardinals von Toledo vermählt.

Unter dem Druck fast aller kastilischen Granden akzeptiert der wütende König Enrique I endlich die Thronfolge seiner Stiefschwester. Umsichtig wie sie ist, hat die 18-Jährige ihren nur um ein Jahr älteren Ehemann einen Heiratsvertrag unterzeichnen lassen: Danach muss Fernando de Aragón im kastilischen Madrid residieren und darf nur mit Isabels Segen Kriege führen. Dieser Ehevertrag geht als seine »Capitulaciones« in die Geschichte ein.

Als König Enrique im Morgengrauen des 11. Dezember 1474 im Alcázar-Schloss an der Ruhr stirbt, hat Isabel bereits alle Pläne für geordnete Staatsgeschäfte per Dekret aufgeschrieben. Nur einen Tag nach der Trauerfeier reitet sie auf ihrem Schimmel vor dem Krönungszug vom Alcázar-Schloss durch die engen Gassen bis zur Plaza Mayor. Vor der Kathedrale setzt ihr Erzbischof Dávila die Krone auf. Unter den Hochrufen »viva la reina« übergibt ihr der Marqués de Moya den goldenen Schlüssel von Madrid.

Die 23-jährige Königin erlässt Anti-Korruptionsgesetze und ein neues Steuerrecht; sie sorgt für ein unabhängiges Gerichtswesen und stellt loyale Beamte ein, Händler und Handwerker werden gefördert. In den Städten sorgt die »Santa Hermandad«, die Heilige Bruderschaft, für Recht und Ordnung.

Isabels Mann Fernando hält ihr als Kriegsherr den Rücken frei, Kastilien und Portugal schließen 1479 Frieden. Isabella und Ferdinand vereinen Kastilien und Aragón und herrschen bald von Sizilien bis Valencia, von Barcelona bis Toledo und Sevilla. Das Volk liebt sie, weil man nun sicherer und auskommender lebt.

Dass Isabella und Ferdinand während der vielen regionalen Kriege gegen die letzten Mauren in Andalusien auch noch Zeit für persönliche Liebesbeweise haben, davon zeugen vier Töchter und Sohn Juan, der allerdings schon als Jugendlicher stirbt. Isabella lässt die Kinder am Madrider Hof streng erziehen. Sie beginnt und beendet ihren Arbeitstag jeweils mit einem Gottesdienst in der Kapelle ihres Madrider Palastes.

Ihre vier Töchter verheiratet sie erfolgreich in englische, deutsche und portugiesische Königshäuser. Ganz besonders prunkvoll ist die Hochzeit der Thronerbin Juana mit dem Habsburger Philipp dem Schönen am 20. Oktober 1496. Da ahnt Isabella noch nicht, dass Philipp »el Hermoso« ihrer Tochter Juana (»la Loca«) später die spanische Krone entreißen wird.

MADRID WÄCHST AUF 9000 EINWOHNER

Acht Jahre zuvor hat die Visionärin einem Seefahrer namens Cristóbal Colón ein Projekt für die Entdeckung Westindiens finanziert. An der Finanzierung zum Schiffbau der »Santa Maria« beteiligt sich auch die Kirche. Dafür darf sie ab 1488 im Namen Gottes und der Königin die Inquisition starten. Es beginnt ein regelrechter Völkermord an Ungläubigen, Muslimen und Juden. Dafür erhält das katholische Königspaar vom Kardinal in Toledo den Titel »Reyes Católicos«...

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